Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Fünfzehnter Jahrgang. 1899. (40)

92 Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Mai 2. 3.) 
Einziehung von Reservisten und Landwehrleuten zu militärischen Uebungen, 
c) die Revision der Dienstvorschriften über Marschgebührnisse für die zur 
Entlassung kommenden Mannschaften nach der Richtung hin, daß die früher 
der Landwirtschaft angehörenden Mannschaften nach ihrem Heimats- oder 
Gestellungsort entlassen werden; 12. die Erweiterung der Zulassung aus- 
ländischer Arbeiter, soweit es die nationalen Rücksichten irgend gestatten, 
insbesondere auch zum Gesindedienst in nicht gemischtsprachigen Bezirken, 
sowie die Vereinfachung der von den Arbeitgebern den Behörden gegenüber 
abzugebenden Verpflichtungserklärungen. 
Der Antrag wird mit einigen Modifikationen am 2. und 15. Mai 
angenommen gegen die Stimmen der Freisinnigen. 
2. Mai. (Berlin.) Eduard v. Simson, Präsident des Reichs- 
gerichts a. D., 1848 Präsident der deutschen Nationalversammlung, 
1871—74 Präsident des Reichstags, 88 Jahre alt, † 
3. Mai. (Reichstag.) Präsident Graf Ballestrem hält 
folgenden Nachruf auf Eduard v. Simson: 
„Ich habe dem Hause eine Trauerbotschaft mitzuteilen. Nach einer 
Mitteilung des Herrn Justizrats v. Simson ist der Vater desselben, der 
langjährige ehemalige Präsident des Reichstags, Reichsgerichtspräsident a. D. 
Dr. Martin Eduard v. Simson gestern abend im 89. Lebensjahre sanft 
entschlafen. Meine Herren! In allen Entwicklungsphasen der deutschen 
Einheitsbewegung hat der Entschlafene eine hervorragende Stellung ein- 
genommen und eine bedeutsame Thätigkeit entfaltet. Als Präsident der 
Frankfurter Nationalversammlung kündigte er an der Spitze einer Depu- 
tation derselben am 3. April 1849 Sr. Majestät dem König Friedrich 
Wilhelm IV. von Preußen die Wahl zum Deutschen Kaiser an. Später 
war der Entschlafene auch Präsident des Erfurter Parlaments. Sowohl 
im konstituierenden, als im ersten ordentlichen Reichstag des Norddeutschen 
Bundes und im Zollparlament bekleidete Simson die Stelle des ersten 
Präsidenten. Als solcher überreichte er an der Spitze einer Deputation des 
Norddeutschen Reichstags am 18. Dezember 1870 Sr. Majestät dem König 
Wilhelm I. von Preußen in Versailles die Adresse, durch welche Allerhöchst- 
demselben die deutsche Kaiserwürde angetragen wurde. Auch der Deutsche 
Reichstag wählte Simson zum ersten Präsidenten. Er bekleidete diese Würde 
von 1871 bis 1874, wo er aus Gesundheitsrücksichten eine Wiederwahl 
ablehnte. Aber noch bis 1876 gehörte er dem Reichstag als Mitglied an. 
Im Jahre 1879 wurde Simson zum ersten Präsidenten des neu errichteten 
Reichsgerichts in Leipzig ernannt. 1888 verlieh Se. Majestät Kaiser 
Friedrich III. dem Entschlafenen den hohen Orden vom Schwarzen Adler 
und damit den erblichen Adel. Dieser in der neuesten Geschichte des 
Deutschen Reichs so bedeutsam hervorgetretene Mann ist nicht mehr. 
Trauernd und tief bewegt steht der Deutsche Reichstag an der Bahre dieses 
seines ausgezeichneten ersten Präsidenten, dem er immer ein hoch ehrendes 
und dankbares Andenken bewahren wird. Ich erbitte mir Ihre Ermäch- 
tigung, im Namen des Reichstags ein Beileidsschreiben an den Sohn des 
Verstorbenen zu richten und eine Kranzspende an der Bahre des Verewigten 
niederzulegen. Da kein Widerspruch erfolgt, stelle ich fest, daß diese Er- 
mächtigung erteilt ist. Wegen weiterer Beteiligung des Reichstags an den 
Trauerfeierlichkeiten gedenke ich mit den Herren Senioren zu beraten, und 
bitte sie sich nach Schluß der Sitzung in meinem Konferenzzimmer ein- 
zufinden.“
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.