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Landtag haben beide das Recht der Initiative.
Zu einer Abänderung des Landesgrundgesetzes be-
darf es einer Zweidrittelmehrheit und zweier Ab-
stimmungen in einer Zwischenzeit von mindestens
14 Tagen; diese Frist kann jedoch (Gesetz vom
19. Aug. 1896) mit Zweidrittelmehrheit auf drei
Tage herabgesetzt werden. Deckungsmittel für
bundes- oder landesverfassungsmäßige oder privat-
rechtliche Verpflichtungen des Staats darf der
Landtag nicht verweigern. Der Landtag hat ferner
das Recht der Zustimmung bei Veräußerung des
Staats= oder Kammerguts, das Petitions= und Be-
schwerderecht sowie das Recht der Ministeranklage.
Dem Landesausschuß (Präsident und zwei
Mitglieder des Landtags) stehen nach dem Schluß
des Landtags (auch nach Ablauf der Wahlperiode)
die Überwachung des staatlichen Finanzwesens,
die Vorarbeiten für die nächste Tagung des Land-
tags usw. zu.
Im Bundesrat hat das Fürstentum eine
Stimme, in den Reichstag entsendet es einen Ab-
geordneten.
Oberste Verwaltungsbehörde (Gesetz über die
Reorganisation der Staatsverwaltung vom
17. März 1850) ist das Ministerium, ein Kol-
legium aus drei stimmführenden und innerhalb
ihres Wirkungskreises verfassungsgemäß verant-
wortlichen Mitgliedern. Die Leitung des ganzen
Geschäftsbetriebs hat der Staatsminister (dessen
Geschäfte führt seit 1910 der Minister für
Schwarzburg-Rudolstadt), der auch den Vorsitz
bei den Beratungen des Gesamtministeriums führt.
Die Ministerialgeschäfte werden in fünf Abtei-
lungen behandelt: 1) für das fürstliche Haus, das
Außere und Militärsachen, 2) für das Innere,
3) für die Finanzen, 4) für Kirchen= und Schul-
sachen, 5) für die Justiz.
Das Staatsgebiet ist in vier Verwaltungsbe-
zirke unter einem Landrat eingeteilt (Gesetze vom
10. Juli 1857 und 7. Juli 1897): Sonders-
hausen, Ebeleben, Arnstadt, Gehren. Die Ge-
meindeordnung vom 16. Jan. 1876 gilt in gleicher
Weise für Stadt und Land. Höhere Selbstver-
waltungsverbände sind die vier Bezirke, ihr Organ
ist der Bezirksausschuß.
Das Fürstentum besitzt 5 Amtsgerichte; durch
den Staatsvertrag mit Preußen vom 7.Okt. 1878
ist das preußische Oberlandesgericht Naumburg
zum Oberlandesgericht, das preußische Landgericht
Erfurt zum Landgericht für das Fürstentum be-
stellt. — Das Land hat eine eigne Landwirtschafts-
kammer (in Sondershausen, Gesetz vom 17. Aug.
1901) und eine eigne Handelskammer (in Arn-
stadt, Gesetze vom 30. Juli 1899 und 6. Dez.
1906). Die Handwerkskammer (in Arnstadt) ist
gemeinsam für die beiden Schwarzburger Länder.
Die staatliche Landeskreditkasse gibt in der Haupt-
sache Amortisationsdarlehen an Gemeinden und
als Hypotheken auf inländische Grundstücke Pri-
vater. — In der Finanzperiode 1908/11 find die
jährlichen Einnahmen und Ausgaben je mit 3,28
Schwarzburg-Sondershausen.
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Mill. k veranschlagt. Die wichtigsten Einnahme-
posten sind: aus den Forsten 1,1 Mill. M. aus
den Domänen 0,5 Mill. M, direkte Steuern 0,7
Mill. M. Die Staatsschuld beträgt 3,3 Mill. M,
darin ist jedoch eine Eisenbahnanleihe von 2,3
Mill. M enthalten, der Forderungen an den Eisen-
bahnunternehmer in Höhe von 2,24 Mill. M
gegenüberstehen. In staatlicher Verwaltung und
Nutzung befindet sich zurzeit das Kammergut;
dieses ist fideikommissarisches Privateigentum des
fürstlichen Hauses und ist nach den Normen der
Regierungsfolge erblich. Es besteht aus 7704 ha
Domänen, 17 235 ha Forsten, ferner aus Fische-
reien, Schlössern usw. Auf ihm lastet eine fun-
dierte Kammerschuld von 2,08 Mill. IC zu deren
Verzinsung und Tilgung sind jährlich 96 000 M
an den Kammerschuldentilgungsfonds abzuliefern.
Der Fürst kann jederzeit das Kammergut in eigne
Verwaltung zurücknehmen, er hat alsdann eine
Jahresrente von 300.000 (eventuell auch 400000)
Mark zu den Kosten der Landesverwaltung zu lei-
sten. Solange das Kammergut in staatlicher Ver-
waltung sich befindet, erhält der Fürst eine jähr-
liche Domänenrente von 500 000 M’ (eventuell nur
400 000 M). Die Domänenfrage kommt wenig
zur Ruhe, in der Zeit 1881/1905 sind allein sechs
wesentliche Anderungen vorgenommen worden. —
Das Militär wurde nach dem Vertrag mit Preußen
vom 18. Aug. 1866 dem 3. Thüringischen In-
fanterieregiment Nr 71 einverleibt, dessen I. Ba-
taillon in Sondershausen seinen Standort hat. —
Über Orden und Landesfarben vgl. den Art.
Schwarzburg-Rudolstadt (Sp. 983).
4. Kirche und Schule. ÜUber die reforma-
torische Zeit vgl. den Art. Schwarzburg-Rudol-
stadt (Sp. 984). In Schwarzburg-Sonders-
hausen entstand die erste katholische Gemeinde in
Arnstadt. Durch Konsistorialbeschluß vom 22. Jan.
1817 wurde hier die Abhaltung des Gottesdienstes
in einem Privathaus gestattet. Ein fürstliches
Reskript vom 15. April 1837 verlieh dieser Ge-
meinde die Rechtsfähigkeit. Der periodische Gottes-
dienst wurde von Erfurt unter Beaussichtigung des
Bischofs von Paderborn aus besorgt. Offiziell
übertragen wurde die Jurisdiktion über die Katho-
liken des Fürstentums der Paderborner Kirchen-
behörde erst durch das Reskript der Propaganda
vom 27. Juni 1869. Obgleich diese Üübertragung
von seiten des päpstlichen Stuhls eine dauernde
ist, wird sie, weil die Zuweisung einseitig, ohne
Vereinbarung mit der fürstlichen Regierung, er-
folgte, von dieser als eine dem jeweiligen Bischof
gemachte staatliche Konzession aufgefaßt. Jeder
neue Bischof erhält nach der Anzeige seiner Er-
nennung eine Neugenehmigung zur Ausübung der
Jurisdiktion.
Die Anstellung eines ständigen Seelsorgers
(Missionspfarrers) in Arnstadt (für die gesamte
Oberherrschaft) erfolgte durch fürstliches Reskript
vom 26. Jan. 1871. Eine zweite katholische Ge-
meinde entstand später in Sondershausen, wo (für