Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

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als seine Freunde. Aber wo es sich um kirchliche 
Fragen handelte, war er vor allen Dingen Ka- 
tholik. Es ist sicher, daß er bei aller Meinungs- 
verschiedenheit bei allen in Ansehen stand und 
auch von dieser Seite der Kammer hoch geschätzt 
wurde. Sein Andenken wird denn auch bei uns 
weiterleben.“ Der Minister van Waterstraat sprach 
im Namen der Staatsregierung seine Zustimmung 
zu den gehörten Worten aus. „In der Tat, die 
Volksvertretung hat in Dr Schaepman eine ihrer 
edelsten, tüchtigsten und anziehendsten Gestalten 
verloren, und es wird schwer werden, die Figur 
dieses Riesen von Leben und Schönheit — ein 
Wort von Schaepman selbst — zu entbehren. 
Auch die Regierung nimmt an der Trauer der 
Kammer teil, es ist ihre eigne Trauer, und mit 
Schmerz schaut sie dem Entschlafenen nach, dem 
ausgezeichneten Redner, dem begeisternden christ- 
lichen Dichter, dem treuen Anhänger des Hauses 
Oranien, dem echten Niederländer, der das ganze 
Leben seines Volks zu dem seinigen gemachtkhatte und 
auf den das Volk stolz war, weil es in ihm einen der 
würdigsten Vertreter des niederländischen Sinnes 
für Freiheit, Religion, Recht und Schönheit sah."“ 
Schaepmans politisches Vorbild war das deutsche 
Zentrum. „Das Zentrum“, so schrieb er, „ist eine 
imponierende Erscheinung. Aufgetreten als poli- 
tische Partei, hat es von Anfang an in harten 
und beschwerlichen Verhältnissen diesen Charakter 
bewahrt. Seinem doppelten Wahlspruch: lustitia 
fundamentum regnorum, und: „Für Wahrheit, 
Freiheit, Recht“, ist es überall treu geblieben. In 
seinem Kampf für die sittlichen Fundamente des 
Staats, für die wahrhaftigen Prinzipien des 
Rechts und der Freiheit gegenüber der Politik, 
die der Zentralisation als höchster Ordnung und 
dem Beati possidentes als heiliger Gerechtig- 
keit huldigt, hat es trotz aller Niederlagen fest auf 
seinem Platz gestanden. Treu ergeben der katho- 
lischen Kirche, innig verbunden mit ihr, die die 
höchste Wahrheit besitzt und verbürgt, hat es die 
unveräußerlichen göttlichen Rechte dieser Kirche 
geschützt und verteidigt, trotz Schmach und Hohn. 
Endlich hat es den Forderungen der bestehenden 
ggetragen, nicht mehr verlangend, 
als gegeben werden durfte oder konnte.“ Zur Ver- 
tretung seiner Anschauungen gründete er das Tage- 
blatt Het Centrum. 
Bei der Berwirklichung seiner politischen Ideale 
hatte Schaepman anfangs gegenüber den Allzu- 
engen und Angstlichen im eignen Lager mit großen 
Schwierigkeiten zu kämpfen. Er lebte in seiner 
Zeit und für seine Zeit, deren Bedürfnisse er ver- 
stand; es war ihm stets gegenwärtig, daß eine 
politische Gruppe, wie er sie anstrebte, vor der 
Überspannung konfessioneller Ansprüche sich sorg- 
fältig zu hüten, nicht lediglich „klerikale“ Politik 
im engeren Sinn zu treiben, sondern tüchtige 
Mitarbeit auf allen Gebieten des Staatslebens 
zu leisten habe. Manchen seiner Glaubensgenossen 
war er weit voraus, namentlich bei seinem Ein- 
  
  
Schaepman. 
  
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treten für eine Erweiterung des Wahlrechts, für 
soziale Reformgesetze, für die allgemeine Wehr- 
pflicht und die Lernpflicht, die im Hinblick auf die 
in Holland bestehende Unterrichtsfreiheit keinerlei 
prinzipielle Bedenken hatte. Zeitweise stand er 
unter den Katholiken der Kammer fast isoliert da. 
Bei dem Kampf um die Erweiterung des Wahl- 
rechts unterlag er in Wijk bij Duurstede, was 
einem gegnerischen Blatt zu der Außerung Anlaß 
gab: „Die katholische Partei hat nur einen ein- 
zigen Abgeordneten verloren, aber dieser Eine 
zählt für zehn.“ Er erhielt alsbald ein neues 
Mandat für den Bezirk Almelo, wo ein anderes 
katholisches Kammermitglied ihm Platz machte. 
Diesen Bezirk vertrat er bis zu seinem Tod; die 
andern Parteien stellten ihm keinen Gegenkandi- 
daten gegenüber. Mehr und mehr verschwand 
auch das Mißtrauen seiner Parteigenossen und 
befestigte sich seine Stellung. Seine hinreißende 
Beredsamkeit, seine hohe Intelligenz und sein 
scharfer Verstand, sein umfangreiches Wissen und 
seine bedeutende allgemeine Bildung zwangen auch 
die anfangs widerwilligen Elemente der Partei in 
den Bann seiner übermächtigen Persönlichkeit, und 
als unter seiner ausschlaggebenden Mitwirkung 
ein aus protestantischen Antirevolutionären und 
Katholiken gebildetes Ministerium die Geschäfte 
in die Hand nahm, wurde seine leitende Stellung 
auch formell dadurch anerkannt, daß der katho- 
lische Kammerklub ihn zu seinem Präsidenten 
wählte. (Schon dreimal ist in Holland ein solches 
Koalitionsministerium gebildet worden: 1888/91 
das Ministerium Makay, 1901/05 das Mini- 
sterium Kuyper und seit 1908 das Ministerium 
Heemskerk. Dem gegenwärtigen Ministerium ge- 
hören drei Katholiken an: der Finanzminister, der 
Justizminister und der Minister van Waterstaat, 
alles Männer, welche fest auf dem Boden ihres 
Bekenntnisses stehen.) Dr Alph. Ariens sagt 
in einer Würdigung Schaepmans als Staats- 
mann: „Er hat uns Katholiken begreiflich ge- 
macht, daß die niederländische Luft ebensogut für 
katholische als für protestantische Lungen ge- 
schaffen ist; er hat uns das herrliche Gefühl von 
Freiheit und Selbständigkeit geschenkt, aber uns 
auch gelehrt, die Pflichten des freien Niederländers 
ehrlich zu erfüllen; er hat uns aus unserem ruhigen 
Kämmerlein hervorgeholt und uns Leben und 
Tätigkeit für alles, was gut, real und national ist, 
eingehaucht, hat uns unserer Isolierung entrissen 
und uns mit allen zusammengeführt, die wie wir 
Christus bekennen, um mit ihnen ehrlich und 
kräftig zum Heil des einen Vaterlands zu wirken.“ 
„Er machte den Katholizismus in Holland volks- 
tümlich“, sagte das freisinnig -demokratische So- 
ciaal Weekblad von ihm. 
In Deutschland war Schaepman namentlich 
durch sein Auftreten auf mehreren Generalver= 
sammlungen der Katholiken Deutschlands bekannt. 
Zuletzt erschien er auf der Kölner Generalversamm- 
lung vom Jahr 1894, wo er die Freiheit feierte,
	        
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