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dürfen nicht erhoben werden (auch in der evan-
gelischen Landeskirche nicht). Die Missionspfarrei
Rudolstadt gehört zum Dekanat Erfurt. Statt
des Bischofs übt übrigens in vielen Fällen wie
auch sonst im Bezirk Erfurt-Merseburg die Juris-
diktion das „Geistliche Gericht“ in Erfurt. Seit
1881 besteht in Rudolstadt eine Niederlassung
der Schwestern der hl. Elisabeth (Graue Schwestern)
aus Breslau für ambulante Krankenpflege, welche
die stillschweigende Erlaubnis der Regierung ge-
sunden hat; eine ausdrückliche, 1888 vom Mini-
sterium beabsichtigte, ist nicht erfolgt. — Die Unter-
herrschaft des Fürstentums wurde am 21. Juli
1900 durch den Bischof dem Vikar von Sonders-
hausen überwiesen, ohne daß dazu eine staatliche
Genehmigung nachgesucht wurde.
Die evangelisch-lutherische Kirche ist Landes-
kirche. Der Fürst übt die Kirchenhoheit und das
Kirchenregiment. Das im 16. Jahrh. geschaffene
Konsistorium wurde 1850 beseitigt, 1858 zwar
wieder hergestellt, 1868 jedoch endgültig auf-
gehoben. Die von der Regierung erstrebte Ein-
führung einer Synodalverfassung ist am Wider-
stand des Landtags gescheitert (1910). Oberste
Kirchenbehörde ist das Ministerium, Abteilung
für Kirchen= und Schulsachen. Für die Bearbei-
tung der rein kirchlichen Angelegenheiten besteht
ein Kirchenrat (Ministerialabteilungsvorstand,
vom Landesherrn ernannte Geistliche); unter-
geordnete Behörden sind die Kirchen= und Schul-
inspektion (Landrat und Superintendent [Epho-
rus!) und der (lokale) Kirchen= und Schulvorstand
(Ortsgeistliche, Lehrer, Ortsvorstand, ferner
ebenso viele gewählte Mitglieder). Es bestehen
zehbern (Superintendenturen) und 65 Par-
ochien.
Der Gottesdienst und Schulunterricht der Ju-
den ist durch Verordnung vom 15. Febr. 1856
geregelt.
Die Volksschulen werden von der politischen
Gemeinde oder von mehreren zu einer Schul-
gemeinde vereinigten Gemeinden unterhalten; sie
stehen sämtlich in einem engen Verband zur evan-
gelisch-lutherischen Landeskirche. Eine private
katholische Volksschule besteht seit 1882 in Rudol-
stadt (1910: 62 Kinder), zu der kein staatlicher
oder kommunaler Zuschuß gewährt wird. Auf
Grund einer Ministerialverfügung dürfen prote-
stantisch getaufte Kinder, auch wenn sie aus
Mischehen oder rein katholischen Ehen stammen,
in die katholische Privatschule nicht aufgenommen
werden. Katholischer Religionsunterricht wird den
katholischen Kindern in den öffentlichen Volks-
schulen nirgends erteilt. Auswärtige katholische
Kinder finden zur Vorbereitung auf Beicht und
Kommunion Aufnahme in der Kommunikanten-
anstalt in Rudolstadt. Höhere Schulen besuchende
Schüler und Schülerinnen erhalten privaten katho-
lischen Religionsunterricht. "
Literatur. Junghans, Gesch. der schwarzburg.
Regenten (1821); Apfelstedt, Gesch. des schwarzburg.
Schwarzburg-Sondershausen.
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Hauses (1856); König, Genealogie des hochfürstl.
Haufes Sch.-R. (1865); Oberbreyer, Sizzo, Prinz
von Sch. (1909); Sigismund, Landeskunde des
Fürstent. Sch.-R. (2 Tle, 1862/63); Irmisch, Bei-
träge zur schwarzburg. Heimatskunde (2 Bde, 1905
bis 1906); Klinghammer, Staatsrecht des Fürstent.
Sch.-R., sowie Schambach, Staatsrecht des Fürstent.
Sch.-Sondershausen, beide in Marquardsens Hand-
buch des öffentl. Rechts, III., Bd, 2. Halbbd (1884);
Schwartz, Das Staats= u. Verwaltungsrecht des
Fürstent. Sch.-R. (1909); Langbein, Das Staats-
u. Verwaltungsrecht des Fürstent. Sch.-Sonders-
hausen (1909); Einicke, Zwanzig Jahre schwarz-
burg. Reformationsgesch. (2 Bde, 1904/09), Freisen,
Staat u. kath. Kirche in den deutschen Bundes-
staaten 1I (1906) 145 ff; ders., Der kath. u. protest.
Pfarrzwang (1906) 47 ff. lSacher.]
Schwarzburg-Sondershausen. 1.Ge-
chichte. Der Stammvater des Fürstenhauses
Schwarzburg-Arnstadt (Sondershausen) war Jo-
hann Günther I., ein Sohn Günthers XL.; vgl.
Art. Schwarzburg-Rudolstadt. Johann Günther I.
erbte Arnstadt nach dem Tod seines ältesten Bru-
ders Günther XLI. (1583) und starb 1586, bald
nach dem Familienvertrag vom 25. Febr. 1584.
Seine vier Söhne regierten gemeinschaftlich. Da
drei von diesen Erben später kinderlos starben und
nur der vierte Sohn Christian Günther I. Nach-
kommen hatte, so wurden die Gebiete nicht weiter
geteilt. Die Söhne dieses Fürsten gründeten un-
beschadet der Einheit der Stammlande späterhin
drei Linien: Sondershausen, Arnstadt und Ebe-
leben. Die letzteren beiden Häuser starben 1669
und 1681 aus. Beim Tod des Fürsten Anton
Günther I. der Linie Sondershausen (1681) teil-
ten sich seine Söhne Christian Wilhelm und An-
ton Günther II. in die Landesregierung und grün-
deten die Linien Sondershausen und Annstadt.
Der Fürst von Schwarzburg-Sondershausen
wurde 1697, der von Schwarzburg-Arnstadt 1709
in den Reichsfürstenstand erhoben und ihre Ge-
biete für unmittelbare Reichsfürstentümer erklärt.
Da Kursachsen noch Oberhoheitsrechte über die
beiden Gebiete geltend machte, obwohl es schon
1699 und 1702 Geldentschädigungen zur Ab-
tretung der genannten Rechte sowohl von Schwarz-
burg-Arnstadt wie von Schwarzburg-Sonders-
hausen erhalten hatte, mußten die neuen Reichs-
fürsten für die endgültige Aufhebung dieser
Hoheitsrechte an Kursachsen jährliche Abgaben
zahlen, Sondershausen laut Vertrag von 1719
ab 7000 Taler, Arnstadt von 1731 ab 3500
Taler. Als 1716 der Fürst des Hauses Schwarz=
burg-Arnstadt kinderlos starb, wurde Christian
Wilhelm von Schwarzburg-Sondershausen all-
einiger Herrscher des ganzen Gebiets, das seitdem
Schwarzburg= Sondershausen benannt wurde.
Schon 1713 hatte Sondershausen die Primogeni-
tur eingeführt und einen Erbvertrag mit Rudol-
stadt geschlossen.
Auf Christian Wilhelm folgte 1720 sein Sohn
Günther, dessen Nachfolger sein Bruder Heinrich I.
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