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1 bis 9 Abgeordneten eingeteilt. Auf Grund der
Volkszählung von 1900 besteht der Nationalrat
aus 167 Mitgliedern, und zwar wählt der Kanton
Bern 29 Abgeordnete, Zürich 22, Waadt 14,
St Gallen 13, Aargau 10, Luzern, Tessin und
Genf je 7, Freiburg, Basel-Stadt, Thurgau,
Neuenburg und Wallis je 6, Solothurn und
Graubünden je 5, Schwyz, Basel-Land, Appen-
zell-Außerrhoden je 3, Glarus und Schaffhausen
je 2, Uri, Ob= und Nidwalden, Zug, Appenzell-
Innerrhoden je 1. Präsidium und Vizepräsidium
des Nationalrats wechseln jährlich. Die Abgeord-
neten beziehen ein Taggeld von 20 Franken nebst
Reiseentschädigung. b) Der Ständerat besteht
aus 44 Abgeordneten (je 2 aus einem Kanton,
je 1 aus einem Halbkanton). Mitglieder des
National= und des Bundesrats sowie des Bundes-
gerichts find nicht wählbar. Wahlart, Amts-
dauer und Diäten sind gänzlich dem Belieben der
Kantone überlassen. In den meisten Kantonen
geschieht die Wahl direkt durch das Volk, in den
übrigen durch den Großen Rat. Präsident und
Vizepräsident werden durch den Rat für 1 Jahr
gewählt. — Die Bundesversammlung hat neben
der wesentlich gesetzgeberischen auch aufsehende,
vollziehende und richterliche Gewalt. Unter ihre
Kompetenz fallen: Organisation und Wahl-
art der Bundesbehörden, Wahl des Bundesrats,
des Bundesgerichts, des Kanzlers sowie des Ge-
nerals der eidgenössischen Armee und verschiedener
Beamten, deren Wahl ihr die Bundesgesetzgebung
überträgt (z. B. des Bundesanwalts); Bündnisse
und Verträge mit dem Ausland, Genehmigung
von Verträgen zwischen Kantonen, Maßregeln für
Sicherheit, Unabhängigkeit und Neutralität der
Schweiz, Kriegserklärungen und Friedensschlüsse,
Garantie der Verfassungen und des Gebiets der
Kantone, Maßregeln für Sicherheit, Ruhe und
Ordnung im Innern, Amnestie und Begnadigung,
Verfügung über das Bundesheer, Ausstellung des
Budgets und Rechnungsprüfung, Oberaufsicht über
die eidgenössische Verwaltung und Rechtspflege,
Entscheidung in Kompetenzstreitigkeiten zwischen
Bundesbehörden, bei Beschwerden gegen Ent-
scheide des Bundesrats über Administrativstreitig-
keiten, Revision der Bundesverfassung. Die Bun-
desversammlung tritt ordentlicherweise jährlich ein-
mal (im Dezember) zusammen, außerordentlich,
so oft der Bundesrat es beschließt oder ¼ der
Mitglieder des Nationalrats oder 5 Kantone es
verlangen. In beiden Räten entscheidet die ab-
solute Stimmenmehrheit; zu gültiger Verhand-
lung ist die Anwesenheit der absoluten Mehrheit
der Mitglieder des betreffenden Rats erforderlich.
Die Verhandlungen sind öffentlich. Die Mit-
glieder des Bundesrats haben in beiden Kam-
mern beratende Stimme und das Recht der An-
tragstellung. Die Verteilung der Geschäfte wird
durch die Präsidenten der beiden Kammern ver-
einbart. Das Vorschlagsrecht zu Bundesgesetzen
und Sbeschlüssen steht zu: dem Bundesrat, den
Schweiz.
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Kantonen, dem Nationalrat, dem Ständerat und
dem Volk. In beiden gesetzgebenden Kammern
kann jedes Mitglied auf dem Weg der Motion
Gesetze oder Beschlüsse in Anregung bringen; auch
von außen können solche Anregungen auf dem Weg
der Petition geschehen. Über jede Vorlage findet zu-
erst eine Beratung über die Eintretensfrage statt,
dann folgt die artikelweise Beratung und hierauf
eine Gesamtabstimmung. Stimmen die Schluß-
nahmen des einen Rats mit denen des andern nicht
überein, so gehen die Differenzen zur Beratung
an diesen zurück; nach Schluß der Beratung in
beiden Räten gehen die Gesetzesbeschlüsse an die
vereinigte Redaktionskommission, und über den von
dieser festgestellten bereinigten Wortlaut findet
dann in beiden Räten eine Schlußabstimmung
statt, in welcher die Sanktion des Bundesgesetzes
zu erkennen ist.
2. Der Bundesratist die oberste vollziehende
Behörde der Eidgenossenschaft und besteht aus
7 Mitgliedern, die von der Bundesversammlung
aus den wahlfähigen Schweizerbürgern auf drei
Jahre gewählt werden. An der Spitze des Bun-
desrats steht der Bundespräsident und der Vize-
präsident, beide von der Bundesversammlung auf
ein Jahr gewählt und im folgenden Jahr nicht
wieder wählbar. Die Bundesräte müssen ver-
schiedenen Kantonen angehören. Sie beziehen ein
Gehalt von 15.000 Franken, der Präsident eine
Zulage von 2000 Franken. Zu gültiger Ver-
handlung ist die Anwesenheit von wenigstens vier
Mitgliedern erforderlich. Der Bundesrat hat
folgende Befugnisse: Leitung der eidgenössischen
Angelegenheiten, Sorge für Beobachtung der Bun-
desverfassung, der Bundesgesetze und Sbeschlüsse
sowie der eidgenössischen Konkordate; er wacht
über die Garantie der kantonalen Verfassungen,
schlägt der Bundesversammlung Gesetze und Be-
schlüsse vor, vollzieht Bundesgesetze und -beschlüsse,
bundesgerichtliche Urteile und schiedsrichterliche
Sprüche und trifft alle Wahlen, die nicht einer
andern eidgenössischen Behörde übertragen sind;
er wahrt die Interessen der Eidgenossenschaft nach
außen, wacht über äußere Sicherheit, Unabhängig-
keit und Neutralität, sorgt für innere Sicherheit
und Ordnung. Im Fall von Dringlichkeit ist er
befugt, die erforderlichen Truppen aufzubieten.
Er besorgt das eidgenössische Militärwesen, die
Bundesfinanzen und -verwaltung, Zölle, Post-
und Eisenbahnwesen, soweit letzteres verstaatlicht
ist. Er entwirft das Budget und legt der Bundes-
versammlung Rechnung ab. Dem Bundesrat steht
es zu, Fremde, welche die Ruhe und Sicherheit
des Landes gefährden, auszuweisen. Der Bundes-
ratspräsident hat keine besondern Prärogative; er
besitzt lediglich gewisse Ehrenrechte als Vorsitzender
des Kollegiums.
Die Bundesverwaltung zerfällt in sieben
Departemente: 1) Politisches (jeweilen durch den
Bundespräsidenten verwaltet); 2) Inneres; 3) Ju-
stiz und Polizei; 4) Militär; 5) Finanzen und
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