1167
zu den Herren verloren. Nahe verwandt mit ihnen
sind die zahlreichen Kolonen, die in der Nähe der
Gutshöfe Pachtgüter betrieben. Auch viele Sklaven
im strengen Sinn hatten einen eignen Besitz, Weib
und Kinder, aber nur so lang es dem Herrn ge-
siel. Der Herr konnte dem Sklaven sein Er-
spartes rauben, sein Weib und sein Kind weg-
schicken und ihm ein anderes Weib geben. Denn
er hatte kein anderes Interesse als ein Tierzüchter,
der die Jungen verkaufen kann. Im allgemeinen
waren Sklaven nicht viel wert, besonders wenig
eine Sklavin. Sklavinnen gab es viermal weniger
als Sklaven, der Verkehr mit ihnen war aber
jungen Leuten sehr leicht gemacht, während der
Verkehr zwischen Frauen und Sklaven, nicht am
wenigsten wegen der großen Schmach, die darauf
ruhte, selten vorkam. Gerade wegen der Blut-
mischung zwischen verschiedenen Rassen, die die
Sklaverei zusammenführte, ist das Römertum
rasch entartet. Denn Blutmischung wirkt nur inner-
halb gewisser Grenzen anregend. Wenn die Rassen
zu verschieden sind, verschlechtert sich der Nach-
wuchs. Blutzersetzung und Unsittlichkeit waren
nicht die einzigen Folgen der Sklaverei; sie zer-
störte nicht nur das Familien-, sondern auch das
Wirtschaftsleben, da sie jene Großbetriebe er-
möglichte, die den Bauern von der Scholle ver-
trieben und den freien Handwerkerstand aufsaugten.
Die Freien entwöhnten sich aller Arbeit, ganz be-
sonders aber der Waffenführung. Söldlinge und
Unfreie führten die Kriege, und damit war dem
Einbruch der Germanen Tür und Tor geöffnet.
So wurde die Sklaverei zum Hauptgrund des
Untergangs des römischen Reichs, und es hat sich
die Verachtung der Menschenrechte furchtbar ge-
rächt. Sklavische Anschauungen durchseuchten die
ganze Gesellschaft; eine Trinkgeldermoral drang
bis in die höchste Stelle hinauf. Die Freien
wurden von den Kaisern wie Unfreie behandelt,
entehrenden Körperstrafen und der Folter unter-
worfen, ja sogar des Rechts des Waffentragens
beraubt. Dieser Umstand kam nun freilich den
Sklaven wieder zu gut, um so mehr als philo-
sophische Lehren und religiöse Kulte sich um die
Sklaven annahmen. Humane, namentlich philo-
sophisch gebildete Kaiser gewährten den Sklaven
ein Beschwerderecht, schützten sie gegen willkürliche
Tötung und Verstümmlung, verboten den Verkauf
von Sklaven zu blutigen Theaterspielen oder an
schlimme Häuser, erschwerten die Verknechtung von
Schuldnern und den Selbstverkauf. Diese Ge-
setzgebung brauchten die christlichen Kaiser nur
weiter auszubauen und fortzusetzen, um ein an-
nehmbares Sklavenrecht zu schaffen (Grupp, Kul-
turgesch. der röm. Kaiserzeit I 293 ff 505; II
54, 307).
Das Christentum berief Freie und Unfreie,
Heiden, Juden und Barbaren ohne Rücksicht auf
ihre Verschiedenheit, aber es tastete die Recht-
mäßigkeit der Sklaverei selbst nicht an und er-
mahnte die Sklaven, ihren Herren gehorsam zu
Sklaverei.
1168
sein. „Warst du als Sklave berufen“, sagt der
Apostel Paulus (1 Kor 7, 21), „so laß dich es
nicht kümmern (daß du Sklave bist), sondern wenn
du auch frei werden kannst, so benutze es vielmehr,
als Sklave berufen zu sein.“ Die Kirche billigte
es nicht, wenn die Sklaven entliefen, wie aus dem
Brief des hl. Paulus an Philemon hervorgeht,
und die Christen teilten die Vorurteile der Heiden
gegen Verbindungen zwischen freien Frauen und
Sklaven — man denke an die Geschichte der
Aglae und des Bonifazius (Boll. A. SS. Mai
III 280). Obwohl sich Kallistus dem Vorurteil
entgegensetzte, so hat doch noch Konstantin die
strengen Maßregeln älterer Zeit gegen solche Ver-
bindungen und das Entlaufen der Sklaven eher
noch verschärft als ermäßigt. Wenn eine freie Frau
mit einem Sklaven Umgang hatte, sollten beide
hingerichtet, der Sklave verbrannt, und wenn ein
Mann höheren Rangs mit einer Sklavin sich ver-
band, der Freie verbrannt, die Sklavin zu einem
Bergwerk verurteilt werden; überstrenge Gesetze,
die sich um so weniger durchführen ließen, als sie
durch Freilassung leicht zu umgehen waren; kam
es doch sogar vor, daß, wie Chrysostomus aus-
führte, ein Freier einer Sklavin wegen sich in die
Sklaverei begab. Um so eifriger wurde der einzige
Ausweg beschritten, der noch übrig blieb, nämlich
die Freilassung und die Verwendung zum Kolonat
und die Gründung eines eignen Hausstands.
Diese Entwicklung setzte sich das ganze Mittel-
alter hindurch fort. Hier spielte die Hausdiener-
schaft, die am ehesten noch der alten Sklaverei
glich, eine geringe Rolle gegenüber der Hörigkeit
(s. dies. Art.). Aber verschwunden ist die Sklavereie
nicht ganz. Gregor von Tours erzählt noch Ge-
schichten, die ganz an die Zustände der römischen
Kaiserzeit erinnern (Grupp, Kulturgeschichte des
Mittelalters 1 (19071 190).
Und so dauerte die Sklaverei auch die folgen-
den Jahrhunderte fort, namentlich in den roma-
nischen Ländern und im hohen Norden. Aller-
dings begegnen uns auch in Deutschland Spuren
der Sklaverei. An der Koblenzer Zollgrenze
mußten für jeden Sklaven 4 Denare gezahlt werden.
Heinrich IV. bestätigte diesen Zoll 1104. Allein
dieser Handel befand sich in Deutschland nur im
Durchgangsverkehr; er bewegte sich zwischen dem
hohen Norden und Süden auf der einen, dem
Morgen= und Abendland auf der andern Seite. In
Europa lieferten die Slavenländer viele Sklaven.
Wie weiße Sklaven nach dem Süden, so ge-
langten schwarze nach dem Norden. Zu Beginn
des 12. Jahrh. besaß der Bischof Gaudry von
Laon einen Neger oder Athiopier und ließ durch
ihn das Henkeramt ausüben und nötigte ihn zu
Grausamkeiten, vor denen ein Christ zurückgeschreckt
wäre (Guiberti vita 3, 7). Noch im Jahr 1282
begegnet uns in Basel im Gefolge eines Bischofs
ein Schwarzer, angetan mit weißen Kleidern. Cä-
sarius von Heisterbach erzählt, daß seine Tante ein
heidnisches Mädchen vor zehn Jahren kaufte und