Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

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neigung gegen das Beamtentum ist wohl auch die 
von ihm ausgesprochene Ansicht zu erklären, die 
Alters- und Invaliditätsversicherung mit staat- 
licher Unterstützung müsse von der Lösung der so- 
zialen Frage abhalten, welch letztere nur allein in 
der steigenden Zivilisation zu finden sei. Zur Er- 
reichung einer höheren Kulturstufe der Menschheit 
hält Schulze aber das Zusammenwirken von 
Staat, Gemeinde, Kirche, Schule, gemeinnützigen 
Gesellschaften und Privatpersonen für ersprießlich. 
Bezüglich des Genossenschaftswesens war er nicht 
gegen jede staatliche Unterstützung, sondern nur 
gegen die Bewilligung von Geldzuschüssen aus 
Staatsmitteln. 
Bei der Gründung des Genossenschaftswesens 
hatte Schulze neben den Gewerbetreibenden auch 
die Arbeiter im Auge und beabsichtigte beider Lage 
auf diesem Weg zu verbessern. Wenn er in seinen 
Schriften sehr häufig zwischen beiden Volksklassen 
kaum einen Unterschied machte, so kann man dar- 
aus wohl den Schluß ziehen, daß er die Arbeiter- 
frage in ihren Tiefen nicht erfaßt hat. Den Bil- 
dungsbestrebungen der Arbeiterkreise wandte er 
besonderes Interesse zu, und so erging an ihn im 
Jahr 1863 das Ersuchen, im Berliner Arbeiter- 
verein eine Reihe Vorträge über die volkswirt- 
schaftliche Bedeutung der Arbeit zu halten. Diese 
Vorträge sind später in einem Buch unter dem 
Titel „Kapitel zu einem deutschen Arbeiterkate- 
chismus“ vereinigt worden. Gegenüber der sozio- 
listischen Bewegung nahm Schulze eine scharf ab- 
lehnende Stellung ein, was ihn bekanntlich in 
einen harten Streit mit Lassalle brachte; während 
dieser ja von der Staatshilfe die Lösung der so- 
zialen Frage erhoffte, war für Schulze das Prinzip 
der Selbsthilfe das ein und alles. Schulzes Tätig- 
keit war gerichtet auch auf die gesetzliche Reglung 
der Gewerbefreiheit, des Vereinsrechts, des Hilfs- 
kassenwesens, der Haftpflicht bei gewerblichen Un- 
fällen, der Aufhebung der Beschlagnahme des 
Arbeitslohns, der Notstandsunterstützungen. In 
allen seinen Reden und Schriften, welche die Ar- 
beiterfrage berühren, findet sich der Gedanke der 
Zusammengehörigkeit von Genossenschaft, Bil- 
dungsverein und Arbeiterverein, welche für ihn 
„drei Stämme aus gemeinsamer Wurzel“ sind. 
Eine gedeihliche Entwicklung der sozialen Verhält- 
nisse Deutschlands ist für ihn an zwei Bedingungen 
geknüpft, daß nämlich die Forderungen der Arbeit- 
geber und Arbeitnehmer in Einklang gebracht und 
die gebildeten Kreise sich ihrer sozialen Pflichten 
allgemein bewußt werden. Die politische Tätig- 
keit Schulzes hat im Jahr 1848 begonnen und 
ist bis zu seinem Tod fortgesetzt worden. In den 
Tagen der revolutionären Bewegung während der 
innern Kämpfe Preußens und bei der Wieder- 
herstellung des Deutschen Reichs suchte er für die 
freiheitlichen Rechte des Volks einzutreten, wie er 
sie im Rahmen seiner Weltanschauung verstand. 
Im Jahr 1861 wurde Schulze zum Mitglied 
des preußischen Abgeordnetenhauses gewählt und 
Schutzgesetze, 
  
gewerbliche. 954 
gehörte demselben an bis zum Jahr 1875. Er 
schloß sich zunächst dem kleinen Häuflein Demo- 
kraten an, welche sich als Jung-Litauer bezeich- 
neten, und später der unter seiner Mitwirkung ge- 
gründeten Deutschen Fortschrittspartei. Auch bei 
der Gründung und Leitung des „Volkswirtschaft- 
lichen Kongresses“, des „Nationalvereins“ und 
der „Deutschen Gesellschaft für Verbreitung von 
Volksbildung“ war er beteiligt und gehörte später 
auch dem deutschen Reichstag an. Von seinen 
Freunden wurde ihm 1863 ein Ehrengeschenk von 
150 000 M überreicht. Er nahm aber nur einen 
kleinen Teil davon für sich, nämlich zur Be- 
schaffung eines eignen Hauses. Den Rest des 
Kapitals bestimmte er für eine Stiftung. Bis 
zum Ende seines Lebens war Schulze tätig. Er 
starb am 29. April 1883 in Potsdam. 
Literatur. S.-D.s Schriften u. Reden in der 
bei Guttentag in Berlin 1909ff erschienenen 
Sammelausgabe, welche im 1. Bd ein Bild der 
genossenschaftlichen Tätigkeit, im 2. Bd S.-D.3 
Anteilnahme an der sozialen Bewegung, im 3. Bd 
die Schilderung seiner politischen Tätigkeit bietet 
u. in einem Schlußband versucht, ein Gesamtbild der 
Wirksamkeit Schulzes u. seiner Persönlichkeit im 
Rahmen der Zeit darzustellen. Natürlich ist die 
Richtung der Herausgeber kritisch zu beachten. Bern- 
stein, S.-D.s Leben u. Wirken (1879); Eheberg in 
der Allgemeinen deutschen Biographie XXXIII 
(1891); Böhmert, S.-D. als Arbeiterfreund u. 
Sozialreformer im „Arbeiterfreund“ (1883); 
Schmoller im Jahrb. für Gesetzgebung usw. (1884); 
Art. „S.-D.“ im Handwörterb. der Staatswissen- 
schaften; Finck, Das S.-D. sche Genossenschaftswesen 
u. die modernen genossenschaftl. Entwicklungsten- 
denzen (1909); Crüger, Die ersten 50 Vereins= u. 
Genossenschaftstage (1910). LFaßbender.) 
Schutzgesetze, gewerbliche. Die Be- 
stimmungen zum Schutz der gewerblichen Arbeiter 
haben vor allem in der Gewerbeordnung Ausdruck 
gefunden. Nur der Kinderschutz ist in einem 
besondern Gesetz geregelt. Das Bürgerliche Ge- 
setzbuch und das Handelsgesetzbuch enthalten zwar 
auch eine Reihe von Bestimmungen, die den 
Schutz von Gesundheit, Leben und Sittlichkeit 
der Beschäftigten zum Ziel haben; aber sie sind 
nur zivilrechtlicher Natur und haben nur die Wir- 
kung, daß entgegenstehende Vertragsbestimmungen 
ungültig sind, und bei Ubertretung gegebenenfalls 
Schadenersatzpflicht eintritt. Für die Besatzung 
der Seeschiffe sind die Verhältnisse geordnet in der 
Seemannsordnung (1902). Ein Gesetzentwurf 
betr. die Reglung der Hausarbeit ist 
1909 als besonderes Gesetz eingebracht worden, 
sieht aber noch der Verabschiedung entgegen. 
Es erscheint zweckmäßig, die Schutzbestimmun= 
gen nach Materien geordnet zur Darstellung 
zu bringen. 
I. WBetriebsstättenschutz. Jede Berufsarbeit 
bringt gewisse Gefahren und Schädigungen für 
Gesundheit und Leben, oft auch für die Sittlich- 
keit mit sich. Bald ist es die Einseitigkeit der
	        
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