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vaten Unfall= und Reiseversicherung. Die Grenzen
der einzelnen Vorgänge bei der Seeversicherung
sind in den meisten Kulturvölkern gesetzlich fest-
gelegt. In Deutschland durch das Handelsgesetz-
buch, viertes Buch, §§ 778/905. Auf der Grund-
lage der Bestimmungen dieses Gesetzbuchs haben
die Versicherer genaue Bedingungen festgesetzt.
Dementsprechend abgefaßt sind die allgemeinen
Seeversicherungsbedingungen in Hamburg (1867)
und die Bremer Seeversicherungsbedingungen
(1875); beide verbessert und ergänzt. Die Viel-
seitigkeit der Gefahren erschwert das Verständnis
der Seeversicherung gegenüber den andern Ver-
sicherungen. Von besonderem Interesse sind die
Zahlen, die die Entwicklung der Seeversicherung
in unsern Hauptseehäfen zeigen: Es betragen
die versicherten Summen 1908 in Hamburg
7u45 055 000 M, in Bremen 1098 880 000 NMl.
Seeverkehr, Zusammenstöße. Der
Seeverkehr bedeutet die Uberwindung des Meers
und seiner Gefahren. Es gibt wohl kaum ein
Beförderungsmittel, an das so hohe Anforde-
rungen wegen der Sicherheit der auf ihm befind-
lichen Menschen gestellt werden müssen, wie ein
Schiff. Auf allen Gebieten der Schiffahrt hat
allerdings die fortgeschrittene große Vervollkomm-=
nung die Sicherheit sehr erhöht. Die See hat
aber keine festen Straßen; sie kann nach allen
Richtungen durchkreuzt werden. Es hat sich zwar
eine Art von Straßennetz über das Weltmeer ent-
wickelt. Der Begriff der Straße ist jedoch nicht
so eng zu nehmen wie auf dem Land. Der hohen
Vervollkommnung der Sicherheitsstraßenregeln
steht der gesteigerte rege internationale Verkehr
auf den Seestraßen gegenüber. Schiffsunfälle
sind demnach eine unabweisbare Folgeerscheinung.
Glücklicherweise handelt es sich meistens um leich-
teres Unglück. Schwere Katastrophen sind ver-
hältnismäßig selten. Die seefahrenden Völker
unterstützen sich gegenseitig in dem Bemühen,
irgend welche Hindernisse in der Schiffahrt zu
entdecken und zu beseitigen. Zur Verhütung von
Zusammenstößen auf See sind durch das Reichs-
strafgesetzbuch, durch die Seestraßenordnung —
unter Androhung von schweren Strafen — bis
ins einzelne gehende Bestimmungen erlassen. Über
die Abblendung von Seitenlichtern, über die Posi-
tionslaternen, über das Ruderkommando, über
das Verhalten nach einem Zusammenstoß, über
Notsignale und Signale bestehen Vorschriften.
So ist z. B. geregelt, wie Schiffe einander aus-
weichen sollen, wie sich Dampfer zu Seglern zu
verhalten haben, wie die Lichter geführt und ge-
zeigt werden müssen, wann und wie Schallsignale
zu geben sind. Ferner hat die Seeberufsgenossen-
schaft für Dampfer und Segelschiffe eingehende
Unfallverhütungsvorschriften erlassen. Es ist z. B.
vorgeschrieben, in welchem Zustand sich ein aus-
gehendes Schiff befinden, was es an Papieren,
Material und Inventar nachweisen und wie es
beladen werden soll. Über Anker, Ketten und
Schiffahrt.
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Trossen, über Boote und Rettungsgeräte, über
Lichterführung und Signalwesen, über Vorkeh-
rungen innen= und außenbords, über die Prüfung
von Kompassen und von Schiffs= und Schiffs-
positionslaternen, über das Trimmen von Kohlen
sind genaue Bestimmungen gegeben.
Unfälle. Von allen Gefahren, die die Schiff-
fahrt bedrohen, ist nach der Seeunfallstatistik die
Strandungsgefahr am größten. In den zehn
Jahren von 1898 bis 1907 sind 812 amtlich
untersuchte Schiffsverluste zu verzeichnen. Davon
entfallen auf Strandungen 328 (Dampfer 100,
Segler 228). Im Jahr 1909 sind in deutscher
Schiffahrt 52 Kauffahrtei- und 11 Fischereifahr-
zeuge als verloren und verschollen erklärt. 1908:
40 + 8. Das scheint viel zu sein, doch von der
Gesamtzahl aller die See befahrenden deutschen
Schiffe sind es nur wenige Prozente.
Rettungswesen. Nach dem früheren sog.
Strandrecht bildete das angetriebene Strandgut
einen willkommenen Zuwachs zum Eigentum des
Finders. Jetzt sind über das Rettungs= und
Bergungsverfahren sowie über die Verpflichtung
zur Hilfe in Seenot Strandordnungen erlassen.
In Deutschland die Strandordnung vom 17. Mai
1874 und andere Bestimmungen. Außerdem haben
sich in fast allen Kulturländern private Gesell-
schaften in charitativer Fürsorge des Rettungs-
wesens angenommen. In Deutschland (1865) die
Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger. Diese
unterhält längs der Ost= und Nordseeküste 129
Rettungsstationen. Seit Begründung der Gesell-
schaft sind bis zum 1. April 1910 durch ihre
Stationen 3619 Personen gerettet worden.
Sanitäres. Bei dem ausgedehnten Betrieb
der Schiffahrt ist eine durchgreifende Uberwachung
der Gesundheitspflege nötig. Dieser Pflicht unter-
ziehen sich die einzelnen Staaten. So auch Deutsch-
land. Durch die Gesetzgebung sind die besondern
Vorschriften festgelegt. Die Uberwachung der Aus-
führung ist Behörden übertragen. Die zulässige
Zahl der Passagiere wird bestimmt. Schiffs-
besatzung sowie Aus= und Einwanderer werden
ärztlich untersucht. Ebenso wird das Schiff be-
sichtigt. Der nötige Luftraum und Luftwechsel
müssen nachgewiesen werden. Die Einrichtung
und Ausrüstung, die Beköstigung und Bedienung,
die Krankenbehandlung, Quarantäne und Be-
kämpfung gemeingefährlicher Krankheiten sind
durch Gesetze und gesundheitspolizeiliche Vor-
schriften geregelt.
Drahtlose Telegraphie. Eine hohe Be-
deutung nicht nur für die Schiffahrt, sondern auch
für den Handel und für die Politik muß der draht-
losen Telegraphie eingeräumt werden. In kurzer
Zeit hat sich diese hochwichtige Erfindung seit den
ersten Versuchen auf See von Bord des Dampfers
„Lake Champlain“ ganz besonders schnell ent-
wickelt. Heute sind nicht nur fast alle Passagier-
dampfer, sondern vielfach auch gewöhrliche
Dampfer, Segelschiffe und Fischereifahrzeuge mit