Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

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Schiffe in einem Schleppzug vereinigt, so erstreckt 
sich die Haftung nur auf dasjenige Schiff, welches 
den Schaden verursacht hat, und auf die Fracht 
dieses Schiffs. Der Schlepper und sein „An- 
hang“ gelten also nach Binnenschiffahrtsrecht nicht 
als eine Einheit, insbesondere ist das geschleppte 
Schiff nicht verantwortlich für ein Verschulden des 
Schleppers. So die neuere Rechtsprechung des 
Reichsgerichts und die herrschende Rechtslehre. 
Anders das Seerecht, wo gemäß dem englischen 
Rechtssprichwort the tug is the servant of the 
tow der durch ein Verschulden der Besatzung des 
Schleppers Geschädigte nicht auf diesen allein 
verwiesen, sondern auch das geschleppte Seeschiff, 
der eigentliche Träger des zugleich von ihm aus 
geleiteten gefahrbringenden Unternehmens, als 
Haftungsobjekt anerkannt wird. 
Bodmerei gibt es im Binnenschiffahrtsrecht 
nicht. Die Versicherung wird vom Binnenschiff- 
fahrtsgesetz ganz unberührt gelassen; die Lücke ist 
jetzt durch das Gesetz über den Versicherungs- 
vertrag vom 30. Mai 1908 (88 129 ff) ausgefüllt 
worden. Die Personenbeförderung wird vom 
Schiffahrtsgesetz nur im Gepäckparagraphen ge- 
streift (I77). Dagegen wird das wichtige Güter- 
frachtgeschäft im Anschluß an das Seefrachtrecht 
eingehend geregelt (§§8 26 ff). An die Stelle der 
seerechtlichen Ausdrücke Befrachter und Verfrachter 
treten die Bezeichnungen Absender und Fracht- 
führer. Das Konnossement wird ersetzt durch den 
Ladeschein, der im Verkehr auch wohl als Fluß- 
konnossement (Rheinkonnossement) bezeichnet wird. 
Der Ladeschein steht dem Seekonnossement in seinem 
Wesen gleich; auch der Ladeschein ermöglicht die 
rechtliche Ubergabe und den wirtschaftlichen Um- 
lauf des verladenen Guts schon während der 
Reise (Binnensch. Ges. §§ 72 ff; H.G.B. 8 450). 
Liegt hierfür kein Bedürfnis vor, so mag man sich 
mit dem Frachtbrief, einer gewöhnlichen Beweis- 
urkunde über den abgeschlossenen Frachtvertrag, 
begnügen. 
Literatur. E. Boyens, Das deutsche Seerecht 
auf Grund des Kommentars von Lewis (1 1897, 
II1 1901) 8§ 474/733; Lewis-Reatz-Schroeder, Das 
Seerecht, in Endemanns Handbuch des Handelsrechts 
IV (1884; auch in Sonderausgabe); Handbuch des 
Seerechts, in Bindings systemat. Handbuch der deut- 
schen Rechtswissenschaft III, 3, Bd 1 von Wagner, 
Personen des Seerechts (1884), Bd 2 von Pappen- 
heim, Sachen des Seerechts, Heuervertrag (1906); 
Loewe, Seehandel, in Makowers Kommentar zum 
Handelsgesetzbuch II (1900); G. Schaps, Das deut- 
sche Seerecht mit Ausnahme des Seeversicherungs- 
rechts, Kommentar (1906); A. Sieveking, Das 
deutsche Seerecht mit Ausschluß des Seeversiche- 
rungsrechts (1907; auch in engl. Sprache erschienen); 
Brandis, Das deutsche Seerecht mit Ausschluß des 
Seeversicherungsrechts (1908; 2 Tle, Sammlung 
Göschen); E. Brodmann, Die Seegesetzgebung des 
Deutschen Reichs (1906); Voigt-Seebohm, See- 
versicherungsrecht (1887); Wüstendörfer, Studien 
zur modernen Entwicklung des Seefrachtvertrags 
(1905/10); Mittelstein, Binnenschiffahrtsrecht 
  
Seewesen — Selbstmord. 
  
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(21903); Förtsch, Binnenschiffahrtsgesetz (21900); 
Landgraf, Binnenschiffahrtsgesetz (1896). — Ab- 
bott, Treatise of the Law relative to Mer- 
chant Ships and Seamen (seit 1802, neue Auflage 
1901); Maude u. Pollock, Compendium of the 
Law of Merchant Shipping (seit 1853, neue Aufl. 
1881); Maclaehlan, Treatise of the Law of Mer- 
chant Shipping (seit 1860, neue Aufl. 1880); 
Pritchards Digest of Admiralty and Maritime 
Law (seit 1847, neue Aufl. 1887); Aspinall, Re- 
ports of Cases Relating to Maritime Law (seit 
1870); Carver, Cariage of Goods by Sea (seit 
1885, neue Aufl. 1909); Serutton, Charterparties 
and Bills of Lading (seit 1886, neue Aufl. 1904); 
Marsden, Collisions at Sea (51904); Arnould, 
On the Law of Marine Insurance and Average 
(11909). — A. Desjardins, Traité du droit com- 
mercial maritime (9 Bde, 1878/90); de Valroger, 
Droit maritime (5 Bde, 1883/86); Lyon-Caen u. 
Renault, Traité de droit commercial V u. VI (seit 
1895, 11901/02). (Burlage.] 
Seewesen s. Schiffahrt. 
Sekundogenitur s. Apanage, Familien= 
fideikommiß. 
Selbstmord. (Begriff; Beurteilung; Mo- 
derne Verteidiger des Selbstmords; Ungenügende 
Argumente gegen den Selbstmord; Selbstmord- 
frequenz und Einfluß der Religion bzw. Kon- 
fession.) 
I. Begriff. Der Selbstmord bestimmt sich als 
jene Selbsttötung oder jene Überantwortung des 
Lebens in eine unmittelbare und absolute Todes- 
gefahr, wobei die Hauptabsicht auf die Vernich- 
tung des eignen Lebens gerichtet ist. Er ist ein 
Akt, durch welchen „die unmittelbare Todes- 
wirkung an dem Handelnden selbst durch diesen 
selbst mit Absicht herbeigeführt wird“ (v. Mayr, 
Selbstmordstatistik 698). Nicht unter den Begriff 
des Selbstmords im moralischen Sinn fällt die 
Selbsttötung im Zustand psychischer Störung, 
die eine Zurechnungsfähigkeit des Handelnden 
ausschließt, wenngleich im gewöhnlichen Leben 
und in der Statistik auch jene Selbsttötung als 
Selbstmord bezeichnet wird, die im Zustand 
geistiger Störung geschieht. Selbstmord ist auch 
nicht der sog. indirekte Selbstmord, bei welchem 
der Tod als notwendige und natürliche Folge 
eignen Verhaltens, z. B. als Folge von Alkohol- 
mißbrauch, geschlechtlichen Ausschweifungen, an- 
dauernder Überarbeitung oder von unsinniger 
Aszese eintritt, ohne daß die Absicht direkt auf 
Abkürzung des Lebens gerichtet wäre. Endlich 
gibt es eine Art Selbsttötung, die nicht Selbst- 
mord, sondern heroische Selbstaufopferung ist, 
durch die jemand das eigne Leben preis gibt, um 
ein hohes Gut des Nächsten bzw. der Gesellschaft 
zu retten. 
II. Beurlkeilung. Der Selbstmord ist eines 
der unheimlichsten Phänomene, die sich an die 
moderne Kulturentwicklung heften; er ist ein Ge- 
biet, auf welchem Laster, Wahnsinn, Verbrechen, 
kurz, die dunkelsten Nachtseiten des Menschenlebens 
ihre Heimstätte haben. Vom christlichen Stand-
	        
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