Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

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Güterverkehrs herbeiführt. Say wurde Begründer 
der französischen Freihandelsschule, die jedoch zu- 
nächst keine praktischen Erfolge aufzuweisen hatte. 
Die Güterverteilung, durch den Unternehmer ver- 
mittelt, erfolgt an die Inhaber der von Say an- 
genommenen Produktionsfaktoren nach dem Gesetz 
von Angebot und Nachfrage. Auf Grund der 
Produktivitätstheorie wird auch die Zinslehre ent- 
wickelt. Hervorzuheben ist schließlich noch der Satz, 
wonach der Konsum bei sinkenden Preisen sich er- 
höhen und bei steigenden Preisen abnehmen soll.— 
Seiner Weltanschauung nach war Say Deist und 
Anhänger der NRousseauschen Humanitätsphilo- 
ophie. 
Zweierlei wird man anerkennen müssen, fürs 
erste, daß der französische Nationalökonom der 
Wissenschaft, deren Vertreter er war, eine über- 
sichtlichere Gliederung gegeben hat (und zwar nach 
Produktion, Distribution, Konsumtion); und 
fürs zweite, was von größerer Bedeutung ist, daß 
er mit Erfolg um die Steigerung des Interesses 
für die Volkswirtschaftslehre sich bemühte und zur 
Verbreitung von antimerkantilistischen Anschau- 
ungen auf dem Kontinent viel beitrug; zugleich 
hater die Wissenschaft zu popularisieren verstanden. 
Im übrigen jedoch ist seine Bedeutung stark über- 
schätzt worden; es geht nicht an, Say auf eine 
Stufe mit Smith zu stellen, der jo freilich seiner- 
seits gleichfalls über Gebühr erhoben wurde. Ins- 
besondere besteht darüber wohl kein Zweifel mehr, 
daß Say nicht als der eigentliche Begründer der 
nationalökonomischen Wissenschaft anzusehen ist. 
Say hat zwar manche Ansichten von Smith einer 
Kritik unterworfen; aber im wesentlichen dessen 
Ergebnisse nicht überholt. Sogar die von ihm 
durchgeführte neue Art der Gliederung ist logisch 
und sachlich anfechtbar. Die Aufhebung der 
Smithschen Unterscheidung zwischen produktiver 
und unproduktiver Arbeit war verfehlt; darin lag 
eine Verkennung des Wesens der Nationalökono- 
mie. Ein Grundzug der Sayschen Auffassung 
sodann ist ein mit den Tatsachen im Widerspruch 
stehender, mitunter geradezu blind zu nennender 
Optimismus. Optimistische Übertreibung ist es, 
wenn er meint, das wohlverstandene Selbstinteresse 
bilde bei zivilisierten Völkern den Regulator der 
Bedürfnisse, so daß zwischen der Steigerung des 
Nationalreichtums, von Produktion und Kon- 
sumtion einerseits und der ethischen Fortbildung 
anderseits immerdar schönste Harmonie sich er- 
geben muß. Als das Charakteristikum der Zivili- 
sation erscheint somit die Steigerung von Pro- 
duktion und Konsumtion. In diesem Optimismus 
ließ sich Say nicht einmal durch die schrecklichen 
sozialen Folgen des Laissez faire-Prinzips wan- 
kend machen. Eine optimistische Ubertreibung ist 
es ferner, wenn die Möglichkeit des Eintretens 
einer Uberproduktion geleugnet wird; die dafür 
gegebene Begründung ist zwar geistreich, aber 
gänzlich haltlos. Die Gleichsetzung von Kapital 
und Arbeit (bzw. Natur) ist nicht angängig, da 
Schaepman. 
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das Kapital, wie Say selbst ausführt, nur als 
Hebel produktiver Unternehmung gelten kann, also 
nicht als ursprüngliche Quelle des Werts ange- 
sehen werden darf. Allgemein trifft auch der Satz 
keineswegs zu, daß bei sinkenden Preisen der 
Konsum sich steigert, und umgekehrt; theoretisch 
ist dabei zu beanstanden, daß zwischen Tausch- 
wert und Gebrauchswert nicht unterschieden wird. 
Wenn trotz alledem der französische National= 
ökonom besonders zu Lebzeiten überaus hoch- 
geschätzt wurde, so hängt dies nicht zuletzt damit 
zusammen, daß er gefällig und klar schrieb, worauf 
ja der Franzose besonderes Gewicht legt, sowie 
damit, daß er als Vertreter liberaler Ideen in 
einer Reihe von Einzelfragen sich viele Sympathien 
zu erwerben wußte. 
Literatur. Vgl. außer Euvres de J.-B. S. 
  
in der Collection des principaux é6conomistes 
(Par., 12 Bde), Dictionnaire d'économic politique 
II, ebd. 21854 (M. Clement); Dictionnaire philo- 
Sobphique de H. Franc; Biographie Didot (1864, 
E. Asse); Biographie universelle (Michaud, Ad. 
Blanqui). Ferner: Ad. Blanqui, Histoire de 
lI’économie politique (2 Bde, Par. 1879); H. Bau- 
drillart, J.-B. S. (ebd. 1897); Ch. Perin, Prin- 
cipes d'’économie politique (ebd. 1901) u. Les 
doctrines économiques (ebd. 1894). Bluntschlis 
Staatswörterbuch IX (1865). Ins Deutsche wur- 
den übersetzt der Traité von Morstadt (1830), der 
„Catéchisme (1816 u. 1826) u. der Cours complet 
von Stirner (4 Bde, 1845). [(Schilling.] 
Schaepman, Hermann Johann, poli- 
tischer Führer der niederländischen Katholiken. 
[Ausbildung; Schaepman als Dichter, Redner, 
Staatsmann, Organisator.) 
Geboren wurde Schaepman am 2. März 1844 
zu Tubbergen in der Provinz Overisssel, wo sein 
Vater Bürgermeister war. Am Gymnasium zu 
Oldenzaal begann er seine Studien, kam dann 
in das erzbischöfliche Kollegium zu Kuilenburg 
und studierte dort fünf Jahre Humaniora und 
Philosophie. Professoren und Mitschüler waren 
erstaunt über seine außergewöhnlichen Fortschritte; 
auch zeigte sich schon damals seine bedeutende 
dichterische Begabung. 1863 trat der Student in 
das Priesterseminar der Utrechter Diözese zu Rysen- 
burg ein; in der Kathedrale zu Utrecht wurde er 
am 15. Aug. 1867 von seinem Oheim, dem Erz- 
bischof Schaepman, zum Priester geweiht und 
bald darauf zum zweiten Sekretär des Erzbischofs 
ernannt. Im Okt. 1868 begab er sich nach Rom, 
um den theologischen Dokkorgrad zu erlangen. 
Im Jahr 1870 erfolgte seine Ernennung zum 
Professor am Priesterseminar zu Rysenburg, in 
welcher Stellung er bis zu seinem am 21. Jan. 
1903 in Rom erfolgten Tod verblieb. 
Schaepmans Hauptwerke als Dichter sind: 
De ers (Die Presse), Vondel, Parizs, Napoleon, 
De Eeuw en haar Koning (Das Jahrhundert 
und sein König) und vor allem Aya Sophia. In 
diesem Poem gibt er die Eindrücke wieder, die 
  
sich seiner beim Betreten der Sophienkirche in
	        
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