Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

921 
Ol (Masud), von dem die Naphtha viele Teile 
enthält, zur Feuerung von Dampfkesseln sehr ge- 
eignet ist, hat man in der Kriegsmarine vielfach 
auch dieses eingeführt. In der Handelsmarine 
werden Versuche angestellt. Die Verwendung bietet 
erhebliche Raumersparnis und ermöglicht eine 
längere Fahrt ohne Unterbrechung. Durch die 
ausgezeichneten Fortschritte der Technik im Schiff- 
bau sind im Lauf der Zeit die Dampfer nach Ge- 
wicht, Umfang, Schnelligkeit, Bequemlichkeit und 
Ausstatiung auf eine hervorragende Höhe gebracht 
worden. Auch hier stehen Hamburg und Bremen 
mit der Hamburg-Amerika-Linie und dem Lloyd 
in der Welt in den vordersten Reihen. 
Einen Begriff von der Größe der neuen Dampfer 
Mmögen einige Beispiele geben. Es haben die Damp- 
fer: Mauretania (Cunard Line) 31 938 Br.= 
R.-T.; Georg Washington (Norddeutscher 
Lloyd) 213 m lang, 24 m breit, 15 m tief, mit 
525 Mann Besatzung, 25 570 Br.-R.-T.; Kai- 
serin Auguste Viktoria (Hamburg-Amerika= 
Linie) 206 m lang, 24 m breit, 15 m tief, mit 
564 Mann Besatzung, 24 580 Br.-R.-T. Im Bau 
befinden sich: Olympicund Titania (White 
Star Line) zu je 45.000 t, 259 m lang und 28 m 
breit; 1 Dampfer der Hamburg-Amerika-Linie 
zu 50 000 t, 268 m lang, 29 m breit. 
Am 1. Jan. 1910 hatte Deutschland einen Be- 
stand von 4658 Schiffen mit 2859 300 Netto-R.-T. 
und 73500 Mann Besatzung. Davon sind 2708 
Segelschiffe und Seeleichter (Schleppschiffe) mit 
509750 t und 14100 Mann, und 1950 Dampfer 
mit 1349550 t und 59 400 Mann Besatzung. 
England (einschließlich Kolonien) besaß am 
1. Jan. 1909: 20 996 Schiffe mit 11 5220000 t, 
davon 11 591 Dampfschiffe mit 10 133.000 t, und 
Frankreich 17 376 Schiffe mit 1452 500 t, davon 
1608 Dampfschiffe mit 804 300 t. 
In neuerer Zeit werden verschiedentlich auch 
große Segelschiffe gebaut. So besitzt z. B. die Ham- 
burger Reederei F. Laeisz zwei Fünfmaster zu 
5081 und 4026 Br.-R.-T., Preußen und Potosi, 
die beiden größten und schnellsten Segelschiffe der 
Welt. Anfang Nov. 1910 ist leider Preußen nach 
einem Zusammenstoß mit einem Dampfer in schwe- 
rem Sturm unweit Dover auf Strand geraten. 
Schiffsvermessung. Ein wichtiges Kenn- 
zeichen für ein Schiff ist seine Größe. Die Aus- 
messung der Größe nennt man die Schiffsvermes- 
sung. Die Aufsicht über das Schiffsvermessungs- 
wesen führen in Deutschland seit 1. Aug. 1888 
die Schiffsvermessungs= und Ausfertigungsbehör- 
den, die sich wiederum auch besonderer Institute 
bedienen. An der Spitze des Vermessungswesens 
steht das Schiffsvermessungsamt in Berlin. Die 
Vorschriften sind in der Schiffsvermessungsord- 
nung enthalten (Art. 54 der Reichsverfassung). 
Man unterscheidet Brutto-, Netto= und Sueskanal= 
tonnage, Deplacement und Tragfähigkeit und bei 
Vergnügungsfahrzeugen die Jachtvermessung. 
Brutto= und Rettoregistertonnagen treten am 
meisten in die Erscheinung. Jeder Reeder will vor 
allem die Rettotonnage möglichst niedrig angeben, 
da diese meistens die Grundlage für die Erhebung 
Schiffahrt. 
  
922 
verschiedener Hafenabgaben bildet. Die Brutto- 
tonnage bezeichnet den gesamten Innenraum des 
Schiffes mit Deckbauten. Nach Abzug der Kohlen-, 
Kessel-, Maschinen-und Wohnräume der Besatzung 
ergibt sich die Nettotonnage. Das Deplacement ist 
das Gewicht, das der zu Wasser gelassene Schiffs- 
körper verdrängt. Sueskanaltonnage bezeichnet 
die Schiffsgröße, die nach dem Vermessungsver- 
fahren die Sueskanalgesellschaft festgestellt hat. 
Die Tragfähigkeit hat fast ausschließlich für 
den Reeder und Kaufmann Interesse, da danach 
die Fracht für alle Schwergutladungen bezahlt wird. 
In England wurde 1890 die Tiefladelinie, 
die Bezeichnung des größten einem Schiff zu 
gebenden Tiefgangs, eingeführt. Auch die deut- 
chen Reeder haben sie angenommen. Zurzeit 
schweben Verhandlungen über eine gesetzliche Reg- 
ung der Tiefladelinie. 
Für die vermessenen Schiffe werden von den 
Behörden Meßbriefe ausgestellt. 
Die deutschen Kauffahrteischiffe haben nach dem 
Gesetz über das Flaggenrecht die Reichsflagge 
als Nationalflagge zu führen. Für die zur Füh- 
rung dieser Flagge befugten Schiffe sind von den 
Registerbehörden (Amtsgerichten) Schiffs- 
register zu führen. Über die Eintragung in das 
Register sind Schiffszertifikate auszustellen, wo- 
durch das Recht zur Führung der Reichsflagge 
nachgewiesen wird. 
über den Schiffbau besteht keine staatliche Auf- 
sicht. Diese liegt in den Händen einiger großer 
Schiffsklassifizierungsinstitute. Unter 
ihnen sind British Lloyd in London, Bureau Veri- 
tas in Brüssel und Hamburg, Germanischer Lloyd 
in Berlin besonders zu erwähnen. Diese Institute 
schreiben vor, welche Stärken bei gewissen Schiffs- 
größen der Kiel, die Spanten, die Decksbalken, 
die Wandungen usw. haben müssen, damit die 
Schiffe gewisse Klassen erhalten oder überhaupt 
klassifiziert werden können. Die Klassifizierung 
bildet die Grundlage für die Versicherung. 
Schiffbau. Die Schiffahrt ruft den Schiff- 
bau hervor. Jeder Staat ist bestrebt, den eignen 
Schiffbau zu fördern. Dies geschieht durch 
Bau= und Fahrprämien, durch Zollerleichterun- 
gen und Zollbefreiungen bei der Einfuhr von 
Baumaterialien, durch Verbot der Ausfuhr von 
Schiffbauholz, durch Begünstigung der Hafen-, 
Leuchtfeuer= usw. Abgaben. In weit höherem 
Maß als bei den Kriegsschiffen sind in der letzten 
Zeit im Schiffbau die Abmessungen der Handels- 
dampfer gewachsen. Hierdurch sollen betriebstech- 
nische und wirtschaftliche Vorteile erzielt werden. 
Denn bei den größeren Schiffen steigen die Un- 
kosten (Kohlen, Personal, Verzinsung) nicht in 
dem gleichen Maß wie die Leistungsfähigkeit. Der 
Bau großer Schiffe hängt bis zu einem gewissen 
Grad weniger von technischen als von kaufmän- 
nischen und wirtschaftlichen Rücksichten ab. Wie 
oben gezeigt ist, steht auch im Schiffbau Deutsch- 
land mit an erster Stelle. 
 
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.