Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

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besondere in Ansehung der Zwangsvollstreckung 
und Verpfändung (vgl. 8§§ 1259 ff B. G. B.)ähn- 
lich wie eine unbewegliche Sache (Grundstück) be- 
handelt. Eigenartig ist die Vorschrift, nach welcher 
für ein Seeschiff oder einen Anteil daran die ge- 
mäß dem bürgerlichen Recht zum Eigentumsüber- 
gang erforderliche Ubergabe (Tradition) durch die 
zwischen dem Veräußerer und dem Erwerber ge- 
troffene Vereinbarung ersetzt werden kann, daß 
das Eigentum sofort auf den Erwerber übergehen 
soll (H.G.B. 8§ 474). 
Der Eigentümer eines ihm zum Erwerb durch 
die Seefahrt dienenden Schiffs wird Reeder ge- 
nannt (§ 484). Kein Reeder ist nach dieser Be- 
griffsbestimmung der sog. Ausrüster, d. i. wer 
ein ihm nicht gehöriges Schiff (auf Grund eines 
Nießbrauchs, eines Miet= oder Leiheverhältnisses) 
zum Erwerb durch die Seefahrt für seine Rech- 
nung verwendet und es entweder selbst führt oder 
die Führung einem Schiffer anvertraut. Nach 
§ 510 soll aber der Ausrüster im Verhältnis zu 
Dritten als der Reeder angesehen werden. Wer 
ein Schiff als sog. time-charterer auf Zeit 
mietet, ist kein Ausrüster; denn hierbei bleibt die 
Schiffsführung in der Hand des Reeders. Dar- 
aus, daß es sich bei den Seeschiffen meistens um 
große Werte handelt, ergab sich schon in alter Zeit 
die Gepflogenheit, daß sich mehrere an einem Schiff 
beteiligten. Hierbei wird das Eigentum des 
Schiffs in Bruchteile zerlegt (Schiffsparten). 
Die Parteninhaber bilden nun eine Reederei 
(§8 489/509), deren Geschäfte meistens von einem 
Korrespondentreeder (Schiffsdirektor, Schiffs- 
disponent; ships husband, managing owner, 
armateur gérant) geführt werden. Die Beschlüsse 
der Reederei erfolgen nach Partenmehrheit. Ein 
Inhaber von 3/1 gibt also den Ausschlag gegen- 
über zwei Mitreedern mit je 1110; der Reedereiver- 
trag darf jedoch nicht verletzt werden. Die Lasten 
der Reederei werden nach Verhältnis der Parten 
getragen, Gewinn und Verlust ebenso verteilt, vor- 
behaltlich abweichender Vertragsbestimmungen. 
In besondern Fällen (8 501) kann sich der Mit- 
reeder durch ersatzloses Aufgeben seiner Part von 
weiteren Zuschüssen befreien (Abandon). Die auf- 
gegebene Schiffspart fällt den übrigen Mitreedern 
nach Verhältnis der Größe ihrer Parten ipso 
jure zu. Der Mitreeder kann seine Part oder 
einen Teil davon auch jederzeit veräußern. Würde 
aber durch die Veräußerung das Recht, die Reichs- 
flagge zu führen, verloren gehen (§ 2 des angef. 
Gesetzes vom 22. Juni 1899), so haben alle Mit- 
reeder zuzustimmen, widrigenfalls — so hat das 
Reichsgericht im Anschluß an die Rechtsprechung 
des Reichsoberhandelsgerichts angenommen — 
die Veräußerung nichtig sein würde. Zu einer 
Reederei im Sinn des H. G. B. wird gefordert, 
daß ein mehreren Personen gemeinschaftlich zu- 
stehendes Schiff von ihnen zum Erwerb durch die 
Seefahrt für gemeinschaftliche Rechnung ver- 
wendet wird. Steht das Schiff im Eigentum 
Seerecht usw. 
  
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eines einzelnen Reeders oder einer Handelsgesell- 
schaft, insbesondere auch einer Aktiengesellschaft, 
so darf man nur im wirtschaftlichen Sinn von 
einer Reederei sprechen. Die Partenreederei hat in 
der neueren Zeit den größten Teil ihres Gebiets 
an die große Aktienreederei verloren, die z. B. in 
Hamburg der Tonnage besitzen wird. — Eine 
Abart der Reederei ist die Bautenreederei: die 
Vereinigung zweier oder mehrerer Personen, um 
ein Schiff für gemeinschaftliche Rechnung zu er- 
bauen und alsdann zur Seefahrt zu verwenden. 
Die Haftung für den aus dem Schiffahrts- 
betrieb entstehenden Schaden bürdet das Gesetz 
dem Reeder auf. Er ist für allen Schaden ver- 
antwortlich, den eine Person der Schiffsbesatzung 
einem Dritten durch ihr Verschulden in Ausübung 
ihrer Dienstverrichtungen zufügt (§ 485). Da 
aber der Reeder aus der Ferne über den Schiffer 
und seine Leute keine oder doch nur eine sehr 
mangelhafte Aussicht führen kann, so wurde es 
schon in alter Zeit als gerecht erkannt, den Um- 
fang der Reederhaftung einzuschränken. Dieser 
Rechtsgedanke ist in den verschiedenen Staaten 
auf verschiedene Weise durchgeführt worden, und 
die internationalen Bestrebungen auf eine zwischen- 
staatliche Reglung sind noch nicht zum Ziel ge- 
langt. Das deutsche H.G.B. beschränkt die regel- 
mäßige Haftung auf das Schiffsvermögen 
(fortune de mer): Der Reeder haftet nicht per- 
sönlich mit allem, was er besitzt, sondern nur mit 
Schiff und Fracht (§ 486). Die Gläubiger wer- 
den sog. Schiffsgläubiger, sie erhalten ein eigen- 
artiges, bevorzugtes (8 776) Pfandrecht an Schiff 
und Bruttofracht (8§§ 754 ff) einschließlich der 
Überfahrtsgelder der Passagiere (8 677). Mit 
dem Schiffsvermögen und außerdem persönlich 
haftet der Reeder namentlich gegenüber den An- 
sprüchen aus hinzukommendem eigenem Verschul- 
den, aus besonders übernommener Gewährleistung 
sowie gegenüber den Forderungen der Schiffs- 
besatzung aus Dienst- und Heuerverträgen. Es 
gilt der Gerichtsstand des Heimathafens. 
Die wichtigste Person der Schiffsbesatzung ist 
selbstverständlich der Führer des Schiffs (Schiffer, 
Kapitän). Der Schiffer wird vom Reeder durch 
Dienstvertrag angestellt. Nach § 511 ist er ver- 
pflichtet, bei allen Dienstverrichtungen, namentlich 
bei der Erfüllung der von ihm auszuführenden 
Verträge, die Sorgfalt eines „ordentlichen Schif- 
fers“ anzuwenden. Für jeden durch sein Ver- 
schulden entstandenen Schaden haftet der Schiffer 
(abgesehen von der erwähnten Verantwortlichkeit 
des Reeders) persönlich. Über seine Obliegen- 
heiten im einzelnen gibt das H.G.B. eine Reihe 
von Vorschriften (§8 513 ff). Vom Beginn des 
Ladens an bis zur Beendigung der Ausladung 
(Löschung) darf der Schiffer das Schiff gleich- 
zeitig mit dem Steuermann nur in dringenden 
Fällen — unter Bestellung eines geeigneten Ver- 
treters — verlassen. Der Schiffer muß die Reise 
auf dem kürzesten geographischen Weg (ohne De-
	        
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