Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

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letzen, dürfen in die Arbeitsordnung nicht auf- 
genommen werden. Geldstrafen dürfen die Hälfte 
des durchschnittlichen Tagesarbeitsverdienstes nicht 
übersteigen; jedoch können Tätlichkeiten gegen Mit- 
arbeiter. erhebliche Verstöße gegen die guten Sitten 
sowie gegen die zur Aufrechterhaltung der Ord- 
nung des Betriebs, zur Sicherung eines gefahr- 
losen Betriebs oder zur Durchführung der Bestim- 
mungen der Gewerbeordnung erlassenen Vorschrif- 
ten mit Geldstrafen bis zum vollen Betrag des durch- 
schnittlichen Tagesarbeitsverdienstes belegt werden. 
Alle Strafgelder müssen zum Besten der Arbeiter 
der Fabrik verwendet werden. Das Recht des 
Arbeitgebers, Schadenersatz zu fordern, wird durch 
diese Bestimmung nicht berührt (§ 134b, Abs. 2). 
Andere als die in der Arbeitsordnung vorgesehenen 
Strafen dürfen über den Arbeiter nicht verhängt 
werden. Die Strafen müssen ohne Verzug fest- 
gesetzt und dem Arbeiter zur Kenntnis gebracht 
werden. Die verhängten Geldstrafen sind in ein 
Verzeichnis einzutragen, welches den Namen des 
Bestraften, den Tag der Bestrafung, sowie den 
Grund und die Höhe der Strafe ergeben und auf 
Erfordern dem in § 139b bezeichneten Beamten 
Eabrikinspeltor), federzeit zur Einsict vorgelegt 
werden muß (§ 134c, Abs. 2 und 3). Vor- 
schriften über das Well der großjährigen Ar- 
beiter außerhalb des Betriebs dürfen in die Ar- 
beitsordnung nicht aufgenommen werden. Für 
minderjährige Arbeiter sind jedoch mit Zustim- 
mung des Arbeiterausschusses solche Bestimmungen 
auch in der Arbeitsordnung zulässig. — Mit Zu- 
stimmung des Arbeiterausschusses dürfen auch über 
das Verhalten der Arbeiter bei Benutzung der 
ikwohlfah t z. B. der Menage, 
der Badeeinrichtung, Vorschrik in der Arbeits- 
ordnung erlassen werden. Die Vorstände der 
bestehenden Fabrikkrankenkassen können mit den 
Aufgaben und Rechten der „Ausschüsse“ betraut 
werden; ebenso können bestehende, vor dem 1. Jan. 
18971 errichtete Ausschüsse („Altestenkollegien") als 
solche weiter fungieren, falls sie nur in der Mehr- 
zahl der Mitglieder von den Arbeitern gewählt 
sind. Im übrigen gelten nur solche Vertretungen 
als gesetzliche „Ausschüsse“, deren Mitglieder in 
ihrer Mehrzahl von den volljährigen Arbeitern 
der Fabrik oder der betreffenden Betriebsabteilung 
aus ihrer Mitte in unmittelbarer und geheimer 
Wahl gewählt sind. Die Wahl kann auch nach 
Arbeiterklassen oder nach Abteilungen des Be- 
triebs erfolgen. 
Die Gewerbeordnung bestimmt nur, daß vor 
Erlaß der Arbeitsordnung oder eines Nachtrags den 
großjährigen Arbeitern Gelegenheit zu geben ist, 
sich über den Inhalt zu äußern, und daß, wo ein 
ständiger Arbeiterausschuß besteht, vor- 
stehender Vorschrift durch Anhörung des Aus- 
schusses genügt wird. Tatsächlich ist eine ge- 
ordnete Mitwirkung der Arbeiter bei Erlaß der 
Arbeitsordnung nur in der Weise zweckmäßig und 
möglich, daß dieselbe mit einem solchen Ausschuß 
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abr tseinri 
Schutzgesetze, 
  
gewerbliche. 976 
durchberaten und in Rede und Gegenrede eine 
Verständigung gesucht wird. Man hoffte denn 
auch bei Erlaß der Bestimmung, daß die „An- 
hörung“ tatsächlich zur allgemeinen Einführung 
der „Ausschüsse“ führen werde, allein diese Hoff- 
nung hat sich nicht erfüllt. Die Anträge auf obli- 
gatorische Einführung sind durch die ablehnende 
Haltung der Sozialdemokraten gefallen. Arbeiter- 
ausschüsse(„Altestenkollegien hatten bereits früher 
in einer Reihe von Fabriken Einführung gefun- 
den, — z. B. in der Marienhütte bei Kotzenau 
seit 1875, bei F. Brandts in München-Gladbach 
(tatsächlich bestehend seit 1872, mit Statut seit 
1881), D. Peters in Neviges, in den fürstlich 
Isenburgischen Werken in Wächtersbach bei Hanau, 
bei Bärensprung und Starke in Frankenau, bei 
der „Vereinigungsgesellschaft für Steinkohlenbau 
im Wurmrevier“ (unter ## Generaldirektor Hilt) — 
und haben sich überall aufs beste bewährt. Der 
„Verein Anhaltischer Arbeitgeber“, der „Bergische" 
und „Linksrheinische Verein für Gemeinwohl“, 
der „Verband keramischer Gewerke“ u. a. hatten 
die Einführung empfohlen. Freilich, die Wirksam- 
keit ist in erster Linie bestimmt durch den guten 
Willen der Arbeitgeber und Arbeiter. Apathie 
und Mißtrauen sind die Feinde; sind diese über- 
wunden, hat sich die Institution einmal eingelebt, 
dann kann sie viel zur Ausgleichung mancher Miß- 
verständnisse und Streitpunkte beitragen und im 
Interesse beider Teile dem Fortschritt und dem 
Frieden dienen. 
Jc) Schutz des Arbeitsvertrags gegen 
Kontraktbruch. Daß der eingegangene Ar- 
beitsvertrag ehrlich gehalten wird, ist sittliche 
Pflicht. Der leichtsinnige Kontraktbruch schädigt 
das sittliche Bewußtsein, erschüttert das Vertrauen, 
verbittert das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und 
Arbeiter und führt zur Beseitigung der Kündi- 
gungsfristen überhaupt — zum großen Schaden 
der Arbeiter. Ein Schutz des eingegangenen 
Arbeitsvertrags liegt durchaus im Rahmen des 
Arbeiterschutzes. In dieser Linie liegt auch die 
praktischere Reglung der Entschädigung im Fall 
des Vertragsbruchs, wie sie durch die Gew.O.= 
Novelle von 1891 geschaffen ist. Da es im 
Einzelfall meistens schwierig ist, die Höhe des 
Schadens durch den Vertragsbruch — sei es daß 
der Arbeitgeber den Arbeiter ohne Innehaltung 
der Kündigungsfrist entläßt, sei es daß der Ar- 
beiter ohne diese die Arbeit verläßt — zu be- 
stimmen, so ist (68 124 a) dem durch den Vertrags- 
bruch Geschädigten, Arbeitgeber wie Arbeiter, das 
Recht gegeben, ohne besondern Nachweis des 
Schadens einen fixierten Betrag als Entschädigung 
zu verlangen. Dieser Betrag ist auf den „orts- 
üblichen Taglohn“ (§ 8 des Krankenversicherungs- 
gesetzes) für den Arbeitstag festgesetzt, darf jedoch 
für höchstens eine Woche beansprucht werden. Der 
Arbeitgeber, welcher einen Gesellen oder Arbeiter 
zum Vertragsbruch verleitet oder trotz anderweitig 
noch bestehender Verpflichtung behält, haftet für
	        
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