Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

913 
Erörterungen und Belehrungen sowie sonst wert- 
volle Erläuterungen. Hierzu bemerkt er auf S. iu 
des Vorworts: „Das wertvollste uns aus dem 
Altertum erhaltene nautische Dokument ist die Be- 
schreibung der Seereise und des Schiffbruchs des 
Apostels Paulus. Jeder Seemann sieht auf 
den ersten Blick, daß sie nur von einem 
Augenzeugen verfaßt sein kann.“ 
Die Agypter haben wohl die ersten größeren 
Flußschiffe auf die See hinausgeführt. Die Phö- 
nizier haben sich im Schiffbau und in der 
Schiffahrt, im Handel und in den Kolonien weit 
vor allen damaligen Völkern hervorgetan. Durch 
ihren Verkehr mit Griechenland wurden auch 
dort die Schiffahrt und Seemacht zur hohen Blüte 
gebracht. Die Römer hatten trotz der vielfach 
großen politischen Erfolge zur See wenig Interesse 
für die Schiffahrt. Im Jahr 429 n. Chr. wurden 
in der Seeherrschaft über das Mittelmeer die 
Römer von den Vandalen, diese von den By- 
zantinern, dann Arabern abgelöst. Vom 
8. Jahrh. ab hielten die Städte Genua, Pisa und 
Venedig die Seeherrschaft. An den nordischen 
Küsten entwickelten sich die Normannen 
(Wickinger), die ohne Kompasse und Seekarten 
ihre Küstenfahrten bis nach Island, Grönland 
und dem nordamerikanischen Festland ausdehnten. 
Portugal hat sich vornehmlich durch den Prinzen 
Heinrich den Seefahrer große Verdienste um die 
Seefahrkunst und die Schiffahrt erworben. Hein- 
rich war die Triebfeder für die Unternehmungs- 
lust der späteren Entdecker und damit für die Ver- 
legung des Schwerpunkts des Handels auf das 
Weltmeer. Kolumbus ist aus seiner Schule her- 
vorgegangen. Bei Heinrichs Tod (1460) war 
das kleine Portugal eine blühende Kolonialmacht 
und bald eine Weltmacht, die sich mit Spanien in 
das Weltreich teilte. Spaniens Macht wurde 
durch die Entdeckung Amerikas (1492) wirtschaft- 
lich bedeutend vergrößert. Portugal und Spanien 
hatten aber keine genügende Seemacht. Ohne 
dauernd starke Flotte zum Schutz der Schiffahrt 
können jedoch Weltreiche nicht bestehen. Die 
Macht beider Staaten ging deshalb zugrunde, 
als England und Holland ihre Schiffahrt 
entwickelten und zur Seeherrschaft gelangten. Die 
Holländer förderten früh ihre Schiffahrt. Sie 
haben auch die Hansa bis zur Untätigkeit gelähmt. 
Normannen und Araber und später die Religions- 
kriege verhinderten Frankreich an der Ent- 
wicklung des Seehandels. Erst im 17. Jahrh. 
begann dessen Seewesen an Bedeutung zu ge- 
winnen und ist später zur Blüte gelangt. 
Dänemark und Skandinavien waren 
zur Zeit der Normannen wohl die berühmtesten 
Seefahrer. Während der Seegeltung der Hansa 
verloren sie an Bedeutung. Nach dem Niedergang 
dieser haben sie die Schiffahrt wieder zur Blüte 
gebracht. Rußlands Seemacht wurde im Krieg 
mit Japan gebrochen und seine Schiffahrt stark 
niedergedrückt. Hingegen hat Japan seinen Sieg 
Schiffahrt. 
  
914 
über Rußland ausgenutzt. Kaum je zuvor hat es 
eine Nation verstanden, dem Sieg der Waffen 
auch eine ungeahnte Entwicklung ihrer Industrie 
so schnell folgen zu lassen. Japans Schiffahrt ist 
stark im Aufblühen begriffen. In Osterreich ist 
seit dem spanischen Erbfolgekrieg (1701/14) die 
Schiffahrt gepflegt und trotz ungünstiger geogra- 
phischer Lage auf der Höhe erhalten worden. Die 
Anfänge von Englands Schiffahrt reichen in die 
Zeit des dritten Kreuzzugs (1189) zurück. Durch 
besondere Pflege der Schiffahrt, durch seine günstige 
geographische Lage hat es im Lauf der Jahrhunderte 
trotz häufiger großer und erbitterter Kriegemitvielen 
Gegnern seine jetzige Weltmachtstellung errungen 
und behauptet. Seine Flotte beherrscht die Welt. 
Lange Zeit war der ganze Welthandel und See- 
verkehr von England abhängig, hauptsächlich durch 
seine die Konkurrenz ausschließende rücksichtslose 
Gesetzgebung. Die Vereinigten Staaten 
von Amerika haben seit ihrer Unabhängigkeit 
(1783) der Schiffahrt obgelegen. Ihre Seemacht 
ist bedeutend, ihr Seehandel blühend geworden. 
Die Schiffahrt der deutschen Stämme war 
ursprünglich nicht bedeutend. Später wurde die 
Hansa gegründet, die eine ausgezeichnete Schiff- 
fahrt und Seemacht besaß (val. d. Art. Marine- 
wesen Bd III, Sp. 984 ff). Mit dem Untergang 
der Hansa ging auch die deutsche Schiffahrt zu- 
grunde. Der Große Kurfürst (1640/88) war zwar 
bemüht, Schiffahrt und Handel zu heben; doch 
blieb dies ohne Erfolg. Nur Hamburg und Bre- 
men behaupteten von jeher ihren Seehandel auf 
einem — nach den damaligen Verhällnissen — 
ansehnlichen Stand. Beide haben trotz widriger 
politischer und wirtschaftlicher Verhältnisse dem 
Deutschen Reich den Anteil an dem Welthandel 
und an der Großschiffahrt gerettet. Beide haben 
wesentlich dazu beigetragen, daß sich auf ihrer 
Weltstellung Deutschlands Seegeltung und Han- 
delsmacht direkt aufgebaut haben. An dem Auf- 
schwung der norddeutschen Schiffahrt haben auch 
die Ostseehäfen, zeitweise sogar in hervorragendem 
Maß teilgenommen. Seit dem Übergang zum 
Dampsschiffahrtsbetrieb und zu festen Linien für 
die Großschiffahrt sind die Ostseehäfen jedoch zu- 
rückgeblieben. Durch die vereinigte Organisation 
sind die beiden großen Nordseehäfen Hamburg 
und Bremen ganz in den Vordergrund getreten 
und haben ihren Platz glänzend behauptet. Der 
politische Aufschwung des neuen Deutschen Reichs 
hatte eine äußerst wohltätige Wirkung auf die 
Schiffahrt. Er hat der deutschen Handelsflagge 
Geltung verschafft und ihr neue weite Bahnen ge- 
wiesen. Es wurden neue regelmäßige Dampfer- 
linien nach den verschiedensten überseeischen Häfen 
errichtet. Der deutsche Handel ist Welthandel ge- 
worden. Der Seeverkehr und die Schiffahrt haben 
einen nie geahnten Aufschwung genommen. 
Wie Hamburg und Bremen an diesem Auf- 
schwung und an der Größe und Bedeutung den 
allerersten Platz einnehmen, so in diesen die zwei
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.