Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

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auch hoffen läßt, daß sie für immer dem Dienst 
der Kirche sich widmen werden. Die heilige Syn- 
ode will, daß vornehmlich Söhne von armen Eltern 
ausgewählt werden, schließt aber damit die Kinder 
der Reichen keineswegs aus, wofern sie auf ihre 
Kosten Unterhalt genießen und das Bestreben an 
den Tag legen, Gott und der Kirche zu dienen. 
Diese Knaben wird der Bischof in so viele Klassen, 
als ihm gut scheint, einteilen mit Rücksicht auf ihre 
Zahl, ihr Alter und ihre Fortschritte im kirchlichen 
Unterricht; er wird sie teils dem Kirchendienst 
widmen, teils im Kollegium zum Unterricht zurück- 
behalten und die Stelle der Ausgetretenen wieder 
mit andern besetzen, auf daß dieses Kollegium eine 
fort und fort dauernde Pflanzschule — ein per- 
petuum seminarium — von Dienern Gottes 
sei.“ Weiter wird dann noch bestimmt, daß für 
die Einrichtung der Seminarien sich die Bischöfe 
zwei ihrer geeignetsten Kanoniker an die Seite 
stellen, durch eine besondere Besteuerung des Klerus 
sowie auch durch etwaige Union einfacher Bene- 
fizien sich die Mittel zur Gründung und Unter- 
haltung des Seminars beschaffen und für die Ver- 
waltung der Einkünfte sich der Beihilfe einiger 
Geistlichen bedienen sollten (Conc. Trid. sess. 
23, c. 18 de ref.). 
Es handelt sich demnach in diesem Dekret nicht 
um einen Rat, sondern um eine die Bischöfe 
bindende Verpflichtung zur Errichtung von Se- 
minarien. Es sollen darin die Aspiranten des 
geistlichen Stands von Jugend auf, unverdorben 
und unberührt vom Weltsinn und der Sünde, 
unmittelbar aus dem Schoß der christlichen Fa- 
milie eintreten, um hier ein zweites Vaterhaus zu 
finden und zu wohl unterrichteten und frommen 
Dienern der Kirche herangezogen zu werden. Be- 
zeichnend genug werden die neu zu begründenden 
Anstalten abwechselnd bald Kollegien bald Semi- 
narien genannt, um einerseits den geschichtlichen 
Zusammenhang zu wahren, anderseits den beab- 
sichtigten Fortschritt zum Besseren anzudeuten. Der 
neue Name ist überall in Geltung gekommen, so 
jedoch, daß diese Institute bald als Klerikal= bald 
als Priesterseminarien bezeichnet werden, je nach 
den verschiedenen Gesichtspunkten, unter denen 
man sie betrachtet. Die vom Konzil selbst ge- 
wünschte Teilung der Zöglinge in verschiedene 
Klassen veranlaßte frühzeitig den Unterschied der 
kleinen und großen Seminarien, dergestalt, daß 
die Alumnen der ersteren noch in den vorbereiten- 
den humanistischen Studien sich befinden, die der 
letzteren aber Theologie studieren. Genießen die 
Zöglinge den wissenschaftlichen Unterricht nicht im 
Haus selbst, sondern besuchen sie eine außerhalb 
desselben bestehende Anstalt — Gymnasium, Uni- 
versität —, so heißen solche kirchliche Erziehungs- 
anstalten gewöhnlich Gymnasialkonvikte, theolo- 
gische Konvikte. Nach den Voraussetzungen des 
Konzils von Trient soll zwar der Unterricht im 
Haus (Seminar) selbst erteilt werden, aber es ver- 
stößt nicht gegen das Wesen eines tridentinischen 
Seminarien. 
  
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Seminars, wenn die Zöglinge Unterrichtsanstalten 
außerhalb des Hauses besuchen, wie dies z. B. 
selbst bei den Zöglingen des Collegium Ger- 
manicum und anderer römischen Seminarien der 
Fall ist, wenn nur der Zweck des Seminars auch 
so erreicht wird. Solche Seminarien dürfen ohne 
Erlaubnis des Papstes Mönchen nicht übergeben 
werden, und diese wird nur unter der Bedingung 
erteilt, daß die Jurisdiktion des Bischofs gewahrt 
bleibe (S. C. C. 13 Iun. 1722 in Act. S. Sed. III 
57). Die Teilung der Zöglinge, ihre Beaufsich- 
tigung und Versetzung, die Sorge für ihre wissen- 
schaftliche, aszetische und praktische Ausbildung, 
die Auswahl der neu Aufzunehmenden wird den 
Diözesanbischöfen zur persönlichen Pflicht gemacht 
und damit in heilsamster Weise die apostolische 
Ordnung, wo und wieweit sie in Abgang ge- 
kommen war, wiederhergestellt sowie auch der Rück- 
kehr von übelständen vorgebeugt, die durch die 
Vernachlässigung dieser Pflicht zum größten 
Schaden der Kirche eingetreten waren. 
Wenn die Seminarien ausschließlich bischöfliche 
Anstalten sein sollten, so erklärt es sich auch, wes- 
halb in dem Dekret über dieselben der Universitäten 
keine Erwähnung geschieht, welche ihre Privilegien 
direkt vom Heiligen Stuhl haben. Es ist dem- 
nach schon aus diesem Grund die Ansicht durch- 
aus falsch, wonach durch das Seminardekret des 
Tridentinums die Hochschulen bzw. die theolo- 
gischen Fakultäten an denselben hätten überflüssig 
gemacht oder unterdrückt werden sollen. Nichts 
konnte, wie die Verhältnisse lagen, den Bätern 
fermner liegen als eine Herabsetzung des Ansehens 
und der Wirksamkeit der damaligen Universitäten. 
Zu den schönsten Schöpfungen der Kirche gehörend, 
von den Päpsten besonders belobt, bevorzugt und 
ausgezeichnet, hatten diese ehrwürdigen Korpora- 
tionen gerade in der Zeit der letzten kirchlichen 
Revolution meist treu zur Kirche gestanden, ihre 
Lehre und Disziplin verteidigt und dafür von 
den Neuerern Schmach, Spott und Verfolgung 
gelitten. Wenn man ihnen neuerdings, nach dem 
Vorgang von Thomassin, Theiner u. a., einen 
großen Teil der Schuld an dem sittlichen Verfall 
des Klerus im 15. und 16. Jahrh. hat aufbürden 
wollen, so ist das schon deshalb nicht zutreffend, 
weil die Universitäten des Mittelalters nicht als 
erste Aufgabe hatten, ihre Scholaren für den 
Empfang der Weihen oder für die Ausübung der 
Seelsorge, sondern vornehmlich für die Erwerbung 
der akademischen Grade und das wissenschaftliche 
Lehramt vorzubereiten. Die tridentinischen Väter, 
meistens selbst auf diesen Universitäten vorgebildet 
und graduiert, haben deshalb nicht nur kein Wort 
des Mißtrauens oder des Tadels gegen diese In- 
stitute ausgesprochen, sondern im Gegenteil alle 
ihre Privilegien aufrechterhalten, z. B. bei den 
Bestimmungen über das Patronatsrecht, über die 
Erfordernisse zur bischöflichen Würde usw. (Conc. 
Trid. sess. 7, c. 13 de ref.; 22, c. 6 de ref.; 
25, c. 6 de ref.). Ebenso hat auch der Aposto-
	        
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