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das Altenburger Gebiet nach Abtretung des Amts
Camburg und einiger Dörfer der Linie Sachsen-
Hildburghausen (gegen Abtretung ihrer gesamten
andern Besitzungen, 550 qkm mit 33.000 Ein-
wohnern, an Sachsen-Meiningen) zugeteilt und
von Sachsen-Hildburghausen durch Patent vom
15. Nov. 1826 in Besitz genommen wurde. Das
„Herzogtum Sachsen-Altenburg“ trat damit in die
Reihe der souveränen deutschen Staaten. Herzog
Friedrich (1 1834) gab dem Land 1831 eine neue
ständische Verfassung. Als 1848 bedenkliche Un-
ruhen ausbrachen, erließ Herzog Joseph (k 1868)
ein neues Wahlgesetz mit allgemeinen direkten
Wahlen, mußte aber trotzdem abdanken (Nov.
1848). Ihm folgte sein Bruder Georg (1 1853),
diesem dessen Sohn Ernst I. (1853/1908). Georg
hatte 1850 das Dreiklassenwahlrecht eingeführt,
Ernst ersetzte dieses durch das Wahlrecht von 1831,
führte aber 1870 wieder das allgemeine direkte
Wahlrecht ein. Im deutschen Krieg von 1866
stand Herzog Ernst I. auf seiten Preußens (Mi-
litärkonvention von 1861, Bündnis vom 21. Juni
1866)0. Das Land trat 18. Aug. 1866 dem Nord-
deutschen Bund bei und wurde 1871 Gliedstaat
des Deutschen Reichs. Regierender Herzog ist seit
1908 der Neffe Ernsts I., Ernst II. (geb. 1871),
der seit 1898 mit Adelheid Prinzessin zu Schaum-
burg-Lippe vermählt ist (zwei Söhne).
2. Fläche, Bevölkerung. Das Herzogtum
hat einen Flächeninhalt von 1323,52 qkm; es
zerfällt in zwei durch das Fürstentum Reuß j. L.
geschiedene Teile, den Ostkreis (657,23 qkm) und
den Westkreis (666,29 qkm). Die Bevölkerung
betrug 1905: 206 508, 1855: 133.000, 1816:
96000 Seelen; auf 1 qkm kamen 1905: 156,
1871: 107,4 Einwohner. Dem Bekenntnis nach
waren 1905: 200 511 Evangelische, 5449 Ka-
tholiken, 131 Juden; auf 1000 Einwohner kamen
971 (1871: 998,4) Evangelische, 26,4 (1871:
1,4) Katholiken, 1,9 (1871: 0,1) Juden. Das
Herzogtum zählt 10 Städte, darunter die Haupt-
stadt Altenburg (1905: 38 818 Einwohner) und
428 Dorfgemeinden. Von der Gesamtfläche ent-
fallen auf Ackerland und Garten 58,2%. auf
Wiesen 8.6%, auf Wald 27,1 %; vom Wald
(vorwiegend Nadelholz) sind 17.3% Staats-,
31.3% Kronforsten. Nach der Berufszählung
von 1907 widmeten sich (Berufszugehörige ins-
gesamt) der Landwirtschaft 45 492, der Industrie
117184, Handel und Verkehr 9323, dem häus-
lichen Dienst und wechselnder Lohnarbeit 1447,
dem öffentlichen Dienst und freien Berufen 7951,
ohne Beruf waren 13858. Im Ostkreis wird
Braunkohlenbergbau betrieben. Hauptindustrie-
zweige sind Ton-, Schamotte= und Porzellan=
warenfabrikation, Holzwarenindustrie. Maschinen-
industrie, Weberei und Wollspinnerei usw.
3. Verfassung, Verwaltung. Sachsen-
Altenburg hatte, wie die übrigen Länder der erne-
stinischen Linie, eine aus dem Mittelalter stammende
ständische Verfassung. Mit dem Grundgesetz vom
Sachsen-Altenburg.
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29. April 1831 erhielt es eine neue Verfassung,
die durch das Gesetz vom 3. Aug. 1850 wesentlich
umgestaltet wurde (durch höchste Verordnung vom
12. März 1853 wurde die Verfassung von 1831
zwar wieder eingeführt, durch Patent vom 3. Aug.
1870 aber wieder beseitigt). Souveränes Ober-
haupt ist der Herzog, er führt den Titel Hoheit,
ebenso seine direkten Nachkommen in erster Gene-
ration, sowie seine Brüder nebst Gemahlinnen.
Der Herzog erhält seit der endgültigen Regulierung
der Rechtsverhältnisse des Domänenvermögens
(ogl. Sp. 850) keine Zivilliste.
Der Landtag (die Landschaft) besteht aus einer
Kammer er wird gebildet aus 32 in direkter ge-
heimer Wahl auf drei Jahre gewählten Abgeord-
neten, wovon 11 (Gesetz vom 29. März 1909,
bis dahin 9) in den Städten, 12 auf dem platten
Lande und 9 von den Höchstbesteuerten gewählt
werden, und zwar die Abgeordneten der Städte
und des platten Landes nach dem Dreiklassensystem.
Das aktive Wahlrecht setzt voraus Staatsange-
hörigkeit, Abschluß des 25. Lebensjahrs, Entrich-
tung direkter Staatssteuer, Führung eines eignen
Hausstands, sechsmonatigen Wohnsitz im Wahl-
bezirk, Zahlung der Steuern im verflossenen Ka-
lenderjahr. Für das passive Wahlrecht kommen
die gleichen Erfordernisse mit Ausnahme der beiden
letztgenannten in Betracht, ferner wird eine min-
destens dreijährige Staatsangehörigkeit verlangt.
Nicht wählbar sind Mitglieder des Ministeriums;
Vater und Sohn können nicht gleichzeitig Abge-
ordnete sein. Der Präsident wird vom Landes-
herrn aus drei vom Landtag mit absoluter Mehr-
heit gewählten Kandidaten ernannt, der Vize-
präsident von der Kammer gewählt und vom
Herzog bestätigt. Die in der Stadt Altenburg
wohnenden Abgeordneten erhalten täglich 4, 50 M
Diäten, die auswärts wohnenden 9 und Ersatz
der Reisekosten, der Präsident außerdem für jede
Session 600 M. Zur Beschlußfähigkeit sind zwei
Drittel der Mitglieder erforderlich. Jeder Abge-
ordnete ist verpflichtet, an der Abstimmung (Ja
oder Nein) teilzunehmen (außer in persönlicher
Sache)., Der Landtag hat das Recht des Beirats
und der Zustimmung zu die Freiheit der Person
oder das Eigentum der Staatsangehörigen be-
treffenden Gesetzen, bei andern Gesetzen steht ihm
nur ein Begutachtungsrecht zu. Das Recht der
Gesetzesinitiative besitzt er nicht. Die Ablehnung
einer Vorlage darf nicht ohne Anführung der
Gründe erfolgen. Der Landtag wirkt mit bei der
Feststellung des Finanzetats und hat das Steuer-
bewilligungsrecht, jedoch mit der Beschränkung,
daß er die zur anständigen Aufbringung der er-
forderlichen Ausgabesätze nötigen Mittel nicht ab-
lehnen darf; er hat ferner das Recht zu Petitionen,
Interpellationen, Beschwerden an den Landesherrn,
der Kontrolle der gesamten Staatsverwaltung, der
Ministeranklage. An Stelle des früheren (landes-
ständischen Ausschusses, der Landesdeputation),
sind zwei landschaftliche Deputierte getreten, denen