Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

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viation) ausführen. Die Haftung des Schiffers 
besteht nicht nur gegenüber dem Reeder, sondern 
auch gegenüber den Ladungsinteressenten und ge- 
wissen sonstigen Schiffsgläubigern. Als Ladungs- 
beteiligte kommen in Betracht: der „Befrachter“, 
welcher mit dem Reeder, als dem „Verfrachter“, 
den Frachtvertrag abschließt (freighter, affré- 
teur), der „Ablader“ — der von dem Befrachter 
verschieden sein kann — d. h. wer die Ladung 
(namentlich als Verkäufer, Einkaufskommissionär, 
Spediteur) auf Grund des Frachtvertrags an das 
Schiff abliefert (shipper, chargeur), und endlich 
der Empfänger der Güter. Über alle Unfälle, die 
sich während der Reise ereignen, sie mögen den 
Verlust oder die Beschädigung des Schiffs oder 
der Ladung, das Einlaufen in einen Nothafen 
oder einen sonstigen Nachteil zur Folge haben, 
muß der Schiffer unter Zuziehung einer genügen- 
den Anzahl von Personen der Schiffsbesatzung 
bei dem Amtsgericht eine Verklarung (beeidigte 
Darstellung des Unfalls) ablegen. Die Verklarung 
dient der Sicherung des Beweises, ihr Zweck ist 
somit nicht die Wahrung öffentlicher, sondern 
privater Interessen. 
Den Pflichten des Schiffers entsprechen seine 
Befugnisse und seine Gewalt. Durch ein Rechts- 
geschäft, das der Schiffer als solcher außerhalb 
des Heimathafens zum Zweck der Ausrüstung, 
Bemannung, Verproviantierung und der Erhal= 
tung des Schiffs sowie überhaupt zur Ausführung 
der Reise schließt, Frachtverträge einbegriffen, 
wird die Haftung des Reeders mit Schiff und 
Fracht Dritten gegenüber begründet. Unter ganz 
besondern Umständen ist der Schiffer sogar zum 
öffentlichen Verkauf des Schiffs befugt (88§ 526 ffj. 
Der Schiffer ist an Bord mit einer Art absoluter 
Herrschergewalt ausgestattet (le seul maitre 
après Dieu). Gegenüber den Passagieren be- 
schränkt sich seine Gewalt freilich darauf, die Be- 
obachtung der Schiffsordnung durchzusetzen. Da- 
gegen ist dem Schiffer gegenüber der Besatzung 
des Schiffs (den Schiffsoffizieren, der Schiffs= 
mannschaft, den Steuerleuten, Maschinisten, Heizern, 
sowie dem Arzt, Zahlmeister, Koch, den Stewards, 
Musikern usw.) eine Strafgewalt verliehen wor- 
den. Der Schiffsmann muß den dienstlichen Be- 
fehlen des Kapitäns wie der sonstigen Vorgesetzten 
unweigerlich Folge leisten. Im Fall einer Wider- 
setzlichkeit oder bei beharrlichem Ungehorsam ist 
der Kapitän zur Anwendung aller Mittel befugt, 
welche erforderlich sind, um seinen Befehlen Ge- 
horsam zu verschaffen. Nötigenfalls darf er zur 
Fesselung schreiten. Diese Maßregeln werden selbst 
gegen die Schiffsoffiziere nicht versagt. Der Ka- 
pitän ist der Dienstvorgesetzte der Schiffsoffiziere 
und der Schiffsmannschaft (Schiffsleute); die Of- 
fiziere sind die Vorgesetzten sämtlicher Schiffsleute. 
Als Schiffsoffiziere bezeichnet das Gesetz diejenigen 
zur Unterstützung des Kapitäns in der Führung 
des Schiffs bestimmten Angestellten, welche zur 
Ausübung ihres Dienstes eines staatlichen Be- 
Seerecht usw. 
  
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fähigungsnachweises bedürfen (Steuerleute, Ma- 
schinisten). Außerdem gelten als Schiffsoffiziere 
die Arzte, Proviant= und Zahlmeister. Vgl. die 
Seemannsordnung vom 2. Juni 1902, 88 2, 3, 
84 ff). Im Reichsgebiet darf niemand als Schiffs= 
mann in Dienst treten, bevor er sich über Namen, 
Geburtsort und Alter vor einem Seemannsamt 
ausgewiesen und von diesem ein Seefahrtsbuch 
ausgefertigt erhalten hat. Ist der Schiffsmann 
ein Deutscher, so darf er vor vollendetem 14. Le- 
bensjahr zur Ubernahme von Schiffsdiensten nicht 
zugelassen werden. Der Kapitän hat die Muste- 
rung (Anmusterung, Abmusterung) der Schiffs- 
mannschaft zu veranlassen. Die Anmusterung be- 
steht in der Verlautbarung des mit dem Schiffs= 
mann geschlossenen Heuervertrags vor einem See- 
mannsamt. Die Anmusterungsverh g wird 
vom Amt als Musterrolle ausgefertigt, die sich 
während der Reise an Bord befinden muß. Die 
Abmusterung erfolgt in entsprechender Weise. Sie 
wird vom Seemannsamt im Seefahrtsbuch des 
abgemusterten Seemanns und in der Musterrolle 
vermerkt (s. 8§8 7, 12, 13, 14, 18, 22 der See- 
mannsordnung). Der gesetzlich ausgestaltete 
Dienst= oder Heuerbertrag enthält eine Reihe von 
Bestimmungen, welche sich von sozialen Gesichts- 
punkten aus als zum Schutz der wirtschaftlich 
Schwachen erforderlich erwiesen hatten und der 
Abänderung durch private Abmachung entzogen 
werden mußten (88 27 ff). Für die Streitig- 
keiten zwischen Kapitän und Schiffsmann bildet 
das Seeamt eine Vergleichsbehörde. In bestimm- 
ten Grenzen ist es auch mit einer vorläufigen Ent- 
scheidungs= und Vollstreckungsgewalt ausgestattet 
(§§ 128 ff). Nicht unwichtig, namentlich im Hin- 
blick auf ihren vorbeugenden Charakter, ist end- 
lich die Bestimmung des § 58 der Seemannsord- 
nung, nach der ein Offizier oder — mindestens 
— 3 Schiffsleute beim Seeamt darüber, daß das 
Schiff, für das sie ausgemustert sind, nicht ser- 
tüchtig sei oder nicht genügenden Proviant mit 
sich führe, Beschwerde erheben und eine Unter- 
suchung veranlassen können. Das Reichsgesetz 
vom 2. Juni 1902 betr. die Stellenvermittlung 
für Schiffsleute enthält zweckentsprechende Vor- 
schriften, welche der Ausbeutung der Schiffsleute 
durch die sog. Heuerbase entgegentreten. — In 
gefährlichen Flußmündungen und auf ähnlichen 
Wasserstraßen pflegen zur Führung des Schiffs 
Lotsen (pilotes) herangezogen zu werden. Der 
Dienst der Lotsen (Sec-, Fluß= und Hafenlotsen) 
unter Leitung eines Lotsenkommandeurs ist staat- 
lich geregelt. Für die Haupthäfen an den alt- 
preußischen Küsten und für den Kaiser-Wilhelm- 
Kanal besteht Lotsenzwang. Der Lotse ist indessen 
kein Schiffsmann. Zur Schiffsbesatzung gehören 
auch nicht die Stauer — in Hamburg Schauer- 
leutegenannt —, welche die seemännische Einladung 
und die Löschung besorgen. 
Die Eigenart des Seeverkehrs hat Verträge be- 
sonderer Natur hervorgebracht und bekannten
	        
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