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viation) ausführen. Die Haftung des Schiffers
besteht nicht nur gegenüber dem Reeder, sondern
auch gegenüber den Ladungsinteressenten und ge-
wissen sonstigen Schiffsgläubigern. Als Ladungs-
beteiligte kommen in Betracht: der „Befrachter“,
welcher mit dem Reeder, als dem „Verfrachter“,
den Frachtvertrag abschließt (freighter, affré-
teur), der „Ablader“ — der von dem Befrachter
verschieden sein kann — d. h. wer die Ladung
(namentlich als Verkäufer, Einkaufskommissionär,
Spediteur) auf Grund des Frachtvertrags an das
Schiff abliefert (shipper, chargeur), und endlich
der Empfänger der Güter. Über alle Unfälle, die
sich während der Reise ereignen, sie mögen den
Verlust oder die Beschädigung des Schiffs oder
der Ladung, das Einlaufen in einen Nothafen
oder einen sonstigen Nachteil zur Folge haben,
muß der Schiffer unter Zuziehung einer genügen-
den Anzahl von Personen der Schiffsbesatzung
bei dem Amtsgericht eine Verklarung (beeidigte
Darstellung des Unfalls) ablegen. Die Verklarung
dient der Sicherung des Beweises, ihr Zweck ist
somit nicht die Wahrung öffentlicher, sondern
privater Interessen.
Den Pflichten des Schiffers entsprechen seine
Befugnisse und seine Gewalt. Durch ein Rechts-
geschäft, das der Schiffer als solcher außerhalb
des Heimathafens zum Zweck der Ausrüstung,
Bemannung, Verproviantierung und der Erhal=
tung des Schiffs sowie überhaupt zur Ausführung
der Reise schließt, Frachtverträge einbegriffen,
wird die Haftung des Reeders mit Schiff und
Fracht Dritten gegenüber begründet. Unter ganz
besondern Umständen ist der Schiffer sogar zum
öffentlichen Verkauf des Schiffs befugt (88§ 526 ffj.
Der Schiffer ist an Bord mit einer Art absoluter
Herrschergewalt ausgestattet (le seul maitre
après Dieu). Gegenüber den Passagieren be-
schränkt sich seine Gewalt freilich darauf, die Be-
obachtung der Schiffsordnung durchzusetzen. Da-
gegen ist dem Schiffer gegenüber der Besatzung
des Schiffs (den Schiffsoffizieren, der Schiffs=
mannschaft, den Steuerleuten, Maschinisten, Heizern,
sowie dem Arzt, Zahlmeister, Koch, den Stewards,
Musikern usw.) eine Strafgewalt verliehen wor-
den. Der Schiffsmann muß den dienstlichen Be-
fehlen des Kapitäns wie der sonstigen Vorgesetzten
unweigerlich Folge leisten. Im Fall einer Wider-
setzlichkeit oder bei beharrlichem Ungehorsam ist
der Kapitän zur Anwendung aller Mittel befugt,
welche erforderlich sind, um seinen Befehlen Ge-
horsam zu verschaffen. Nötigenfalls darf er zur
Fesselung schreiten. Diese Maßregeln werden selbst
gegen die Schiffsoffiziere nicht versagt. Der Ka-
pitän ist der Dienstvorgesetzte der Schiffsoffiziere
und der Schiffsmannschaft (Schiffsleute); die Of-
fiziere sind die Vorgesetzten sämtlicher Schiffsleute.
Als Schiffsoffiziere bezeichnet das Gesetz diejenigen
zur Unterstützung des Kapitäns in der Führung
des Schiffs bestimmten Angestellten, welche zur
Ausübung ihres Dienstes eines staatlichen Be-
Seerecht usw.
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fähigungsnachweises bedürfen (Steuerleute, Ma-
schinisten). Außerdem gelten als Schiffsoffiziere
die Arzte, Proviant= und Zahlmeister. Vgl. die
Seemannsordnung vom 2. Juni 1902, 88 2, 3,
84 ff). Im Reichsgebiet darf niemand als Schiffs=
mann in Dienst treten, bevor er sich über Namen,
Geburtsort und Alter vor einem Seemannsamt
ausgewiesen und von diesem ein Seefahrtsbuch
ausgefertigt erhalten hat. Ist der Schiffsmann
ein Deutscher, so darf er vor vollendetem 14. Le-
bensjahr zur Ubernahme von Schiffsdiensten nicht
zugelassen werden. Der Kapitän hat die Muste-
rung (Anmusterung, Abmusterung) der Schiffs-
mannschaft zu veranlassen. Die Anmusterung be-
steht in der Verlautbarung des mit dem Schiffs=
mann geschlossenen Heuervertrags vor einem See-
mannsamt. Die Anmusterungsverh g wird
vom Amt als Musterrolle ausgefertigt, die sich
während der Reise an Bord befinden muß. Die
Abmusterung erfolgt in entsprechender Weise. Sie
wird vom Seemannsamt im Seefahrtsbuch des
abgemusterten Seemanns und in der Musterrolle
vermerkt (s. 8§8 7, 12, 13, 14, 18, 22 der See-
mannsordnung). Der gesetzlich ausgestaltete
Dienst= oder Heuerbertrag enthält eine Reihe von
Bestimmungen, welche sich von sozialen Gesichts-
punkten aus als zum Schutz der wirtschaftlich
Schwachen erforderlich erwiesen hatten und der
Abänderung durch private Abmachung entzogen
werden mußten (88 27 ff). Für die Streitig-
keiten zwischen Kapitän und Schiffsmann bildet
das Seeamt eine Vergleichsbehörde. In bestimm-
ten Grenzen ist es auch mit einer vorläufigen Ent-
scheidungs= und Vollstreckungsgewalt ausgestattet
(§§ 128 ff). Nicht unwichtig, namentlich im Hin-
blick auf ihren vorbeugenden Charakter, ist end-
lich die Bestimmung des § 58 der Seemannsord-
nung, nach der ein Offizier oder — mindestens
— 3 Schiffsleute beim Seeamt darüber, daß das
Schiff, für das sie ausgemustert sind, nicht ser-
tüchtig sei oder nicht genügenden Proviant mit
sich führe, Beschwerde erheben und eine Unter-
suchung veranlassen können. Das Reichsgesetz
vom 2. Juni 1902 betr. die Stellenvermittlung
für Schiffsleute enthält zweckentsprechende Vor-
schriften, welche der Ausbeutung der Schiffsleute
durch die sog. Heuerbase entgegentreten. — In
gefährlichen Flußmündungen und auf ähnlichen
Wasserstraßen pflegen zur Führung des Schiffs
Lotsen (pilotes) herangezogen zu werden. Der
Dienst der Lotsen (Sec-, Fluß= und Hafenlotsen)
unter Leitung eines Lotsenkommandeurs ist staat-
lich geregelt. Für die Haupthäfen an den alt-
preußischen Küsten und für den Kaiser-Wilhelm-
Kanal besteht Lotsenzwang. Der Lotse ist indessen
kein Schiffsmann. Zur Schiffsbesatzung gehören
auch nicht die Stauer — in Hamburg Schauer-
leutegenannt —, welche die seemännische Einladung
und die Löschung besorgen.
Die Eigenart des Seeverkehrs hat Verträge be-
sonderer Natur hervorgebracht und bekannten