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welcher sich die Katholiken in den Niederlanden
erfreuen. Er führte unter anderem aus: „In
keinem Land der modernen Welt hat man die
politische und religiöse Freiheit so mutig erfaßt,
so unerschrocken durchgeführt, so kräftig hoch-
gehalten. Wir Katholiken haben unsere Bischöfe
in Freiheit erwählt und angestellt vom Papst
allein, in Freiheit jeden Teil ihres erhabenen
Amts erfüllend. Wir haben unsere Pfarrgeistlich-
keit in Freiheit von den Bischöfen ohne jegliche
Einwirkung ernannt, in keiner Weise in ihrer
Arbeit gehemmt. Wir haben unsere Seminare,
in voller Freiheit bestehend, ohne jeden Zwang
bei Annahme oder Prüfung der Zöglinge, unsere
Volksschulen, dem Inhalt des Unterrichts nach
auch voll und ganz katholisch, den technischen Be-
stimmungen des Staatsgesetzes unterworfen, aber
dann auch von der Staatskasse unterstützt. Auf
dem Gebiet des mittleren und höheren Unterrichts
streben wir der vollen Entwicklung unserer Frei-
heit zu; in diesen höheren Kreisen geht es nicht so
leicht.“ Nachdem er dann geschildert hatte, daß
dort auch die Orden aller Art, einschließlich der
Jesuiten, nur dem Gesetz des gemeinen Rechts
und der gemeinen Freiheit unterworfen seien,
schloß er mit folgenden Sätzen: „So steht es in
unserem Land. So steht es nicht aus falscher
Toleranz, nicht aus einer Art sentimentaler Frie--
densliebe, nein: wo es auf unsere Grundsätze und
unsern Glauben ankommt, da sind wir Nieder-
länder, von welchem Bekenntnis auch, steil in-
tolerant. Aber in einem Satz sind wir einig und
fest, in diesem, daß in unsern modernen Staaten,
daß in Ländern mit konfessionell gemischter Be-
völkerung der Religionsfriede nur dann wirklich
und ehrlich möglich ist, wenn die öffentliche Be-
hörde, das Staatsgesetz und die Staatsregierung
durchaus und in keiner Weise für irgend eine
Richtung Partei nehmen. Nur dann wird der
kirchliche Friede gefährdet, wenn der weltliche
Arm über die eine oder andere Richtung schützend
erhoben sich einer andern abwehrend entgegen-
streckt. Der Kampf der Geister soll nur mit gei-
stigen Waffen gekämpft werden, der Staat wahrt
allen und jedem die gleiche Freiheit und das gleiche
Recht. So steht es bei uns. Und wenn auch die
tägliche Praxis hier und da Abweichungen zeigen
mag, die Grundsätze und die gesetzliche Praxis
stehen fest. Haben wir nicht das Recht, auf unsere
Freiheit stolz zu sein?“
Großen Ansehens erfreute sich Schaepman beie
Papst Leo XIII., der ihn wiederholt auszeichnete
und namentlich wegen seiner sozialreformerischen
Bestrebungen lobte. In Rom wurde Schaepman
auf seinen Wunsch in dem Habit der Tertiarier des
Franziskanerordens begraben. Ob die holländi-
schen Katholiken ihre gegenwärtige einflußreiche
Stellung im öffentlichen Leben zu behaupten ver-
mögen, wird zum guten Teil davon abhängen, ob
sie in den politischen Bahnen verharren, welche
Schaepman ihnen gewiesen hat.
Schaumburg-Lippe.
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Literatur. Die S. bei seinem Ableben in
der Tagespresse gewidmeten Nachrufe, insbesondere
in dem von ihm gegründeten Tageblatt Het Cen-
trum. Eine biographisch--literarische Skizze von
Br. Felician-Blijerheide enthält Hft 6 der „Lite-
rarischen Warte" (München). In memoriam Dr.
H. J. A. M. Sch., von Dr W. H. Nolens (1903);
Dr H. J. A. M. Sch., von Dr G. Brom (1903);
MGR. Dr H. J. A. M. Sch. herdacht in de Hoofd--
stad 1903 (Sammlung von Gedächtnisreden auf
Sch.). Eine neue ausführliche Biographie von I.
J. Peuyn ist angekündigt. (Jul. Bachem.)
Schaumburg-Lippe. 1. Geschichte.
Das Gebiet des heutigen Fürstentums Schaum-
burg-Lippe hat mit dem Fürstentum Lippe nie-
mals in staatsrechtlicher Verbindung gestanden.
Die beiden Länder sind immer selbständige Ge-
biete gewesen und nicht durch Landesteilung ent-
standen. Die an der mittleren Weser gelegene
Grafschaft Schaumburg (srüher Schauenburg)
wurde nach der Überlieferung von Kaiser Konrad II.
an Adolf von Santersleben verliehen, den Erbauer
der Schaumburg auf dem Nettelberg. Seine Nach-
kommen erwarben die Grafschaft Holstein, das
Herzogtum Schleswig, die Grasschaft Sternberg,
die Herrschaften Gehmen und Bergen, die aber
wieder verloren gingen. 1640 starb das Haus
Schaumburg mit dem Grafen Otto V. im
Mannesstamm aus. Die Grasschaft fiel seiner
Mutter Elisabeth, einer Gräfin zur Lippe zu, die
wieder durch ihre Mutter mit dem Hause Schaum-
burg verwandt war. Elisabeth schenkte die Graf-
schaft ihrem Bruder, dem Grafen Philipp zur
Lippe, dem Inhaber des lippischen Paragiums
Lipperode und Alverdissen und jüngsten Sohn
des Grafen Simon VI. (vgl. d. Art. Lippe). Graf
Philipp schloß mit den Landgrafen von Hessen-
Kassel und dem Herzog von Braunschweig-Lüne-
burg den im Westfälischen Frieden bestätigten
Vergleich vom 9. Juli 1647. An Braunschweig
fielen die Amter Lauenau, Bokeloh und Mesme-
rode, an Hessen-Kassel die Amter Schaumburg
und Rodenberg und ein Teil des Amtes Sachsen-
hausen (diese hessischen Teile der alten Grasschaft
Schaumburg kamen 1866 an Preußen als hessen-
nassauischer Kreis Rinteln, seit 1905 Grasschaft
Schaumburg genannt); der übrige Teil der alten
Grasschaft Schaumburg, die Amter Bückeburg,
Arensburg, Stadthagen, Hagenburg und der Rest
des Amtes Sachsenhausen, verblieb dem Grafen
Philipp, dem Stifter der Linie Lippe-Bücke-
burg, der 1668 das Erstgeburtsrecht einführte.
Mit dem Grafen Wilhelm (dem bekannten Ge-
neral) erlosch 1777 die ältere Linie Bückeburg.
Die Herrschaft ging auf die von dem zweiten
Sohn des Grafen Philipp gestiftete Linie Alver-
dissen über. Graf Philipp Ernst (gest. 1787)
nannte sich zuerst Graf von Schaumburg-
Lippe-Bückeburg. Sein Sohn, Georg Wil-
helm, stand bis 1807 unter der Vormundschaft
seiner Mutter, der Prinzessin Juliane von Hessen-
Philippsthal; er trat 1807 dem Rheinbund bei