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lische Stuhl in den seit jener Zeit erlassenen Bullen
(wie neuestens noch durch Gründung der Hoch-
schulen von Washington und Freiburg i. Schw.,
durch Gewährung des Promotionsrechts für die
theologischen Fakultäten an den Universitäten in
Breslau und Bonn und durch Neuerrichtung einer
theologischen Fakultät an der Universität Straß-
burg) die hohe Bedeutung der Universitäten für
die Kirche und die wissenschaftliche Heranbildung
des Klerus stets hervorgehoben und ihre Vorrechte
geschützt. Kardinal Hergenröther hat in einem
wiederholt nachgedruckten Aufsatz (zuerst Chilia-
neum 1869, 1 438) ausführlich nachgewiesen, daß
die Universitäten und Seminarien auch noch gegen-
wärtig nicht Konkurrenzanstalten sind, sondern
sich gegenseitig ergänzen, und nachdrücklich betont,
daß da, „wo die Bedingungen für eine gedeihliche
und erfolgreiche Durch= und Weiterbildung ge-
geben sind, die anderwärts nicht so leicht sich her-
stellen lassen, das Aufgeben oder eine Destruktion
der theologischen Fakultät irgend einer Hochschule
oder eine Abberufung aller Kleriker von derselben
nicht zu rechtfertigen wäre; kaum könnte die Kirche
ihren Todfeinden einen größeren Gefallen er-
weisen“.
Die segensreichen Folgen des tridentinischen
Seminardekrets liegen jetzt, nach dem Verlauf von
mehrals drei Jahrhunderten, klar vor unsern Augen.
Sofort nach dem Schluß des Konzils beeiferten sich
die tüchtigsten Bischöfe, das Dekret in ihren
Sprengeln zu verkündigen und in Ausführung zu
bringen, allen voran die Kardinäle Karl Borro-=
mäus, Stanislaus Hosius, Otto von Truchseß,
Karl von Lothringen. Ihrem Beispiel folgten die
meisten Oberhirten, so daß man bis zum Schluß
des 16. Jahrh. in den verschiedenen Ländern schon
gegen 1000 Seminarien zählte. Heute kann man
sagen, daß das genannte Dekret, wenn auch nicht
dem Wortlaut, so doch der Sache nach, soweit es
unter den mitunter sehr schwierigen staatlichen und
sozialen Verhältnissen überhaupt angänglich ist,
überall in der katholischen Welt durchgeführt ist.
Dazu kommt noch, daß im Mittelpunkt der
Christenheit, in der ewigen Stadt, unter den Augen
des Heiligen Vaters nach und nach ca 30 Kol-
legien bzw. Seminarien entstanden sind, in wel-
chen nicht bloß aus Rom und Italien, sondern
aus den meisten Ländern und Nationalitäten des
Erdkreises auserlesene Jünglinge eine vortreffliche
Vorbildung für das Priestertum erhalten. Es mag
hier genügen, das älteste darunter — das schon
erwähnte Deutsche Kollegium — und das uni-
versellste, die Propaganda mit ihrer polyglotten
Akademie und ihrem Sprachenfest besonders her-
vorzuheben (vgl. Kirchenlexikon III2 610 ff). Be-
kannt ist auch die Reformtätigkeit Pius' X. bezüg-
lich der italienischen Seminarien, indem er vor
allem eine Konzentration derselben in den Metro-
politanstädten anstrebt. Wenn die katholische
Kirche trotz des großen Abfalls im 16. Jahrh.
gegenwärtig größer und geeinigter als je dasteht,
Seminarien.
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so haben ihre Seminarien einen wesentlichen An-
teil an dieser Blüte. Die einzelnen Anstalten
mögen ihre Mängel gehabt haben und noch haben
— Vollkommenes ist hier wie überall schwer zu
erreichen —, die Seminaranstalt als solche, be-
ruhend auf dem Prinzip der Autorität, Ordnung,
Weltentsagung, Konzentration, Wissenschaft und
Frömmigkeit, ist durch die entscheidende Stimme
der Kirche, die in zahlreichen Provinzial- und
Diözesansynoden sich darüber ausgesprochen hat,
gutgeheißen und durch die Erfahrung der Jahr-
hunderte bewährt. Selbst ihre Gegner, von
Martin Chemnitz ab bis auf die Verfasser des
preußischen Gesetzes vom 11. Mai 1878 und der
Novellen dazu vom 21. Mai 1886 und vom
29. April 1887, haben wohl oder übel die Be-
deutung der kirchlichen Seminarien anerkennen
müssen, und oft genug wird der Mangel ähnlicher
Anstalten auf akatholischer Seite beklagt. Die
tridentinischen Väter haben eben recht gehabt, als
sie mit weitem Blick in die Zukunft am Schluß
der denkwürdigen 23. Sitzung nach Pallavicinis
Bericht (Hist. Conc. Trid. 1. 21, c. 8, n. 3)
sich dahin aussprachen, daß wenn das Konzil
weiter nichts bewirkt hätte als diese Restauration
der kirchlichen Bildungsanstalten, dies allein ge-
nügen würde, um alle hier aufgewendete Mühe
reichlich zu belohnen. Dabei soll aber nochmals
hervorgehoben werden, daß dasselbe durch obige
Bestimmungen die Universitäten bzw. das theolo-
gische Studium an denselben nicht hat beeinträch-
tigen wollen. Ist bei Besetzung der katholisch-
theologischen Fakultäten der Kirche der nötige
Einfluß gewährt und bei den Studierenden durch
Konvikte oder Alumnate die nötige aszetische Aus-
bildung gesichert, so dürfte sogar das Studium der
Theologie an den Universitäten manche Vorteile
vor dem an den Seminarien unter den heutigen
Verhältnissen bieten. Deshalb muß die Antwort
auf die Frage: Universität oder Seminar 7 lauten:
Universität und Seminar; beide müssen sich er-
gänzen.
Obgleich die Erziehung des Klerus als eine
rein innerkirchliche Angelegenheit der alleinigen
Kompetenz der Leiter der Kirche zusteht, so haben
sich doch die meisten Staaten in dieser Beziehung
Rechte beigelegt, welche jene der Bischöfe besonders
hinsichtlich der Errichtung und Leitung von Se-
minarien zur Heranbildung des Klerus vielfach
beeinträchtigen. Vorab sei bemerkt, daß in
Sachsen zu einem geistlichen Amt gar nicht be-
rufen werden darf, wer in einem unter Leitung
des Jesuitenordens oder einer diesem Orden ver-
wandten religiösen Genossenschaft stehenden Se-
minar seine Vorbildung erhalten hat (Ges. vom
23. Aug. 1876, § 21). Im Großherzogtum
Baden darf der, welcher seine Studien an einer
Anstalt gemacht hat, an der Jesuiten oder Mit-
glieder anderer, verwandter Orden lehren, vom
dreijährigen Besuch einer deutschen Staatsuniver=
sität nicht dispensiert werden (Ges. vom 9. Febr.