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Album, Matrikel). Außer ihnen gab es noch
Tafeln, auf welchen die Namen der Päpste, Bi-
schöfe, Kaiser, Teilnehmer an den eucharistischen
Liebesgaben, besonderer Wohltäter und anderer
hervorragender Persönlichkeiten standen und die
während des Gottesdienstes zur Verlesung kamen
(Diptychen der Lebenden, libri vitae, libri vivo-
rum). Analog wurden schon in den ersten Zeiten
der Kirche die Namen derjenigen Verstorbenen
zusammengestellt, deren ob ihres Martyriums, ob
ihrer Verdienste oder ihres ausgezeichneten Rufs
beim heiligen Opfer gedacht werden sollte (Dip-
tychen der Verstorbenen, libri mortuorum). In
diesen Einrichtungen der Urkirche liegen die An-
fänge der kirchlichen Tauf= und Sterberegister.
Nachdem entsprechend den religiösen Feierlichkeiten,
mit welchen bei den Juden, Griechen und Römern
der alten Zeit die Eheschließung zumeist begleitet
war, auch schon die Ehen der ersten Christen bei
den Bischöfen angemeldet und von ihnen ein-
gesegnet werden sollten, mußten ebenso frühzeitig
Eheschließungsverzeichnissein die Erscheinungtreten.
Wenn aber das frühzeitige Vorhandensein von
Tauf-, Ehe= und Totenlisten auch durch älteste
Konzilienakten und kirchliche Schriftsteller bezeugt
ist, so darf für jene Zeit doch nicht eine allgemeine,
einheitliche und gleichmäßige Führung derselben
angenommen werden. Mit der weiten Ausbrei-
tung des Christentums war ferner ihre Instand-
haltung sehr erschwert. Speziell für die germani-
schen Gebiete fehlen die Belege für eine universelle
Einrichtung. Vielerorts gingen sie während des
Mittelalters ganz ein. Nur Totenbücher (Nekro-
logien) wurden, namentlich in Klöstern, später
auch in Pfarrkirchen unterhalten. Sie enthielten
die nach den Sterbetagen geordneten und zusam-
mengestellten Namen von Verstorbenen, denen
beim Chorgebet und Hauptgottesdienst ein be-
sonderes Gebetsmemento geweiht werden sollte.
Durch zwei Momente erlangte das Institut der
unter dem Kollektivnamen Kirchen= oder Pfarr-
bücher zusammengefaßten verschiedenen Verzeich-
nisse neues Leben, durch die Glaubensspaltung im
16. Jahrh. und durch das Konzil von Trient.
Vorher schon, in der 2. Hälfte des Mittelalters,
hatten die Nachwirkungen der Kreuzzüge auf die
Bevölkerungszustände, das gesteigerte Handels-
und Verkehrswesen, der allgemeine Kulturfort-
schritt, die Entwicklung der Städte und nicht zuletzt
die disziplinaren Bestimmungen allgemeiner Kon-
zilien (z. B. des IV. vom Lateran) und parti-
kulärer Synoden die Herstellung von Tauf-,
Trauungs= und Sterbebüchern, von Verzeichnissen
über das kirchliche Begräbnis, die Erfüllung der
jährlichen Beicht= und österlichen Kommunion=
pflicht usw. so wirksam angeregt, daß laut vor-
handener Zeugnisse im 14. und 15. Jahrh. so-
wohl in Süd-, Mittel= und Nordeuropa als auch
ganz besonders im südlichen und mittleren Deutsch-
land an nicht wenigen Orten genaue Kirchenbücher
geführt worden sind. Wenn im Mittelalter viel-
Personenstand.
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leicht die Tatsache, daß alle ansässigen Glieder
einer Gemeinde der einen christlichen Kirche an-
gehörten, die Einregistrierung des Taufempfangs
manchem geistlichen Vorstand als überflüssig hat
erscheinen lassen, so fiel dieser Unterlassungsgrund
mit dem Eintritt der Glaubensspaltung weg. Die
interkonfessionellen Zustände, welche die Refor-
mation hervorgerufen hatte, drängten auf katho-
lischer und akatholischer Seite zur Führung von
Pfarrbüchern im Interesse einer ordentlichen Pfarr-
verwaltung. In der katholischen Kirche kam noch
dazu die Forderung durch das gemeine Recht, in-
dem das Konzil von Trient im Anschluß an seine
eherechtlichen Reformdekrete bestimmte, daß „der
Pfarrer ein Buch zu halten habe, in welches er
die Namen der Eheleute und der Trauzeugen
sowie Tag und Ort der abgeschlossenen Ehe
einschreiben und das er sorgfältig aufbewahren
solle“ (Sess. XXIV de ref. matr. c. 1). Des-
gleichen wurde verlangt, in ein Buch die Namen
der Taufpaten einzutragen (ebd. c. 2). Aus
dem Verhandlungsmaterial ist zu ersehen, daß
damit das Taufbuch gemeint war. Auf partikular-
rechtlichem Weg, durch Diözesan= und Provinzial-
synodalverordnungen fanden die Trienter Bestim-
mungen bald eine weit über das Geforderte hin-
ausgehende Durchführung. Ende des 16. Jahrh.
gab es nach italienischem Vorbild in fast ganz
Süddeutschland Tauf-, Firmungs-, Beicht= und
Kommunikanten-, Ehe-, Toten- und Familien-
register. Aus dem allzu umfassenden Familien-
register iber animarum, I. status, lI. vivorum
et mortuorum, 1. familiarum), welches, ein Buch
für alles, die Namen und Glieder der einzelnen
Familien in der Pfarrei und daneben Bemerkungen
über Sakramenteempfang, Erfüllung der Oster-
pflicht, Austritt aus der Kirche und Rückkehr zu
derselben, Ein= und Auswanderung, Tod und
Begräbnis enthielt, wurden die letzten zwei Gegen-
stände im 17. Jahrh. ausgeschieden und in beson-
dern Registern notiert. Neben dem Bestreben, das
Familienbuch zu entlasten, hat das von Papst
Paul V. am 20. Juni 1614 edierte Rituale Ro-
manum, welches Tauf-, Firmungs-, Ehe-, Fa-
milien-, Sterbe= und Begräbnisregister nach bei-
gegebenen genauen Formularien vorschrieb, diese
Ausscheidung bewirkt. Nähere bischöfliche Aus-
führungsbestimmungen und Kontrollverordnungen
(z. B. Vorlegung der Register bei Pfarrvisita-
tionen, jährliche Einsendung von Abschriften an
das Ordinariat) beförderten den Vollzug, so daß
um die Mitte des 18. Jahrh. im katholischen
Deutschland die Register überall in Gebrauch
waren und als offizielle Urkunden über die be-
treffenden Akte betrachtet wurden. Auch die ver-
schiedenen evangelischen Kirchen hatten ihre Kirchen-
bücher, und zwar zuerst Tauf-, dann Trauungs-
und erst viel später Begräbnisregister. Wie bei
der katholischen Kirche so vollzog sich auch bei den
protestantischen Landeskirchen die Einführung
räumlich von Süden nach Norden. Am spätesten