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Gegen die polizeiliche Reglementierung wird
nicht ohne Grund eingewendet, daß sie sich ge-
wissermaßen als ein der Würde des Staats nicht
entsprechender Pakt mit dem Laster darstelle und
in direktem Widerspruch mit der grundsätzlichen
Verwerflichkeit der gewerbsmäßigen Unzucht stehe.
Nach dem Schlußsatz des § 361, Nr 6 ist der
gewerbsmäßige Unzuchtsbetrieb von Frauensper-
onen, die der polizeilichen Aufsicht nicht unter-
stellt sind, mit Strafe bedroht; er wird aber straf-
frei, wenn die betreffenden Personen sich unter
polizeiliche Kontrolle stellen. Die polizeiliche
Kontrolle macht also straffrei, was an sich
strafbar ist und tatsächlich auch bestraft wird; sie
gewährt mithin im wahren Sinn des Worts die
Konzession zum Unzuchtsbetrieb. Dieser un-
leugbare innere Widerspruch ist eine notwendige
Folge von dem grundsätzlich jedenfalls nicht zu
billigenden Standpunkt, daß der Staat die ge-
werbsmäßige Unzucht als ein notwendiges
Übel zu dulden habe. Die Nützlichkeitsgründe, die
für die Duldung und Reglementierung angegeben
werden: daß jedenfalls das Laster eingedämmt und
die Gefahr der Ansteckung verringert werde, müssen
nach den Erfahrungen, die auf diesem Gebiet von
Autoritäten gesammelt worden sind, zum mindesten
als sehr zweifelhaft bezeichnet werden. Anderseits
aber ist nicht zu bestreiten, daß durch eine strengere
Bestrafung die Ausschreitungen der Prostitution
und die Gefahr für die öffentliche Moral und Ge-
sundheit erheblich verringert werden müßten. Daß
insbesondere die reglementmäßige ärztliche Unter-
suchung keine Gewähr für die Freiheit von Ge-
schlechtskrankheiten gibt, wird allerseits zugegeben.
Anderseits aber liegt eine große Gefahr darin, daß
die Prostituierte auf Grund der ärztlichen Unter-
suchung, der sie unterworfen ist, den trügerischen
Schein des Freiseins von ansteckender Krankheit
für sich hat.
Von großer Bedeutung auf dem Gebiet der
Sittenpolizei und sehr umstritten ist die Frage der
Kasernierung des Unzuchtsbetriebs, also das
Bordellwesen. Manche erhoffen von der
Kasernierung des Lasters sowohl die Säuberung
der Straßen von dem schamlosen Treiben der
Dirnen als auch, wegen der erleichterten ärztlichen
Kontrolle, den wirksamsten Schutz gegen die Ge-
fahr der Ansteckung. Das könnte, wenigstens in
einem gewissen Maß, zutreffen, wenn es möglich
wäre, eine völlige Kasernierung durchzuführen,
so daß ein gewerbsmäßiger Unzuchtsbetrieb außer-
halb der Bordelle gar nicht oder doch nur in be-
schränktem Umfang noch stattfinden würde. Wie
aber sollte zu ermöglichen sein, alle der Prostitution
ergebenen Frauenspersonen in Bordelle unter-
zubringen! Obgleich sich die Kasernierung selbst-
redend nur auf diejenigen Prostituierten erstrecken
könnte, die der Polizei als Dirnen bekannt sind
und unter polizeilicher Kontrolle stehen, so würde
schon die Unterbringung allein dieser Kontrollierten
große Schwierigkeiten bieten. Nun aber ist die
Sittenpolizei.
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Zahl derjenigen Frauenspersonen, die, ohne der
Kontrolle unterstellt zu sein, weil sie ihr Treiben
vor der Polizei zu verheimlichen wissen, das Laster
gewerbsmäßig treiben, ungleich höher als die Zall
der Inskribierten; es wird ziemlich allgemein an-
genommen, daß sie sich auf das Sieben= bis Zehn-
fache beläuft. Diese Personen würden also auch
fernerhin außerhalb der Bordelle ihrem Gewerbe
nachgehen, so daß von einer Eindämmung des
Lasters oder auch nur von einer nennenswerten
Verringerung der Ansteckungsgefahr nicht die Rede
sein kann. Es ist denn auch festgestellt, daß in
Städten, in welchen bisher Bordelle nicht bestau-
den, nach Einführung der letzteren die Zahl der
Prostituierten, anstatt abzunehmen, in auffallender
Weise gewachsen ist und die Fälle der Ansteckung
sich vermehrt haben. Die Erleichterung des ge-
schlechtlichen Verkehrs durch die Einrichtung der
Bordelle hat eben naturgemäß auch eine größere
Verbreitung des Lasters zur Folge. Gerade in
dieser Erleichterung des Unzuchtsbetriebs, noch
mehr aber in der heillosen Verwirrung des Moral-
begriffs, die dadurch im Volk herbeigeführt werden
muß, daß das Laster öffentlich für straflos erklärt,
gewissermaßen privilegiert und ihm ein staatlich
gesichertes Heim gewährt wird, liegt das schwere,
zi- wegzuräumende Bedenken gegen das Bordell-
wesen.
Zurzeit ist die Einrichtung von Bordellen durch
die Bestimmungen des Strafgesetzbuchs gegen die
Kuppelei untersagt. Die Polizeibehörde zeigt aber
gegenüber der Umgehung dieses Verbots durch
Einrichtung sog. „geheimer“ Bordelle, Absteige-
quartiere, Animierkneipen usw. eine solche Dul-
dung und Nachsicht, daß im Publikum durchweg
die Meinung besteht, die Bordelle seien gesetzlich
gestattet, wenn durch den Betrieb derselben nur nicht
die Offentlichkeit in unangenehmer Weise berührt
werde. Inzwischen wächst die Zahl der Prosti-
tuierten wenigstens in allen größeren Städten in
erschreckendem Maß, und zwar weit über das pro-
zentuale Verhältnis des Zuwachses der Bevölke-
rung hinaus. In zahlreichen Städten sind die
Polizeibehörden und die kommunalen Vertretungs-
körperschaften zur Beratung von Maßnahmen
gegen das überhandnehmende Prostitutionsun-
wesen zusammengetreten. Es ist hierbei eine auf-
fallende Erscheinung, daß meistenteils diejenigen
Städte, in denen bisher der Bordellbetrieb mehr
oder weniger unterdrückt war, eine Besserung der
Zustände von der uneingeschränkten Zulassung
dieses Betriebs, also der gesetzlichen Konzessio-
nierung, erwarten, daß dagegen diejenigen Städte,
in denen die Bordellwirtschaft bisher schon un-
behindert betrieben wurde, nach Aufhebung dieser
Stätten des Lasters im Interesse der Hebung der
öffentlichen Sittlichkeit verlangen. Ein Beweis
der allseitigen Ratlosigkeit gegenüber dem wachsen-
den Unzuchtsbetrieb! Alle diese Moßnahmen
treffen das ÜUbel nicht an der Wurzel. Durch
Konzessionen, die man dem Laster macht, wird