Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

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haben, können geteilt werden. In jedem Wahl- 
kreis wird auf je ½/220 der Landesbevölkerung ein 
Abgeordneter gewählt (in Kreisen, die nicht /080 
der Einwohnerzahl erreichen, trotzdem drei). Die 
Wahl erfolgt direkt und da, wo zwei oder mehrere 
Abgeordnete zu wählen sind, nach dem Propor- 
tionalverfahren; in der Regel findet sie im Sep- 
tember des der Session vorausgehenden Jahrs 
statt. Das Wahlrecht besitzt jeder 24 Jahre alte 
Schwede; ausgeschlossen sind die unter Vormund- 
schaft oder im Konkurs Stehenden, diejenigen, 
die selbst oder deren Frau und Kinder Armen- 
unterstützung genießen oder mit der Steuerzahlung 
seit drei Jahren im Rückstand sind, und diejenigen 
Wehrpflichtigen, die sich ihrer Dienstpflicht ent- 
zogen haben. Die Kandidaten sind nur in dem 
Wahlkreis wählbar, in dem sie das aktive Wahl- 
recht besitzen, in einer Stadt mit mehreren Kreisen 
in einem beliebigen der Wahlkreise. Die Mit- 
glieder der Zweiten Kammer können ein Mandat 
mur aus bestimmten gesetzlich festgelegten Gründen. 
ablehnen oder niederlegen. 
Gemeinsame Wahlbestimmungen für beide 
Kammern sind: das Wahlrecht kann nur persön- 
lich ausgeübt werden, die Wahlen sind geheim, 
nur schwedische Bürger können Mitglied des 
Reichstags werden; nicht wählbar sind die unter 
Vormundschaft Stehenden, Personen, deren Masse 
vom Konkursgericht übernommen ist, die wegen 
eines entehrenden Verbrechens Angeklagten oder 
Verurteilten, wer durch ein Urteil unwürdig er- 
klärt wurde, für andere vor Gericht zu erscheinen, 
wer bewiesenermaßen bei der Wahl eines Reichs- 
tagsabgeordneten versucht hat, durch Geld oder 
Geschenke Stimmen zu sammeln, oder eine Stimme 
gegen eine Vergütung abgegeben oder die Wahl 
durch Gewalttätigkeiten oder Drohungen gestört 
hat. — Die Mitglieder beider Kammern erhalten 
für eine ordentliche Session 1200 Kronen Re- 
muneration, außerdem Reiseentschädigung; wird 
der Reichstag aufgelöst, bevor er vier Monate ge- 
tagt hat, so erhalten die Mitglieder des neuge- 
wählten wie die eines außerordentlichen Reichstags 
Tagesdiäten von 10 Kronen (bis zum Höchstbetrag 
von 1200 Kronen). Für jeden Tag der Abwesen- 
heit während der Session werden 10 Kronen ab- 
gezogen. 
Das schwedische Staatsbürgerrecht wird 
durch Geburt (in einer gesetzlichen Ehe eines 
Schweden oder durch außereheliche Geburt von 
einer schwedischen Untertanin) oder Naturalisation 
(in der Regel erst nach dreijähriger Ansässigkeit im 
Land) erworben, von Ausländerinnen auch durch 
Heirat mit einem Schweden. Der Naturalisierte 
hat die gleichen bürgerlichen und politischen Rechte 
wie der Schwede von Geburt, nur kann er nicht 
Mitglied des Staatsrats werden. Rechte des 
Schweden sind Wahl des Wohhnsitzes, aktives und 
passives Wahlrecht in Staat und in der Gemeinde, 
das Recht, Amter zu bekleiden, Liegenschaften zu 
besitzen, Handel, Gewerbe, Fischerei aus dem See- 
Schweden. 
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territorium des Staats zu betreiben, Rede-, Preß-, 
Versammlungs-, Kultusfreiheit usw. Die früheren 
vier Stände (Adel, Geistlichkeit, Bürger- und 
Bauernstand) haben seit 1866 keine besondere 
Vertretung im Reichstag mehr; die übrigen (aller- 
dings ziemlich bedeutungslosen) Freiheiten und 
Privilegien des Adels und des Klerus jedoch, die 
nicht mit dieser Vertretung zus hängen, wur- 
den nicht angetastet und sie können nur mit Zu- 
stimmung des Reichstags und der Ritterschaft bzw. 
der Kirchenversammlung aufgehoben oder geändert 
werden. Der Adel hat noch eine besondere Re- 
präsentation, die Adelsversammlung, die aus den 
Häuptern sämtlicher adliger Geschlechter besteht, 
in jedem dritten Jahr berufen wird und haupt- 
sächlich über die Stiftungen und Legate verfügt, 
die dem Adel als Standesgenossenschaft gehören. 
Das Recht des Königs, den Adel zu verleihen, 
wird noch gelegentlich angewandt. 
Rechtspflege. Die Rechtsprechung ist nach 
den Grundgesetzen ein Teil der Königsgewalt. 
Der König übt sie aus durch den Höchsten Ge- 
richtshof (Högsta Domstol), der aus 18, in zwei 
getrennten Abteilungen tagenden „Justizräten“ 
besteht. Dieses höchste Gericht ist die letzte In- 
stanz für Appellationen gegen sämtliche Urteile der 
Antergerichte. Die Staatsgewalt vertritt bei ihm 
ein Generalprokurator, der „Justizkanzler“. Unter 
dem höchsten Tribunal stehen die drei allgemeinen 
Obergerichte des Reichs, das Sveahofrätt zu 
Stockholm, das Götahofrätt zu Jönköping und 
das Skänehofrätt zu Kristianstadt, sowie das 
Kriegshofrätt für Militärsachen. Die erste In- 
stanz bilden auf dem Land die Bezirksgerichte 
(Häradsrätter), aus einem Bezirksrichter (Hä- 
radshöfding) und 12 auf 6 Jahre von den 
stimmberechtigten Gemeindemitgliedern gewählten 
Schöffen bestehend, und in den Städten die Stadt- 
gerichte (Rädstufvurätter, „Ratsstubengericht"), 
aus Bürgermeister und wenigstens zwei Schöffen 
zusammengesetzt, die in Stockholm vom König er- 
nannt, in den andern Städten von den Stadt- 
bevollmächtigten bzw. der Gemeindeversammlung 
gewählt werden. Die Mitglieder der Obergerichte 
und des höchsten Gerichts werden vom König er- 
nannt und sind im allgemeinen unabsetzbar. Die 
Mitglieder des höchsten Gerichtshofs sind kon- 
stitutionell verantwortlich: einerseits kann sie der 
Justizbevollmächtigte des Reichstags und der 
Justizkanzler des Königs in bestimmten Fällen 
vor dem Reichsgericht anklagen, anderseits kann 
der Reichstag sie durch ein Votum des Opinions-= 
ausschusses (s. oben) entfernen. — Anklagen gegen 
Mitglieder des Staatsrats, des höchsten Gerichts- 
hofs und gegen Berater des Königs in Kom- 
mandosachen werden bei dem von Fall zu Fall 
zusammenberufenen Reichsgericht anhängig ge- 
macht, das der Präsident des Sveahofrätts als 
Vorsitzender, die Vorsitzenden der verschiedenen 
Zentralverwaltungen, die Höchstkommandierenden 
der in der Hauptstadt stehenden Truppen und der 
  
 
	        
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