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die gesamte Unterherrschaft, seit 1900 infolge
bischöflicher Ubertragung auch für die Unterherr-
schaft des Fürstentums Schwarzburg-Rudolstadt)
durch fürstliches Reskript vom 26. April 1896 ein
ständiger Seelsorger (Missionspfarrer) angestellt
wurde. Diese Gemeinde erhielt durch fürstliches
Reskript vom 9. Juli 1902 Rechtsfähigkeit; die
der Gemeinde Arnstadt wurde durch Reskript vom
9. Febr. 1905 nochmals bestätigt. Durch Gesetz
vom 21. Juli 1905 wurden beide Pfarrgemein-
den zu Körperschaften des öffentlichen Rechts er-
hoben. Der Staat gewährt den beiden Gemeinden
keine finanzielle Unterstützung irgend welcher Art,
doch hat sich der 1909 gestorbene Fürst Karl
Günther durch Beiträge zum Bau einer katho-
lischen Kirche in Sondershausen, Schenkung einer
Orgel usw. und durch die Förderung der Inter-
essen seiner katholischen Staatsangehörigen deren
Dank erworben. Die Erhebung von Kirchen-
steuern ist nicht zulässig. Die Kirchenrechnungen
sind dem Ministerium zur Einsicht vorzulegen.
Es besteht das landesherrliche Plazet. Die staat-
lichen Bestimmungen sind sämtlich im Geist des
Staatskirchentums gehalten, werden aber milde
gehandhabt.
Beide Pfarrgemeinden gehören zum Dekanat
Erfurt. Wie Schwarzburg--Rudolstadt gilt auch
das Gebiet des Fürstentums Schwarzburg-Son-
dershausen kirchenrechtlich als Missionsland. Wie
in Schwarzburg-Rudolstadt übt auch hier das
„Geistliche Gericht“ in Erfurt einzelne vom Bi-
schof besonders übertragene Jurisdiktionsrechte
aus (Prüfung der Vermögensverwaltung usw.).
Landeskirche ist die evangelisch-lutherische Kirche,
sie zählt in 4 Ephorien (Superintendenturen) 58
Parochien. Die beiden im 16. Jahrh. für Arn-
stadt und Sondershausen geschaffenen Konsistorien
wurden 1850 aufgehoben, das an ihrer Stelle ge-
schaffene gemeinsame Konsistorium 1865 wieder
beseitigt. Der Fürst übt die bischöflichen Rechte.
Dem Ministerium, Abteilung für Kirchen= und
Schulsachen, werden alle Angelegenheiten über-
wiesen, soweit sie nicht rein kirchlich sind und dem
Kirchenrat (der Ministerialabteilungsvorstand und
eine Anzahl vom Landesherrn ernannte Geistliche)
zustehen. Weitere Behörden sind die Kirchen= und
Schulinspektion (Landrat und Superintendent)
und der (lokale) Kirchen= und Schulvorstand
(Geistliche, Ortsvorstand, zwei oder vier gewählte
Mitglieder).
Die Juden sind (Gesetz vom 3. Jan. 1860,
Nachtrag vom 1. Juli 1884) in zwei Synagogen-
gemeinden vereinigt.
Die von der politischen Gemeinde oder beson-
dern Schulgemeinden zu unterhaltenden Volks-
schulen sind sämtlich evangelisch-lutherisch. Ende
1909 wurde jedoch vom Landtag die Einrichtung
der hauptamtlichen Schulaufsicht unter Ausschal-
tung der Geistlichen angenommen. Private katho-
lische Volksschulen bestehen seit 1898 in Sonders-
hausen (1910: 28 Kinder) und seit 1872 in
Schweden.
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Arnstadt (1910: 72 Kinder); Staat oder Ge-
meinde leisten keine Zuschüsse. Katholischer Re-
ligionsunterricht wird in den öffentlichen Volks-
schulen nirgends erteilt.
über Literatur vgl. d. Art. Schwarzburg-
Rudolstadt (Sp. 985/986). (Sacher.]
Schweden. I. Geschichte. Der Umfang
des schwedischen Staats hat sehr geschwankt. Seit
dem 13. Jahrh. gehörte Finland zu Schweden.
1389 kam die schwedische Krone an Dänemark,
und nach der gewaltsamen Lösung dieses Bandes
(1523) blieben Gotland, Osel, Jemtland und
Herjeädalen bis zum Frieden von Brömsebro
(1645), die Süd= und Westküste (Schonen, Hal-
land, Blekinge und Bohuslän) bis zum Frieden
von Roskilde (1658) in dänischem Besitz. 1561
wurde Estland schwedisch. Unter Gustav Adolf
und dem Haus Pfalz-Zweibrücken, als Schweden
mit französischer Hilfe ein Jahrhundertlang eine
künstliche Großmachtstellung einnahm, wurde ein
großer Teil der gegenüber liegenden Länder an
der Ostsee schwedisch: 1617 Ingermanland, 1629
Livland, 1648 Vorpommern mit Rügen und der
Odermündung, Wismar, außerdem die Stifter
Bremen und Verden. Allediese Erwerbungen gingen
im Nordischen Krieg (Friedensschlüsse 1719/21)
verloren bis auf Wismar und einen Teil Vor-
pommerns. Wismar wurde 1803 an Mecklenburg
verpfändet (Verzicht auf die Wiedereinlösung),
Finland 1809 von Rußland erobert, der Rest
Vorpommerns 1814 an Dänemark abgetreten,
wogegen Norwegen in Personalunion mit Schwe-
den vereinigt wurde. Diese Union wurde durch
die norwegische Revolution 1905 gelöst.
Die Entwicklung der Verfassung führte
wiederholt zur Herrschaft der Aristokratie. Erst-
mals war dies der Fall im 14. Jahrh., als das
einheimische Herrscherhaus ausstarb und Schweden
ein Wahlreich wurde. Doch behaupteten die Bauern
durch die Volkserhebung unter Engelbrecht 1434,
die Kämpfe Knutsons und der drei Sture ihre
Freiheit, und mit der Abschüttlung der dänischen
Herrschaft 1528 war auch die Macht der Aristo-
kratie gebrochen. Gustav I. Wasa stärkte die Macht
der Krone durch Einführung der Neformation
(1527) und Sakularisation der Kirchengüter und
machte 1544 die Krone erblich. Während der
Streitigkeiten unter seinen Nachkommen und mit
Polen in der 2. Hälfte des 16. Jahrh. suchte der
Adel einen Teil seiner ehemaligen politischen Macht
zu erringen; in den Kriegen des 17. Jahrh. mußte
die Krone einen großen Teil der Krongüter ver-
pfänden. Doch nahmen Karl XI. und XlI. wieder
alle Güter zurück und regierten völlig ohne die
Stände. Nach Karls XII. Tod 1718 wurde eine
förmliche Herrschaft des Reichstags eingeführt
(Adelsparteien der „Hüte“ und „Mützen"); da
sich diese bald ebenso verhaßt machte wie der frü-
here Absolutismus, gelang es Gustav III., 1772
die königliche Alleinherrschaft wiederherzustellen;
doch wurde sie bereits 1789 zugunsten des Reichs-