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Pfarreien; jeder Wahlkreis wählt eine bestimmte
Anzahl entsprechend seiner Volkszahl. Neben dem
Großen Rat besteht noch als höchste Behörde ein
vom Großen Rat aus seiner Mitte ernannter
Kleiner Rat (zwölf Mitglieder), der in vier Körper-
schaften zerfällt Congresso economico di Stato,
C. dei Legali, C. degli Studi, C. militare) und
auch die Befugnisse eines Gerichts dritter Instanz
ausübt. Die ausführende Gewalt wird ausgeübt
durch die zwei Capitani reggenti, die alljährlich
am 1. April und 1. Okt. auf sechs Monate aus
den Mitgliedern des Großen Rats gewählt wer-
den. An der Spitze der Departements des Innern
und des Außern steht je ein Staatssekretär; der
des Innern hat zugleich die Finanzverwaltung zu
leiten. Weitere höhere Behörden sind der Direktor
der Posten und der der Telegraphen, der Justiz-
kommissar, der Kommandant der Miliz, der Ge-
neralschatzmeister und der politische Inspektor. In
kirchlicher Beziehung gehört der Freistaat zur
Diözese Montefeltro. Für den Unterricht bestehen
eine höhere vom Staat unterhaltene Schule sowie
Elementarschulen. Die Staatseinnahmen betragen
nach dem Budget für 1909/10 698 555, die
Ausgaben 680 247 Lire; das Geld des Staats
(Bronze= und Silbermünzen) wird in Mailand
geprägt. Die Staatsschuld besteht aus einer un-
verzinslichen Anleihe vom 23. Sept. 1907 im
Betrag von 12½ Mill. Lire, rückzahlbar in
50 Jahren. Die Hauptnahrungsquelle der Be-
wohner ist der Ackerbau und die Viehzucht; der
Handel führt besonders Wein, Rinder und Steine
vom Berg Titano aus. Die Militärmacht besteht
aus einer Staatsratgarde, Karabinern und Miliz,
insgesamt 39 Offiziere und 950 Mann. Das
Wappen zeigt in blauem Schild einen Berg mit
drei silbernen Kastellen und dem Sinnspruch Li-
bertas; die Landesfarben sind Blau und Weiß.
Literatur. M. Delfico, Memorie storiche
della Republica di S. M. (3 Bde, Florenz 31843);
C. de Bruc, Saint Marin, Ses institutions, son
histoire (Par. 1876); J. Th. Bent, A Freak okf
Freedom (Lond. 1879); Jonas, Ein wahres, freies
Volk. Eine Studie über die Republik S. M. (1878);
R. de Boyer de Saint-Suzanne, La République
de Saint-Marin (Par. 1883); M. Fattori, Ricordi
storici della Republica di S. M. (Florenz 1893);
de Montalbo, Dizionario bibliogr. etc. della Re-
publica di S. M. (Par. 1898); C. Amico, Die
Republik S. M. (1899); C. Ricci, La Republica
di S. M. (Bergamo 1903; kunstgeschichtlich); F.
Daguin, La République de Saint-Marin (Par.
1904); derf. in Annuaire de lgislation étrangère
1906 (ebd. 1907) 354 ff; J. Arnal, La République
de Saint-Marin (Montpellier 1909). Lins.]
San Salvador s. Zentralamerika.
Santo Domingo. 1. Geschichte. Santo
Domingo, nach dem Namen ihrer Hauptstadt auch
Dominikanische Republik genannt, bildet den öst-
lichen Teil der Insel Hatti. Die ältere Geschichte
ist mit der von Hatti (s. d. Art.) identisch. Nach-
dem in der zweiten Hälfte des 17. Jahrh. die
San Salvador — Santo Domingo.
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Insel Halti in einen französischen und einen
spanischen Teil zerfallen war, blieb der spanische
Teil, der an 49 000 qckm umfaßte, wegen der
Vernachlässigung von seiten des Mutterlands an
Kultur weit hinter dem französischen zurück. Vor
Beginn der französischen Revolution zählte dieser
auf 28 000 ckm an 455 000 Einwohner, dar-
unter über 400 000 Sklaven, jener nur 125 000
Einwohner, von denen aber nur 15.000 Sklaven
waren, die im allgemeinen mild behandelt wurden.
Als im französischen Teil 1791 der furchtbare
Aufstand ausbrach, der mit der Vernichtung der
Weißen endete, versuchte Spanien im Bund mit
den Engländern seinen früheren Besitz wieder zu-
rückzuerobern, doch verbanden sich nun die Neger
mit den französischen Truppen und Spanien
mußte im Frieden von Basel 1795 seinen Anteil
an der Insel ganz räumen. Dieser wurde zunächst
französisch und bildete dann nach der Vertreibung
der Franzosen durch Dessalines und Pétion einen
Teil des Freistaats Hatti. Während der Rassen-
kämpfe, die noch zu Lebzeiten Dessalines' unter
den Mulatten und Negern ausbrachen, gelang es
den Spaniern 1808, ihren Anteil wieder zurück-
zuerobern, während das ehemals französische Ge-
biet in eine Mulattenrepublik im Süden und in
einen Negerstaat im Norden sich spaltete. Als
diese beiden Staatsgebilde 1820 durch Boyer zur
Republik Haiti wieder vereinigt worden waren,
machte sich der spanische Teil 1821 unabhängig
und schloß sich 1822 der Republik Hasti an. Als
1843 deren Präsident Boyer wegen Begünstigung
der europäischen Kultur vertrieben wurde, trennte
sich der früher spanische Osten, der sich in seinen
Interessen zurückgesetzt fühlte, wieder von der
Republik Halti los und proklamierte unter Jimenez
1844 zu Santo Domingo die Dominikanische
Republik. Ihr erster Präsident wurde Pedro
Santana, der „Löwe von Seybo“, der den Be-
stand des neuen Freistaats in wiederholten Kämpfen
gegenüber den Angriffen des „Kaisers“ Faustin
von Haiti sicherte.
Eine gedeihliche Entwicklung der Dominikani-
schen Republik wurde durch die innern Kämpfe
verhindert. In der Leitung des Staats wechselten
Santana und sein Rivale Baez wiederholt ab.
Als Santana 1858 wiederum nach dem Sturz
von Baez zur Herrschaft kam und das von diesem
ausgegebene Papiergeld auf den 20. Teil des No-
minalwerts herabsetzte, kam es zu Verwicklungen
mit den ausländischen Gläubigern; England und
Frankreich erzwangen 1859 durch Entsendung
von Schiffen die Einlösung des Papiergelds durch
Schatzscheine. Santana näherte sich daher Spanien,
dem bereits 1844 die Dominikanische Republik sich
zur Annexion angeboten hatte, und als die Nord-
amerikaner sich anschickten, die Bai von Samana
zu besetzen, vereinigte die Königin Isabella 19. Mai
1861 Santo Domingo wieder mit Spanien. Doch
brach schon 1863 ein Aufstand aus, und Spanien
räumte 1865 nach einem Aufwand von 400 Mill.