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heit der eidgenössischen Stände im sog. Sonder-
bundskrieg (1847) erzwungen wurde. Es war
ein kurzer, unblutiger Feldzug, der durch nume-
rische Ubermacht und geschickte Taktik die Ein-
nahme von Freiburg und Luzern und damit ein
rasches Ende herbeiführte. Die radikale Partei
beutete ihren Sieg aus zur gewaltsamen Einsetzung
radikaler Regierungen in den unterworfenen katho-
lischen Kantonen und Einführung einer neuen
Bundesverfassung (1848).
Als die Neuenburger Royalisten die den Repu-
blikanern 1848 gemachten Zugeständnisse durch
einen Putsch rückgängig zu machen versuchten,
blieben die Republikaner siegreich und fanden
Rückhalt bei der Eidgenossenschaft, welche die For-
derungen Preußens zurückwies und sich auch durch
militärische Rüstungen nicht einschüchtern ließ.
Der drohende Krieg wurde durch Intervention
Napoleons verhütet, indem Preußen gegen Frei-
gabe der gefangenen Royalisten auf das Fürsten-
tum Neuenburg Verzicht leistete, das nun erst
ein volles Glied der Eidgenossenschaft wurde
(1857).
In den 1860er Jahren fanden in einer Anzahl
von Kantonen Verfassungsrevisionen statt,
die sämtlich eine Erweiterung der Volksrechte durch
Einführung von Referendum und Initiative be-
zweckten. Während des deutsch-französischen
Kriegs, der eine längere Grenzbesetzung ver-
anlaßte, fand die Armee des französischen Generals
Bourbaki, um dem völligen Untergang oder feind-
licher Gefangenschaft zu entgehen, eine Zuflucht
auf dem neutralen Boden der Schweiz infolge
einer Übereinkunft und gegen Ablieferung der
Waffen (1. Febr. 1871).
Auch der Kulturkampf warf seine Wellen
von Deutschland über die Schweizer Grenzen.
Als der Bischof von Basel, Lachat, über zwei
Pfarrer, die das Dogma der Unfehlbarkeit nicht
annehmen wollten, die Exkommunikation ver-
hängte, wurde er durch die Regierungen von fünf
Kantonen (Luzern und Zug ausgenommen) seiner
Diözese für abgesetzt erklärt, und die bernische Re-
gierung schritt gewaltsam ein gegen jene Geist-
lichen, die ihrem Bischof treu blieben. Die Er-
hebung des früheren Stadtpfarrers Kaspar Mer-
millod zu der neugeschaffenen Würde eines Apo-
stolischen Vikars von Genf gab Veranlassung zu
einem Konflikt der römischen Kurie mit der Genfer
Regierung und im weiteren Verlauf zur Aus-
weisung Mermillods aus dem Schweizer Gebiet
durch Beschluß des Bundesrats (1873) und zum
Abbruch der diplomatischen Beziehungen zwischen
der Schweiz und dem Heiligen Stuhl, die seither
nicht wieder erneuert wurden. Die Kantone Genf
und Bern erklärten das altkatholische Bekenntnis
zur Staatsreligion und übertrugen alle Rechte der
bisherigen katholischen Kirche auf die Altkatho-
liken. Die Ernennung Mermillods zum Bischof
von Lausanne und Genf (1883) und die Erhebung
Lachats zum Erzbischof von Damiette und Apo-
Schweiz.
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stolischen Administrator des Tessins (1885) machte
dem Konflikt ein Ende.
II. Staatswesen. Die Eidgenossenschaft ist
hervorgegangen aus der Verbindung der drei
Länder Uri, Schwyz und Unterwalden, die in
Gestalt eines Landfriedensbündnisses in die Mitte
des 13. Jahrh. zurückreichen dürfte, aber in be-
stimmter Form und mit besonderer Spitze gegen
Osterreich erst seit Anfang Aug. 1291 datiert.
Durch Aufnahme von Luzern (1332), Zürich
(1351), Glarus und Zug (1352) und Bern
(1353) erweiterte sich der Kreis zum Bund der
sog. acht alten Orte. Durch die Aufnahme von
Freiburg und Solothurn (1481), Basel und
Schaffhausen (1501) und Appenzell (1513)
wurde die Eidgenossenschaft auf 13 vollberech-
tigte Bundesglieder gebracht und blieb in diesem
Umfang bis 1798. Es war ein Staaten-
bund von lockerstem Gefüge, ohne jegliche
Zentralgewalt, ja ohne jede einheitliche verfas-
sungsmäßige Grundlage. Die im einzelnen ver-
schieden lautenden Bünde stimmten lediglich darin
überein, daß sie gegenseitige Hilfsverpflichtung
gegen äußere Angriffe, Verzicht auf Selbsthilfe
bei Anständen unter Eidgenossen und die Un-
auflöslichkeit ihrer Verbindung forderten. Ihre
offizielle Benennung lautete „Der Obertütschheit
Eidgnoßschaft“ (Superioris Germaniae Con-
foederatio), während die einzelnen Bundes-
glieder als „Orte“ bezeichnet wurden; die Be-
zeichnung „Kantone“ kam erst seit Mitte des
15. Jahrh. in Aufnahme. Nach dem rührigsten
Glied der ursprünglichen Eidgenossenschaft, Schwyz,
erhielt die Verbindung Namen und Wappen des
letzteren, zunächst als Feldzeichen geführt. Neben
den vollberechtigten Gliedern kannte die Eidgenos-
senschaft auch „zugewandte" (d. h. verwandte) Orte,
die zu ihrem Kreis gehörten mit beschränktem An-
teil an den Rechten, aber vollem Anteil an den
Pflichten der Orte. Dazu gehörten: Republik Gers-
au, Abtei Engelberg, Stadt und Abtei St Gallen,
Biel, Graubünden und Wallis, die Bischöfe von
Basel und Konstanz, der Graf von Neuenburg,
aber auch Auswärtige, wie die Reichsstädte Mül-
hausen, Rottweil, der Herzog von Württemberg,
die Grasschaft Mömpelgard, Besangon, der Mark-
graf von Montferrat, die Grafen von Arona, der
Bischof von Lodi usw. Außerdem gab es auch
Untertanenländer (gemeine Herrschaften)von einem,
mehreren oder allen Orten. Eidgenössische Unter-
tanen waren: das Freiamt und die Grasschaft
Baden im Aargau, Thurgau, Sargans, Nhein-
tal, die ennetbirgischen (Tessin) Vogteien Lu-
gano, Locarno, Mendrisio und Maiental (Valle
Maggia), Eschental (Val d’Ossola) bis 1515;
den drei Ländern Uri, Schwyz und Unterwalden
gehörte Bellinzona; Rapperswil stand unter
Schirmhoheit von Uri, Schwyz, Unterwalden, Gla-
rus (seit 1712 traten Bern und Zürich an Stelle
der drei erstgenannten Orte). Untertanengebiete
zweier Orte (Kondominate) waren: Schwarzen-