Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

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dem Landesverwaltungsgericht (Abteilungsvor- 
stand des Innern, zwei vom Herzog ernannte 
Beisitzer) und dem Oberverwaltungsgericht (der 
Staatsminister, zwei Abteilungsvorstände, zwei 
vom Herzog berufene Beisitzer). 
Eine staatliche Bank ist die Landeskreditanstalt 
(gegründet 1849). Für jeden der vier Kreise be- 
steht seit 1862 eine Handels= und Gewerbekammer, 
für das Herzogtum seit 1900 eine Handwerks- 
kammer. Zur Förderung des landwirtschaftlichen 
Vereinswesens besteht ein Landwirtschaftsrat (Kol- 
legium). 
Das Gesetz vom 20. Juli 1871 läßt die Frage 
nach dem Eigentümer der Domänen, die etwa 
ein Sechstel des Landes einnehmen, offen. Der 
Etat der Domänenkasse wird von dem der Landes- 
kasse getrennt, beide Etats jedoch vom Herzog mit 
Zustimmung des Landtags festgestellt. Die Ver- 
waltung der Domänen erfolgt durch Staatsbe- 
hörden unter Aufsicht des Landtags. Der Herzog 
bezieht aus dem Domänenvermögen eine jährliche 
Rente von 394 285 M (230000 Gulden rhein. 
Währ.), die weiteren Überschüsse fallen je zur Hälfte 
an den Herzog und die Landeskasse. Sollte die 
Regierung des meiningischen Spezialhauses oder 
des Gothaer Gesamthauses aus irgend einem 
Grund aufhören, so fallen zwei Fünftel dem Her- 
zogtum als Landeseigentum zu, die weiteren drei 
Fünftel werden fideikommissarisches Privateigen- 
tum des herzoglichen Hauses. In den letzten Jahren 
ist die alte Domänenfrage wieder in den Vorder- 
grund getreten. Der Herzog, dessen Anteil seit 
den 1870er Jahren (infolge der gesteigerten Holz- 
preise von 132000 auf über 1,2 Mill. A0) gestiegen 
ist, soll zur Vermeidung neuer steuerlicher Be- 
lastung der Bevölkerung in eine durchgreifende 
Reform einwilligen. 
Die Finanzperiode ist dreijährig. Die jähr- 
lichen Einnahmen und Ausgaben der Landeskasse 
sind im Voranschlag für 1909/11 auf je 5,8 
Mill. M. der jährliche zwischen Herzog und Landes- 
kasse zu teilende Uberschuß aus der Domänenkasse 
auf 1,49 Mill. M festgesetzt. Einer Staatsschuld 
von 7,2 Mill. M steht ein Kapitalfonds der Landes- 
kasse von 1,2 Mill. M gegenüber. 
Hinsichtlich des Militärwesens s. Sachsen-Co- 
burg und Gotha (Sp. 859). Orden sind die 
gleichen wie in Sachsen-Coburg und Gotha. Das 
Wappen ist ein 2mal gespaltener und 5mal quer- 
geteilter Schild mit dem herzoglich gekrönten säch- 
sischen Rautenkranzwappen in der Mitte und 19 
Wappenbildern: 1 Landgrafschaft Thüringen, 2 
Herzogtum Kleve, 3 Herzogtum Jülich, 4 Mark- 
grafschaft Meißen, 5 und 8 Grafschaft Landsberg, 
6 Herzogtum Berg, 7 Pfalz Sachsen (Herzogtum 
Westfalen), 9 Pfalz Thüringen, 10 Grasschaft 
Orlamünde, 11 Grafschaft Eisenberg, 12 Herr- 
schaft Pleißen, 13 Burggrafsschaft Altenburg, 14 
Regalien, 15 Grasschaft Brehna (Herzogtum 
Engern), 16 Grafsschaft Mark, 17 Herrschaft 
Römhild, 18 gefürstete Grafschaft Henneberg, 
Staatslexikon. IV. 3. u. 4. Aufl. 
Sachsen-Meiningen. 
  
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19 Grafschaft Ravensberg. Landesfarben sind 
Grün und Weiß. 
4. Kirche und Schule. In der „Evangeli- 
schen Landeskirche“ herrscht das landesherrlich- 
konsistoriale Regiment vor, wenn auch das Gesetz 
vom 4. Jan. 1876 eine Kirchengemeinde= und 
Synodalordnung schuf. An Stelle des Konsisto- 
riums trat 1848 die Ministerialabteilung für 
Kirchen= und Schulsachen bzw. der Oberkirchen- 
rat (Kollegialbehörde). Bezirksaufsichtsbehörden 
sind die Ephorien und die Kirchenämter. Organe 
der Kirchengemeinde sind die Kirchengemeindever- 
sammlung und der Kirchenvorstand. Die Landes- 
synode wirkt mit bei der kirchlichen Gesetzgebung, 
hat das Recht zur Bewilligung kirchlicher Um- 
lagen, aber keinen Einfluß auf die Besetzung 
kirchenregimentlicher Stellen. 
Den „Schutz des Staats und volle Gewissens- 
freiheit“ genießen auch alle andern Kirchen, inso- 
fern sie sich den Gesetzen und Ordnungen des 
Staats gemäfß bezeigen, doch steht dem Staat über 
alle Religionsgesellschaften die Kirchenhoheit zu 
und darf keine kirchliche Verordnung ohne Vor- 
wissen und Genehmigung des Landesherrn erlassen 
und vollzogen werden (Art. 29/30 der Verfassung). 
Die Rechtsfähigkeit können Religionsgesellschaften 
nur durch landesherrliche Verleihung erlangen 
(Gesetz vom 9. Aug. 1899; Ausf.Ges. zum B.= 
G.B.). Eheliche Kinder sind im allgemeinen in der 
Religion des Vaters zu erziehen (Gesetz vom 
18. Aug. 1899), auch in Mischehen, doch können 
die Eltern, eventuell auch die überlebende Mutter, 
unter Umständen anders entscheiden; über die re- 
ligiöse Kindererziehung etwa abgeschlossene Ver- 
träge sind unverbindlich („Richtlinien" vom 
12. Febr. 1903). Der üÜbertritt von einer Kon- 
fession zur andern hat nur vor kirchlichen In- 
stanzen zu erfolgen. 
Die katholische Kirche verschwand in dem 
Gebiet des heutigen Sachsen-Meiningen bei Ein- 
führung der Reformation (1543) vollkommen. 
Durch einen Staatsvertrag von 1808 mit dem 
damaligen Großherzogtum Würzburg wurde das 
katholische Pfarrdorf Wolfmannshausen erworben; 
zu dieser Pfarrei, deren staatsrechtliche Grundlage 
auf dem ÜUbereinkommen mit dem Bischof von 
Würzburg vom 4. bis 14. Aug. 1837 beruht, sind 
Ende des 19. Jahrh. noch die katholischen Seel- 
sorgstellen Meiningen, Hildburghausen, Sonne- 
berg und Pößneck getreten, deren Verhältnisse 
durch Abkommen (vom 27. Juli 1894, 26. Aug. 
1897, 6. Mai 1892 und 9. Febr. 1903) zwischen 
dem Würzburger Ordinariat und der Regierung 
geregelt wurden. Mehrere Bezirke (Camburg, 
Kranichenfeld, Lichtenhain, Gräfenthal usw.) wer- 
den von Priestern anderer Diözesen charitativ pa- 
storiert. Die Anstellung der Geistlichen erfolgt 
derart, daß der Bischof von Würzburg einen mit 
dem königlich bayrischen Tischtitel versehenen Prie- 
ster seiner Diözese dem Staatsministerium prä- 
sentiert mit der Anfrage, ob er dem Herzog per- 
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