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sitzes, des Briefgeheimnisses, Schutz vor Verhaf-
tungen ohne richterlichen Befehl (außer bei Er-
tappung auf frischer Tat), vor administrativer
Verbannung oder Anweisung eines Zwangswohn-
sitzs u. dgl. Die Ausländer genießen mit
Ausnahme des aktiven und passiven Wahlrechts
für den Kongreß und die Staatsämter die gleichen
Rechte wie die peruanischen Bürger, können unter
den gleichen Bedingungen und Verpflichtungen
Grundeigentum, Bergwerkskonzessionen usw. er-
werben, Unterricht erteilen u. dgl. Die Naturali-
sation von Ausländern ist sehr erleichtert; Natu-
ralisierte haben die gleichen politischen Rechte wie
die Peruaner von Geburt mit einigen Ausnahmen
(können nicht zu Präsidenten, Senatoren, Ab-
geordneten und höheren Richtern gewählt werden).
Rechtspflege. Die richterliche Gewalt wird
ausgeübt durch den höchsten Gerichtshof in Lima
(Obertribunal), dessen Präsident, neun Räte (vo-
cales) und zwei Staatsanwälte vom Kongreß aus
der doppelten, von der Regierung vorgeschlagenen
Zahl von Kandidaten erwählt werden; „höhere“
Gerichtshöfe, deren Mitglieder von der Exekutive
ernannt werden, können in jedem Departement
errichtet werden (zurzeit bestehen neun), Gerichte
erster Instanz in jeder Provinz, Friedensgerichte
in jedem Distrikt. Daneben bestehen noch für ein-
zelne Zweige der Rechtspflege ein Handelsgericht
(Tribunal del Consulado), ein Berggericht und
Wasserrichter in den Munizipalitäten. In Gel-
tung sind das Zivilgesetzbuch von 1852, das teils
dem alten spanischen Gesetz teils dem Code Na-
poléon folgt, und das Strafgesetzbuch von 1862.
Armee und Marine. Nach dem Gesetz vom
27. Dez. 1898 soll jeder Peruaner 3 Jahre in
der Infanterie oder 4 Jahre in der Kavallerie des
stehenden Heers, 7 Jahre in der ersten und 5 Jahre
in der zweiten Reserve und 15 Jahre in der Na-
tionalgarde dienen. Die jährliche Aushebungs-
quote wird durch den Kriegsminister bestimmt, um
die Lücken auszufüllen. Stellvertretung ist ge-
stattet; die nicht ausgehobenen Wehrpflichtigen
gehören der Nationalgarde an. Die Friedensstärke
ist auf 4000 Mann festgesetzt; daneben gibt es an
2500 Mann Polizeitruppen. Im Frieden bestehen
1 Feldartillerieregiment, 5 Bataillone Infanterie,
7 Eskadrons Kavallerie und 1 Militärschule. 1906
wurden 1 Feldartillerieabteilung und 1 Abteilung
Fußartillerie und Sappeure neu errichtet. Ein
neues Wehrgesetz ist vom peruanischen General-
stab ausgearbeitet worden. Die Kriegsflotte ging
im Krieg mit Chile größtenteils verloren; sie be-
steht aus 1 Kreuzer von 1886 (1700 Tonnen,
2 Geschütze), 2 geschützten Kreuzern (je 3200
Tonnen), 1 Kreuzer von 1894 (3263 Tonnen),
1 Schraubendampfer von 1883 (400 Tonnen),
1 Dampfer von 1872 (2100 Tonnen), 1 Schul-
schiff und 6 kleineren Raddampfern. — Das
Wappen# ist quer geteilt und zeigt in der oberen
gespaltenen Hälfte rechts ein Vicußa in Blau
und links einen Chinarindenbaum in Silber, in
Peru.
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der unteren ein goldenes Füllhorn in Rot. Die
Landesfarben sind Rot, Weiß, Rot. Die Kriegs-
flagge ist rot-weiß-rot senkrecht gestreift mit einem
von grünen, rot gebundenen Blattzweigen um-
gebenen, von einem elliptischen Kranz mit gelbem
Schloß gekrönten Wappenschild im mittleren
Streifen; Handelsflagge ohne Emblem.
IV. Geistige Kultur. Der größte Teil der
Bevölkerung gehört mit Ausnahme der unzivili-
sierten heidnischen Indianer und einigen Hundert
Protestanten (anglikanische und methodistische
Kirchen und Schulen in Lima, Callao und Cuzco)
der katholischen Religion an. Nach der Verfassung
ist die römisch-katholische Kirche Staatskirche
und die öffentliche Ausübung anderer Kulte unter-
sagt, doch herrscht tatsächlich weitgehende Toleranz.
Die Regierung übt das Schutzrecht über die Kirche
aus; die Erzbischöfe und Bischöfe werden vom
Kongreß auf Vorschlag des Präsidenten, die Mit-
glieder der Domkapitel und die Inhaber der
übrigen geistlichen Amter vom Staatshaupt er-
nannt; die päpstlichen Bullen und Breven unter-
liegen dem staatlichen Plazet. Die Hierarchie be-
steht aus dem Erzbischof von Lima, dem acht Suf-
fraganbischöfe untergeordnet sind; daneben bestehen
das 1894 errichtete Apostolische Vikariat Tara-
paca, das größtenteils chilenisches Gebiet umfaßt,
und die 1900 zur Missionierung der heidnischen
Indianer der Montana errichteten Apostolischen
Präfekturen San Francisco de Ucayali (Franzis-
kaner), San Leön de Amazonas (Augustiner) und
San Domingo de Urubamba (Dominikaner). Für
Akatholiken wurde 1897 die Zivilehe eingeführt
und 1903 weitere Erleichterungen für die Ehe-
schließung gewährt.
Das Unterrichtswesen steht unter der
obersten Leitung des Oberschulrats, dessen Mit-
glieder alle zwei Jahre von der Regierung ernannt
werden. Die Lehranstalten zerfallen in drei Klassen:
Elementarschulen, die früher unter Ausfsicht der
Ortsobrigkeit standen und von den Gemeinden
unterhalten wurden, seit den Gesetzen von 1902
und 1905 jedoch unter direkter Leitung der Re-
gierung stehen und zum Teil auf Staatskosten
unterhalten werden (staaklich 1907: 2370), in
Mittelschulen (colegios) unter Inspektionskom-
missionen, die vom Oberschulrat ernannt werden,
und höhere Lehranstalten (Universitäten und Spe-
zialschulen) unter dem aus den Fakultäten er-
wählten Universitätsrat. Der Volksschulunterricht
ist obligatorisch und unentgeltlich, ist aber trotz-
dem von kaum der schulpflichtigen Kinder be-
sucht. Am fühlbarsten ist der Mangel an Mittel-
schulen (23 staatliche Colegios und 3 Mädchen-
gymnasien, an denen viele deutsche und belgische
Professoren wirken), während für den höheren
Unterricht die 1553 gegründete Universität San
Marcos in Lima (6 Fakultäten) und 5 kleinere
Universitäten, die 9 Diözesanseminarien (meist von
Ordenspriestern geleitet) und Spezialschulen für
Bergbau, für Ingenieure, je eine nationale Acker-