Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

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auf amerikanischen, 28 % auf deutschen Schiffen, 
die Ausfuhr geschieht zu ½ unter deutscher Flagge, 
ferner auf norwegischen, französischen und briti- 
schen Schiffen; die eigne Handelsflotte besaß 1909 
nur 10 Segelschiffe mit 1465 Tonnen. Die 
Verkehrsverhältnisse sind, besonders im Innern, 
sehr mangelhaft. Die Eisenbahnen (an 200 km) 
gehören zum Teil dem Staat, zum Teil einer briti- 
schen Gesellschaft; neue staatliche Linien sind zur- 
zeit im Bau (nach einem Gesetz vom Jan. 1906 
sollen 30 % der innern Steuern zum Bau von 
Eisenbahnen oder zur Zahlung von Zinsen für 
im Eisenbahnbau veranlagte private oder Re- 
gierungskapitalien verwendet werden). Seit 1880 
gehört Santo Domingo zum Weltpostverein (an 
75 Anstalten); die Telegraphenlinien (an 690 km 
sind im Besitz einer französischen Gesellschaft; 
Stationen für drahtlose Telegraphie wurden neuer- 
dings von der Regierung in Santo Domingo 
und Santiago de los Caballeros eingerichtet. 
Grundlage des Münzwesens ist seit 1897 der 
nordamerikanische Dollar. Die metrischen Maße 
und Gewichte sollten seit 1859 eingeführt werden, 
doch sind noch heute die alten spanischen und auch 
amerikanische Maße im Gebrauch. Die Staats- 
einnahmen (s. oben, Geschichte) sind für 1910 
gleich den Ausgaben auf 4024 230 Dollar ver- 
anschlagt; über ¾ der Einnahmen fließen aus 
den Zöllen, die bis zu 50 % des Werts der 
Waren betragen. ÜUber die Staatsschulden s. oben, 
Geschichte. An Kreditinstituten besteht nur die 
1889 in der Hauptstadt mit französischem Kapital 
gegründete Nationalbank. 
Literatur. Außer der beim Art. Haiti ge- 
nannten Lit.: F. Alvarez Leal, La République 
Dominicaine (Par. 1888); J. R. Abad, La Re- 
püblica Dominicana (S. D. 1889); Padre Merino, 
lementos de geografia fisica, politica 6 bisto- 
rica de la Repüblica Dominicana (ebd. 1889); 
Monte y Tejada, Historia de S. D. (4 Bde, ebd. 
1890); S. D. (= Bulletin Nr 52 des Internat. 
Bureaus der Amerikanischen Republiken; Wash. 
1892); J. G. Garcia, Compendio de la historia 
de S. D. (3 Bde, S. D. 1896); Report of the 
American Commissioner to S. D. (Walh. 1905); 
Constitucion de la Repüblica Dominicana 1908 
(S. D. 1908); D. Bellet, Les grandes Antilles 
(Par. 1909); Zeitschrift La Miscelanea (S. D. 
1907 ff). LLins.) 
Say, Jean-Baptiste. Say, geb. zu Lyon 
1767, stammte aus einer hugenottischen Kauf- 
mannsfamilie; als junger Kaufmann erhielt er zu 
Paris und London seine berufliche Ausbildung. 
Später wandte er sich dem literarischen Gebiet zu; 
1803 erschien der Traité d'économie politique 
ou simple exposition de la manieère dont se 
forment, se distribuent et se consomment les 
richesses, ein Werk, das eine Reihe von Auf- 
lagen erlebte und in verschiedene fremde Sprachen, 
auch ins Deutsche übertragen wurde. Da Napo- 
leons I. Versuch, den Verfasser für gewisse Ideen 
zu gewinnen und zu einer entsprechenden Abände- 
Say. 
  
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rung der im Traité vorgetragenen Ansichten zu 
bestimmen, scheiterte, fiel Say in Ungnade und 
mußte auch seine bisherige Stellung in der Finanz- 
verwaltung aufgeben. Nach mehrjähriger prak- 
tischer (industrieller) Tätigkeit, der er sich nunmehr 
wieder zuwandte, kehrte er 1813 in die Haupt- 
stadt zurück. Hier dozierte Say seit 1815 im 
Athenäum politische Okonomie; im nämlichen Jahr 
veröffentlichte er den Catöchisme d’économie 
politique etc. Ein weiteres großes Werk folgte 
1828/29: Cours complet d’économie politi- 
due pratique; das ebenfalls weitverbreitete, in 
mehrere Sprachen übersetzte Werk entstand aus 
den Vorlesungen, die Say am Konservatorium 
für Kunst und Gewerbe über praktische Industrie- 
) wissenschaft hielt. Später nahm er einen Ruf an 
das College de France an, konnte aber nur 
noch kurze Zeit daselbst tätig sein; er starb 1832. 
Seiner politischen Denkweise nach war Say ein 
Republikaner, der seinen Ideen von Freiheit und 
Humanität sowohl während der Kaiserherrschaft 
als auch in der Epoche der Restauration treu blieb. 
Was Says nationalökonomischen Standpunkt 
betrifft, so lehnt er sich im wesentlichen an Adam 
Smith an. Demgemäß betrachtet er den Reichtum 
als Gegenstand der volkswirtschaftlichen Wissen- 
schaft. Als den richtigen Weg der Forschung be- 
zeichnet er die Beobachtung. Zu den Produktions- 
faktoren gehören neben der Arbeit, die nach Smith 
wenigstens ursprünglich allein den Wert eines 
Gutes bestimmt hat, auch die Natur und das 
Kapital. Sie bilden die Quelle des National- 
reichtums; das Ineinandergreifen ihrer „produk= 
tiven Dienste“ bringt diesen hervor. Das Kapital 
speziell betätigt sich als Produktionsfaktor, indem 
es unter Ergänzung der menschlichen Arbeit bei 
industriellen Unternehmungen und bei Verwen- 
dung der Naturkräfte mitzuwirken hat. Im Gegen- 
satz zu Smith wird von Say den materiellen Be- 
sitzgegenständen in dem immateriellen Eigentum 
(Talent, erworbene persönliche Eigenschaften) und 
der produktiven, d. h. materiellen Wert schaffenden 
Arbeit in den Dienstleistungen der Beamten, Ge- 
lehrten usw. ein Gegengewicht gegeben, somit der 
wesentliche Unterschied zwischen „produktiver“ Ar- 
beit und Schaffung immaterieller Werte aufge- 
hoben. Die sog. Theorie der Absatzwege legt den 
Gedanken zugrunde, daß Produkte nur gegen Pro- 
dukte käuflich sind, wobei auch die Arbeit, nicht 
nur ihr Produkt, als Tauschobjekt gilt. Als das 
Agens im Güterverkehr wird der zwischen den 
Völkern sich vollziehende Austausch der Produkte 
angesehen; der Käufer ist zugleich auch wieder 
Verkäufer; was im Lande produziert wird, dient 
als Mittel, Produkte anderer Länder zu erwerben. 
Analoges trifft auf den Verkehr der kleineren Ab- 
satzgebiete untereinander zu. Eine Uberproduktion 
ist nach Say auf industriellem Gebiet ausge- 
schlossen. Entsprechend der physiokratischen Auf- 
fassung wird die Theorie des Freihandels ver- 
teidigt, der eine naturgemäße Entfaltung des
	        
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