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Schweiz.
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Dampfschiffahrtsunternehmer, Verbrechen gegen Begehren dagegen in Form eines ausgearbeiteten
die Person der Mitglieder des Bundesrats); der
Bundesrat kann diese Straffälle auch kantonalen
Gerichten überweisen; e) als Kassationsinstanz
gegenüber Beschlüssen der Bundesanklagekammer
und Urteilen der Bundeskriminalkammer, des Bun-
desassisenhofs und des Bundesstrafgerichts. 3) Als
Staatsgerichtshof beurteilt das Bundesgericht:
Kompetenzkonflikte zwischen Bundesbehörden und
Kantonsbehörden, staatsrechtliche Streitigkeiten
zwischen Kantonen, Beschwerden betreffend Ver-
letzung verfassungsmäßiger Rechte der Bürger so-
wie solche von Privaten wegen Verletzung von
Konkordaten und Staatsverträgen, soweit nicht der
Bundesrat zuständig ist, Steuerstreitigkeiten zwi-
schen Bund und Kantonen, Streitigkeiten über
Zulässigkeit des Verzichts auf das Schweizer-
bürgerrecht, Streitigkeiten über die Anwendung des
Bundesgesetzes betr. die zivilrechtlichen Verhält-
nisse der Niedergelassenen und Aufenkhalter vom
25. Juni 1891, Streitigkeiten zwischen Heimat-
behörden und Wohnsitzbehörde eines Bürgers betr.
Bevormundung eines Bürgers, der außerhalb des
Heimatskantons wohnt, Streitigkeiten zwischen
Bundesrat und Eisenbahngesellschaften über deren
Rechnungswesen, Einsprachen gegen das Aus-
lieferungsbegehren fremder Staaten. — Ein Bun-
desanwalt hat die Funktionen eines Staats-
anwalts in der Bundesstrafrechtspflege sowie die
Überwachung der Fremdenpolizei nach Art. 70 der
Bundesverfassung. — Die Bundesverfassung ga-
rantiert den Gerichtsstand des Wohnorts.
Politische Volksrechte. Stimmberechtigt
in eidgenössischen Angelegenheiten sind alle
Schweizerbürger männlichen Geschlechts, die das
20. Altersjahr zurückgelegt haben, sich in der
Schweiz aufhalten und im Besitz des Aktivbürger-
rechts stehen. Die Ausübung bürgerlicher oder
politischer Rechte darf durch keinerlei Vorschriften
oder Bedingungen kirchlicher oder religiöser Natur
beschränkt werden. Das Volk besitzt 1) die Ver-
fassungsinitiative. Wenn 50 000 stimm-
berechtigte Schweizer Bürger die Totalrevision der
Bundesverfassung verlangen, so muß die Frage, ob
eine solche stattfinden soll oder nicht, dem Volk
zur Abstimmung vorgelegt werden. Seit 1891
ist die Volksinitiative auch für Partialrevision der
Bundesverfassung eingeführt, und zwar kann ein
solches Initiativbegehren in Form der allgemeinen
Anregung oder des ausgearbeiteten Entwurfs ge-
stellt werden; doch kann eine Initiative nicht ver-
schiedenartige Materien betreffen. a) Wenn die
Bundesversammlung mit einer durch die Initia-
tive gestellten allgemeinen Anregung sich einver-
standen erklärt, so arbeitet sie eine Partialrevision
im Sinn des Initiativbegehrens aus; stimmt die
Bundesversammlung nicht zu, so ist die Frage der
Partialrevision durch die Volksabstimmung zu
entscheiden, und wenn sich eine Mehrheit dafür
ergibt, von der Bundesversammlung im Sinn
des Volksentscheids auszuführen. b) Wird das
Entwurfs gestellt, so ist wieder zu unterscheiden,
ob die Bundesversammlung zustimmt oder nicht.
In ersterem Fall ist das Begehren einfach der
Volksabstimmung zu unterwerfen, in letzterem soll.
die Bundesversammlung einen eignen Entwurf
ausarbeiten oder Verwerfung des Volksvorschlags
beantragen und ihren Entwurf oder Verwerfungs-
antrag gleichzeitig mit dem Initiativbegehren der
Abstimmung vorlegen. Die Stellung eines Volks-
begehrens hat durch Unterschriftensammlung inner-
halb 6 Monaten zu erfolgen. — Eine Volksinitia-
tive für Bundes gesetze gibt es nicht. — 2) Das
Bundesgesetzreferendum ist das Recht der
Volksabstimmung nicht nur über eigentliche Ge-
setze, sondern auch bloße Beschlüsse der gesetzgeben-
den Behörden. Alle Bundesgesetze sowie allgemein
verbindliche Bundesbeschlüsse, die nicht dringlicher
Natur sind, sollen der Volksabstimmung unter-
worfen werden, sofern dies 30.000 stimmberechtigte
Schweizerbürger oder 8 Kantone verlangen. Das
Referendumsbegehren muß innerhalb 90 Tagen
nach Publikation des Gesetzes gestellt werden. Für
die Abstimmung gilt einfache Stimmenmehrheit.
— Wahl und Abstimmung finden in der ganzen
Schweiz an einem Tag, und zwar immer an
einem Sonntag mittels schriftlicher und geheimer
Stimmabgabe statt; nur die Wahl der eidgenös-
sischen Geschworenen kann in offener Abstimmung
erfolgen.
B. Das kantonale Staatsrecht. Alle Ho-
heitsrechte, die nicht dem Bund übertragen wur-
den, sind den Kantonen verblieben. Die Zu-
ständigkeit der Kantone ist nicht eine Gewährung
des Bundes, weil sie auf derselben Bundesverfas-
sung beruht wie diejenige des Bundes; zwar
könnte juristisch die ganze Machtbefugnis der
Kantone durch eine Bundesverfassungsänderung
entzogen werden, aber solange das nicht geschieht,
ist die bundesverfassungsmäßige souveräne Kan-
tonalkompetenz als eine eigne nicht vom Bund
abgeleitete zu betrachten. Alle Kantone haben de-
mokratische Verfassungen, insofern das Volk selbst
direkt oder durch die von ihm gewählten Vertreter
über die kantonale Gesetzgebung entscheidet. Wir
können die Kantone nach ihrer Verfassung in drei
Gruppen einteilen: a) reine Demokratien: a) mit
Landsgemeinden, wo die Landsgemeinde als Trä-
ger der Souveränität erscheint: Uri, Ob= und
Nidwalden, Appenzell-Inner= und Außerrhoden,
Glarus; 8) mit obligatorischem Referendum:
Zürich, Bern, Schwyz, Graubünden, Basel-Land,
Thurgau, Aargau, Solothurn, Wallis; b) reprä-
sentative Demokratien, und zwar a) mit fakul-
tativem Referendum: Basel-Stadt, Genf, Luzern,
Neuenburg, St Gallen, Tessin, Zug, Schwyz,
Waadt; ß) ohne Referendum: Freiburg.
1. In den Landsgemeind kkantonen übt
das gesamte Volk in offener Gemeinde seine sou-
veränen Rechte aus. Die Landsgemeinde beschließt
über die Angelegenheiten des Kantons und erteilt