Metadata: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

907 
gut entwickeltes Scheckwesen auch für die finan- 
zielle Kriegsbereitschaft von Wichtigkeit. 
Die große Bedeutung des Scheckwesens für das 
Wirtschaftsleben erhellt auch aus den in Betracht 
kommenden Ziffern. Von besonderem Interesse 
sind die Zahlen des englischen Scheckverkehrs. In 
London sollen von allen Zahlungen bei Banken 
97% in Schecks und nur 3% in Metallgeld oder 
Noten geleistet werden. Und in den englischen 
Provinzen verhalten sich die Zahlen wie 87: 13. 
Der tägliche Scheckverkehr in London ist in neuerer 
Zeit auf 700 Mill. A geschätzt worden. Dem- 
gegenüber sind wir in Deutschland noch weit 
zurück, wenn auch der Großverkehr schon sehr 
beträchtlich ist. — Anders als mit dem eigent- 
lichen Scheckverkehr verhält es sich mit dem Giro- 
verkehr. Hier steht Deutschland an erster Stelle. 
Namentlich der Giroverkehr der Reichsbank weist 
ganz bedeutende Zahlen auf. Der Gesamtumsatz 
auf Reichsbankgirokonto, der allerdings nicht nur 
den reinen Giroverkehr umfaßt, sondern in dem 
auch die Beträge der weißen Schecks und einiges 
andere enthalten sind, ist von über 16 Milliarden M 
im Jahr 1876 auf mehr als 295 Milliarden Al 
im Jahr 1909 gestiegen. — Gewaltig sind die 
Ziffern des Abrechnungsverkehrs. Der 
Gesamtumsatz der deutschen Abrechnungsstellen bei 
der Reichsbank belief sich im Jahr 1909 auf 
über 51 Milliarden J. Im Bankers’ Clea- 
ring-House in London wurden im gleichen Jahr 
aber annähernd 276 Milliarden A# umgesetzt. Und 
im Clearing-Verkehr der Vereinigten Staaten von 
Amerika betrug der Umsatz im Jahr 1909 gar 
über 695 Milliarden Il, wovon allein auf Neu- 
york stark 435 Milliarden entfallen. Beim Ver- 
gleich dieser Ziffern mit den deutschen muß man 
sich allerdings, wie Koch mit Recht bemerkt, vor 
Trugschlüssen hüten, da der Giroverkehr der deut- 
schen Reichsbank mit seinen roten Schecks, die ja 
ebenfalls in weitem Umfang dem bargeldlosen 
Zahlungsausgleich dienen, in England und 
Amerika nicht vorhanden ist. 
VI. Pollscheckverkehr. Der Gedanke, der 
Post mit ihren zahlreichen Kassenstellen und der 
durch den staatlichen Betrieb bedingten Sicherheit 
die Geschäfte einer Scheck= und Girobank zu über- 
tragen, ist zuerst in Osterreich verwirklicht wor- 
den, wo der Postscheckverkehr im Jahr 1883 im An- 
schluß an die kurz vorher gegründete Postsparkasse 
eingeführt wurde. Andere Länder folgten, so 
Ungarn 1889, die Schweiz und Japan 1906. 
In Deutschland ist der Postscheckverkehr (ge- 
nauere Bezeichnung: Post-Uberweisungs= und 
Scheckverkehr) mit dem 1. Jan. 1909 in Wirk- 
samkeit getreten. Seine Reglung ist zunächst im 
Verordnungsweg erfolgt, jedoch sollen bis zum 
1. April 1912 gesetzliche Vorschriften erlassen 
werden. Im Reichs-Postgebiet gilt die Postscheck- 
ordnung vom 6. Nov. 1908, mit der die bayrische 
und die württembergische Postscheckordnung, beide 
vom 17. Nov. 1908, inhaltlich übereinstimmen. 
Scheck usw. 
  
908 
Für den Verkehr mit dem Publikum stellt sich 
das ganze Reich als ein einheitliches Postscheck- 
gebiet dar. 
Zur Abwicklung des Postscheckverkehrs sind im 
Deutschen Reich 13 Zentralstellen, Postscheck- 
ämter, geschaffen, 9 seitens der Reichs-Postver- 
waltung (Berlin, Danzig, Breslau, Leipzig, Ham- 
burg, Hannover, Köln, Frankfurt a. M. und 
Karlsruhe) und die übrigen 4 von den Postverwal- 
tungen Bayerns (München, Nürnberg, Ludwigs- 
hafen a. Rh.) und Württembergs (Stuttgart). 
Daneben wirken sämtliche deutschen Postanstalten, 
nahezu 20 000, bei den Ein= und Auszahlungen 
mit. — Der Beitritt zum Postscheckverkehr steht 
jedermann gegen Zahlung einer Stammeinlage 
von 100 ) frei, die beim Austritt voll zurück- 
bezahlt wird. Der Austritt kann zu jeder Zeit 
ohne besondere Kosten und Förmlichkeiten erfolgen. 
— Einzahlungen auf ein Postscheckkonto können 
bewirkt werden: 1) mittels Zahlkarte von jeder- 
mann bei allen Postanstalten und Postscheck- 
ämtern, 2) mittels Uberweisung von einem andern 
Postscheckkonto, 3) durch Uberweisung von Post- 
anweisungen und von Beträgen, die durch Post- 
auftrag oder Nachnahme eingezogen sind. Aus- 
zahlungen (die Stammeinlage muß unberührt 
bleiben) könnenerfolgen: 1) mittels Schecks, 2) durch 
Überweisung auf ein anderes Postscheckkonto. Die 
Post-Überweisung ist das, was im Reichsbankgiro- 
verkehr der rote Scheck ist, die unmittelbare Über- 
weisung von Konto zu Konto, wegen ihrer wirt- 
schaftlichen Zweckmäßigkeit und ihrer Billigkeit die 
idealste Art postalischen Zahlungsverkehrs. Der 
Postscheck ist ein regelrechter Scheck in dem oben 
besprochenen Sinn. Das ausgefüllte Formular 
wird unmittelbar dem Postscheckamt eingesandt. 
Hat der im Scheck bezeichnete Zahlungsempfänger 
kein Postscheckkonto oder verlangt er ausdrücklich 
die Barzahlung, so wird die zuständige Postanstalt 
vom Postscheckamt mittels sog. Zahlungsanwei- 
sung beauftragt, den Betrag an den Empfänger 
zu zahlen. Hat aber der bezeichnete Zahlungs- 
empfänger selbst ein Postscheckkonto, so wird der 
Betrag diesem Konto gutgeschrieben, wenn nicht 
die Barzahlung ausdrücklich verlangt wird. Im 
Interesse der Verkehrssicherheit eingeführte Be- 
sonderheiten des Postschecks sind der Wegfall der 
im Bankverkehr üblichen Überbringerklausel und 
der Ausschluß der Indossierbarkeit. Ein Unbe- 
fugter kann infolgedessen einen Postscheck, in dem 
ein bestimmter Zahlungsempfänger angegeben ist, 
nicht zur Einlösung bringen. Der Betrag wird, 
wenn nicht seine Gutschrift auf das Postscheckkonto 
des Zahlungsempfängers erfolgt, nur im Weg der 
an diesen adressierten Zahlungsanweisung durch 
die zuständige Postanstalt ausgezahlt. Anders 
bei Inhaberpostschecks (Kassenschecks), in denen der 
Zahlungsempfänger nicht angegeben wird. Diese 
kann jeder Inhaber an der Kasse des Postscheck- 
amts zur Einlösung vorlegen. Zahlungen für 
mehrere Empfänger können auch in einer Über-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.