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Schiffe in einem Schleppzug vereinigt, so erstreckt
sich die Haftung nur auf dasjenige Schiff, welches
den Schaden verursacht hat, und auf die Fracht
dieses Schiffs. Der Schlepper und sein „An-
hang“ gelten also nach Binnenschiffahrtsrecht nicht
als eine Einheit, insbesondere ist das geschleppte
Schiff nicht verantwortlich für ein Verschulden des
Schleppers. So die neuere Rechtsprechung des
Reichsgerichts und die herrschende Rechtslehre.
Anders das Seerecht, wo gemäß dem englischen
Rechtssprichwort the tug is the servant of the
tow der durch ein Verschulden der Besatzung des
Schleppers Geschädigte nicht auf diesen allein
verwiesen, sondern auch das geschleppte Seeschiff,
der eigentliche Träger des zugleich von ihm aus
geleiteten gefahrbringenden Unternehmens, als
Haftungsobjekt anerkannt wird.
Bodmerei gibt es im Binnenschiffahrtsrecht
nicht. Die Versicherung wird vom Binnenschiff-
fahrtsgesetz ganz unberührt gelassen; die Lücke ist
jetzt durch das Gesetz über den Versicherungs-
vertrag vom 30. Mai 1908 (88 129 ff) ausgefüllt
worden. Die Personenbeförderung wird vom
Schiffahrtsgesetz nur im Gepäckparagraphen ge-
streift (I77). Dagegen wird das wichtige Güter-
frachtgeschäft im Anschluß an das Seefrachtrecht
eingehend geregelt (§§8 26 ff). An die Stelle der
seerechtlichen Ausdrücke Befrachter und Verfrachter
treten die Bezeichnungen Absender und Fracht-
führer. Das Konnossement wird ersetzt durch den
Ladeschein, der im Verkehr auch wohl als Fluß-
konnossement (Rheinkonnossement) bezeichnet wird.
Der Ladeschein steht dem Seekonnossement in seinem
Wesen gleich; auch der Ladeschein ermöglicht die
rechtliche Ubergabe und den wirtschaftlichen Um-
lauf des verladenen Guts schon während der
Reise (Binnensch. Ges. §§ 72 ff; H.G.B. 8 450).
Liegt hierfür kein Bedürfnis vor, so mag man sich
mit dem Frachtbrief, einer gewöhnlichen Beweis-
urkunde über den abgeschlossenen Frachtvertrag,
begnügen.
Literatur. E. Boyens, Das deutsche Seerecht
auf Grund des Kommentars von Lewis (1 1897,
II1 1901) 8§ 474/733; Lewis-Reatz-Schroeder, Das
Seerecht, in Endemanns Handbuch des Handelsrechts
IV (1884; auch in Sonderausgabe); Handbuch des
Seerechts, in Bindings systemat. Handbuch der deut-
schen Rechtswissenschaft III, 3, Bd 1 von Wagner,
Personen des Seerechts (1884), Bd 2 von Pappen-
heim, Sachen des Seerechts, Heuervertrag (1906);
Loewe, Seehandel, in Makowers Kommentar zum
Handelsgesetzbuch II (1900); G. Schaps, Das deut-
sche Seerecht mit Ausnahme des Seeversicherungs-
rechts, Kommentar (1906); A. Sieveking, Das
deutsche Seerecht mit Ausschluß des Seeversiche-
rungsrechts (1907; auch in engl. Sprache erschienen);
Brandis, Das deutsche Seerecht mit Ausschluß des
Seeversicherungsrechts (1908; 2 Tle, Sammlung
Göschen); E. Brodmann, Die Seegesetzgebung des
Deutschen Reichs (1906); Voigt-Seebohm, See-
versicherungsrecht (1887); Wüstendörfer, Studien
zur modernen Entwicklung des Seefrachtvertrags
(1905/10); Mittelstein, Binnenschiffahrtsrecht
Seewesen — Selbstmord.
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(21903); Förtsch, Binnenschiffahrtsgesetz (21900);
Landgraf, Binnenschiffahrtsgesetz (1896). — Ab-
bott, Treatise of the Law relative to Mer-
chant Ships and Seamen (seit 1802, neue Auflage
1901); Maude u. Pollock, Compendium of the
Law of Merchant Shipping (seit 1853, neue Aufl.
1881); Maclaehlan, Treatise of the Law of Mer-
chant Shipping (seit 1860, neue Aufl. 1880);
Pritchards Digest of Admiralty and Maritime
Law (seit 1847, neue Aufl. 1887); Aspinall, Re-
ports of Cases Relating to Maritime Law (seit
1870); Carver, Cariage of Goods by Sea (seit
1885, neue Aufl. 1909); Serutton, Charterparties
and Bills of Lading (seit 1886, neue Aufl. 1904);
Marsden, Collisions at Sea (51904); Arnould,
On the Law of Marine Insurance and Average
(11909). — A. Desjardins, Traité du droit com-
mercial maritime (9 Bde, 1878/90); de Valroger,
Droit maritime (5 Bde, 1883/86); Lyon-Caen u.
Renault, Traité de droit commercial V u. VI (seit
1895, 11901/02). (Burlage.]
Seewesen s. Schiffahrt.
Sekundogenitur s. Apanage, Familien=
fideikommiß.
Selbstmord. (Begriff; Beurteilung; Mo-
derne Verteidiger des Selbstmords; Ungenügende
Argumente gegen den Selbstmord; Selbstmord-
frequenz und Einfluß der Religion bzw. Kon-
fession.)
I. Begriff. Der Selbstmord bestimmt sich als
jene Selbsttötung oder jene Überantwortung des
Lebens in eine unmittelbare und absolute Todes-
gefahr, wobei die Hauptabsicht auf die Vernich-
tung des eignen Lebens gerichtet ist. Er ist ein
Akt, durch welchen „die unmittelbare Todes-
wirkung an dem Handelnden selbst durch diesen
selbst mit Absicht herbeigeführt wird“ (v. Mayr,
Selbstmordstatistik 698). Nicht unter den Begriff
des Selbstmords im moralischen Sinn fällt die
Selbsttötung im Zustand psychischer Störung,
die eine Zurechnungsfähigkeit des Handelnden
ausschließt, wenngleich im gewöhnlichen Leben
und in der Statistik auch jene Selbsttötung als
Selbstmord bezeichnet wird, die im Zustand
geistiger Störung geschieht. Selbstmord ist auch
nicht der sog. indirekte Selbstmord, bei welchem
der Tod als notwendige und natürliche Folge
eignen Verhaltens, z. B. als Folge von Alkohol-
mißbrauch, geschlechtlichen Ausschweifungen, an-
dauernder Überarbeitung oder von unsinniger
Aszese eintritt, ohne daß die Absicht direkt auf
Abkürzung des Lebens gerichtet wäre. Endlich
gibt es eine Art Selbsttötung, die nicht Selbst-
mord, sondern heroische Selbstaufopferung ist,
durch die jemand das eigne Leben preis gibt, um
ein hohes Gut des Nächsten bzw. der Gesellschaft
zu retten.
II. Beurlkeilung. Der Selbstmord ist eines
der unheimlichsten Phänomene, die sich an die
moderne Kulturentwicklung heften; er ist ein Ge-
biet, auf welchem Laster, Wahnsinn, Verbrechen,
kurz, die dunkelsten Nachtseiten des Menschenlebens
ihre Heimstätte haben. Vom christlichen Stand-