1177
Eingebornen, der Missionen und der Forschungs-
reisenden, Beschränkung der Einfuhr von Feuer-
waffen. Zur Durchführung dieser Maßregeln
wurde ein internationales Bureau zu Sansibar
errichtet und dem Kongostaat zur Aufbringung
der Mittel Einfuhrzölle bis zur Höhe von 10%
des Werts gestattet. Trotz aller dieser Maßregeln
bleiben immer noch Lücken, durch die die Sklaven-
händler noch viel mehr als die Mädchenhändler
in Europa entwischen können. Frankreich gestattete
nur ein beschränktes Durchsuchungsrecht (ebenso
die Vereinigten Staaten). Der Menschenhandel
vollzieht sich in den Formen von freien Dienst-
verträgen. Neger, chinesische und indische Kulis,
polynesische Kanaken werden immer noch verhan-
delt, wenn auch nicht mehr wie im früheren Um-
fang. Eine lebenslängliche Verdingung
gehört in den meisten Staaten nicht zur Unmög-
lichkeit. Für das Deutsche Reich hat das B.G. B.
§ 624 die Möglichkeit damit beseitigt, daß es den
Verpflichteten ein Kündigungsrecht nach 5 Jahren
einräumte, sobald ein Dienstverhältnis auf mehr
als 5 Jahre geschlossen wird. Ein eignes Gesetz
von 1895 (28. Juli) stellt den Sklavenraub und
den Sklavenhandel unter strenge Strafen.
Gesetzlich hat die Sklaverei in allen gebildeten
Staaten aufgehört, aber faktisch unterscheiden sich
viele Zustände wenig von den alten. Beson--
ders in Nordamerika stehen die Schwarzen und
Gelben durchaus nicht auf gleicher Stufe mit den
Weißen. Ja es ist geradezu ein gewisser Rück-
schlag eingetreten gegen die früher humane Be-
geisterung für die Neger. Freilich stimmt das zu-
sammen mit denelenden Arbeiterverhältnissen. Doch
dürfen sich auch die Engländer und Deutschen
nicht allzusehr in die Brust werfen; sie haben in
ihren Kolonien genug gesündigt.
Literatur. Wallon, Histoire de Pesclavage
dans T’antiquité (3 Bde, Par. 21879); P. Allard,
Esclaves chrétiens (ebd. 1895, /1900); Ingram,
History of Slavery and Freedom (Lond. 1895;
deutsch von Katscher 1895); H. J. Nieboer, Sla-
very as an Industrial System (ebd. 1900); Le-
tourneau, L'évolution de T’esclavage dans les
diverses races hum. (Par. 1896); Ebeling, Die
S. von den altesten Zeiten bis auf die Gegenwart
(3. Tauf., 1889); Langer, Die S. in Europa wäh-
rend der letzten Jahrhunderte des Mittelalters, in
Wissenschaftl. Beilage zum Programm des Gym-
nasiums zu Bautzen (Ostern 1891); Margraf, Kirche
u. S. (1865); Biot, De ’abolition de Pesclavage
ancien en Orient (Par. 1840); Steinmann, Skla-
venlos u. alte Kirche (1910); Du Rois, Suppres-
sion of African Slave-trade 1638/1870 (Lond.
1896); Kaysel, Gesetzgebung der Kulturstaaten zur
Unterdrückung des afrikan. Sklavenhandels (1895).
[Grupp.]
Smith, Adam (1723/90), der hervor-
ragende schottische Moralphilosoph, ist eine der
meistgenannten Figuren in der Geschichte der
Nationalökonomie. Trotzdem ist sein wissenschaft-
liches Charakterbild sowohl wie die Erkenntnis
seiner Bedeutung für die Entwicklung der Sozio-
Smith.
1178
logie und nicht minder der volkswirtschaftlichen
Verhältnisse in der konventionellen Schätzung durch
mancherlei Vorurteile entstellt. Noch immer wird
er von den einen als der Vater des Manchester-
tums und des radikalen Freihandels, von den
andern als Vorläufer und Pionier des Marxis-
mus in Anspruch genommen, obwohl das letzte
Jahrzehnt gesichertes Material zu seiner objektiven
Beurteilung in genügender Fülle beigebracht hat.
Unbestritten aber ist, daß er als der eigentliche
Begründer der modernen nationalökonomischen
Wissenschaft zu gelten hat, die er einerseits zum
erstenmal ziemlich genau von den andern Diszi-
plinen abgegrenzt, und der er anderseits so sehr
den Stempel seines Geistes aufgedrückt hat, daß
er sie mit gleichem Einfluß auf Theorie und
Praxis fast ein Jahrhundert beherrscht hat. Vor
und nach Smith, so teilt sich — es mag dahin-
gestellt bleiben, ob verdient oder unverdient — die
Nationalökonomie ein.
1. Lebenslauf. Adam Smith stammt aus
zwar sozial gehobenen, aber materiell nicht gerade
glänzend situierten Bürgerkreisen. Sein Vater
gehörte als Advokat zur Körperschaft der Writers
of the Signet in Edinburgh und brachte es bis
zum Judge Advocate (etwa Generalauditeur)
für Schottland. Das hinderte ihn aber nicht, die
Stelle eines Privatsekretärs des Earl of London,
Ministers für Schottland, anzunehmen, der ihm
dann 1713 den Posten des Zollkontrolleurs in
der kleinen Hafenstadt Kirkcaldy am Nordufer des
Firth of Forth verschaffte. Als einziges Kind
der zweiten Ehe seines Vaters mit Margarete
Douglas aus Strathendry wurde unser Adam
Smith am 5. Juni 1723, einige Monate nach
dem Tod des Vaters, in Kirkcaldy geboren. Die
Mutter, welcher er eine innige Liebe entgegen-
brachte, und mit der er bis zu ihrem im Alter von
90 Jahren erfolgten Tod zusammenlebte — er
selber war nie verheiratet —, ließ dem Knaben eine
sehr sorgfältige Erziehung zuteil werden. Den
ersten Unterricht genoß er auf der Lateinschule
seiner Vaterstadt, dann kam er, erst 14 Jahre alt,
an die Universität Glasgow, wo eben das finstere
und starre Puritanertum zurückgedrängt wurde.
Francis Hutcheson, der irische Moralphilosoph,
ein liebenswürdiger Vertreter der Gefühlsmoral
mit dem Prinzip des angebornen moral sense,
war der Stern, der den jungen Smith vor allem
anzog; und es ist kein Zweifel, daß dieser Lehrer
für die Grundrichtung seiner Ideen in erster Linie
bestimmend gewesen ist. Im Jahr 1740 erhielt
er aus der Snellstiftung ein Stipendium zum
Studium an der englischen Universität Oxford,
wo er als Mitglied des Balliolkollegs, vielfach
kränkelnd, sechs Jahre hindurch hauptsächlich hu-
manistische Studien (Literatur, Mathematik, auch
etwas Naturwissenschaft und Theologie, haupt-
sächlich aber Philosophie) trieb. In die Heimat
zurückgekehrt, suchte er, da er sich zum Kirchen-
dienst nicht entschließen konnte, längere Zeit ver-