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(1896); H. Rösler, Über die Grundlagen der von
A. S. begründeten Volkswirtschaftslehre (21871);
v. Skarzynfki, A. S. als Moralphilosoph u. Schöp-
fer der Nationalökonomie (1878); Zeyß, A. S. u.
der Eigennutz (1889). — 1894 erschien mit einer
Einleitung von James Bonar A Catalogue of the
Library of A. S. [J. Mumbauer.]
Sonntagsruhe. 1. Der Sonntag ist nicht
nur eine kirchliche, religiöse, sondern auch eine
hochwichtige soziale Institution. Daß dem Ar-
beiter, der bei teilweise angestrengter, meist neun-
bis zehnstündiger und längerer täglicher Arbeits-
zeit nach sechs Tagen ein siebter als Ruhetag zu-
kommt, wo ihm Gelegenheit geboten ist, seine
Arbeitskräfte wieder aufzufrischen und seine Ge-
sundheit für seinen weiteren Lebensweg zu stählen,
dürfte heute wohl kaum mehr jemand leugnen
wollen. Wer tagelang ohne Unterbrechung durch
einen sonntäglichen Ruhetag als Arbeiter an der
Maschine stehen wollte oder müßte, in stetig
gleicher, zum Teil abstumpfender Umgebung, der
muß auf die Dauer an seiner Gesundheit Schaden
leiden und dem Siechtum anheimfallen. Und wo
einer so zahlreichen Volksklasse, wie sie unsere
Arbeiterschaft in der Industrie, im Handwerk, im
Handel darstellt, ein solches Los des ewigen Einerlei
beschieden wäre, da müßte auch das allgemeine
Volkswohl zu Schaden kommen. Sprechen so all-
gemeine Rücksichten auf die Gesundheit des ein-
zelnen wie des Volks dafür, durch einen sonn-
täglichen Ruhetag nach sechs Tagen die Arbeit
des Werktags abzulösen, so kommen hier auch noch
solgende Momente in Betracht. Der heutige Ar-
beiter und Angestellte fühlt sich mehr denn je als
Mitglied seines Standes und als Staatsbürger.
Eine angemessene Vertretung seiner wirtschaft-
lichen, sozialen und staatsbürgerlichen Interessen
macht eine entsprechende Aufklärungs= und Schu-
lungsarbeit notwendig. Wann läßt sich dazu aber
eher Zeit und Gelegenheit finden als am Sonn-
tag? Der heutige Arbeiter und Angestellte hat
mehr wie der frühere Bedürfnisse des Geistes, einer
veredelnden Unterhaltung und Erholung. Vor
allem stellt Herz und Gemüt auch seine berechtigten
Ansprüche. Als Gatte, als Familienvater will er
wenigstens einen Tag seiner Familie leben und
sich ihr widmen können, unabhängig von dem
Willen eines Dritten. „Was ist es“, so fragte
seinerzeit (Reichstagssitzung vom 23. Jan. 1889)
der Abg. Prof. Hitze, „was den Arbeiter ver-
bittert? Der Umstand, daß er vielleicht abends
noch zur Arbeit gezwungen ist, zu einer Zeit, wo
er sich freut auf sein Heim; daß er sonntags
zur Arbeit gehen muß, während seine übrigen
Mitbürger in Sonntagskleidern zur Kirche gehen
und sich erholen. Das sind die kleinen Anlässe
zwar, aber sie erbittern den Arbeiter und legen
den Keim der Unzufriedenheit in sein Herz und
führen ihn zur Sozialdemokratie.“ Unter diesem
Gesichtspunkt soll die Sonntagsruhe auch sozial
ausgleichend und sozial versöhnend wirken und
Sonntagsruhe.
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zugleich dadurch, daß sie Zeit schafft für gesund-
heitliche und geistige Erholung, in hervorragendem
Maß dem sozialen Fortschritt dienen. Das schließt
nicht aus, daß die heutigen Bedürfnisse der Pro-
duktion, des Handels und Verkehrs der uneinge-
schränkten Sonntagsruhe gewisse Grenzen ziehen,
denen Rechnung getragen werden muß. Sonn-
tagsarbeit sollte aber nux stattfinden, wo sie aus
den eben angegebenen Gründen nicht zu umgehen
ist, und auch hier sollte man durch bestimmte
Maßnahmen, z. B. Schichtwechsel, die Sonntags-
ruhe möglichst zu erleichtern suchen.
2. Während früher für die Sonntagsruhe im
wesentlichen nur religiöse Rücksichten bestimmend
waren, traten die sozialen mehr erst mit Mitte des
19. Jahrh. hervor. Ein gesetzliches Verbot der
Sonntagsarbeit brachte für die jugendlichen Ar-
beiter das preußische Regulativ vom 9. März
1839 bzw. die Verordnung vom 9. Febr. 1849,
betr. die Errichtung von Gewerberäten, die in
§ 129, Abs. 3 bestimmte: „An Sonn= und Fest-
tagen sowie während der von dem ordentlichen
Seelsorger für den Katechumenen= sowie Konfir-
mandenunterricht bestimmten Stunden dürfen
jugendliche Arbeiter nicht beschäftigt werden.“
Für die erwachsenen Arbeiter bestand eine Reihe
landesgesetzlicher und polizeilicher Vorschriften, die
zudem noch weniger den Zwecken des Arbeiter-
schutzes als den Gesichtspunkten der Sonntags-
heiligung und damit nur indirekt dem Arbeiter-
schutz Rechnung trugen, dabei sehr verschiedenartig
und ungenügend waren. Durch die Gewerbeord-
nung für den Norddeutschen Bund vom 21. Juni
1869 (§ 105, Abs. 2) wurde bestimmt: „Zum
Arbeiten an Sonn= und Festtagen ist, vorbehalt-
lich der anderweitigen Vereinbarung in Dringlich-
keitsfällen, niemand verpflichtet.“ Diese Vor-
schrift kam dann später auch in den andern
Bundesstaaten zur Einführung. Schon damals
wurden im Reichstag Anträge auf ein gesetzliches
Verbot der Sonntagsarbeit eingebracht; sie schei-
terten jedoch wie auch spätere an der damals noch
vorherrschenden manchesterlichen Stimmung bei Re-
gierung und Parteien. Die weiteren Bemühungen
um die gesetzliche Sonntagsruhe wurden hauptsäch-
lich von der Zentrumspartei betrieben. 1872/73
verlangte sie zu diesem Zweck bezügliche Erhebungen
durch das Reich, die dann 1874/75 stattfanden,
1877 in dem sog. Antrag Galen eine Vervollstän-
digung derselben und einen Gesetzentwurf, der an
erster Stelle „wirksamen Schutz des religiös-sitt-
lichen Lebens der gesamten arbeitenden Bevölke-
rung (Sonntagsruhe)“ bringen sollte. Reichstags-
mehrheit und Reichsregierung lehnten diesen An-
trag ab. Auf eine Interpellation des Zentrums
im Jahr 1882 erklärte Bismarck jegliche Ein-
schränkung der Arbeitsfreiheit für inopportun.
Noch schroffer bekämpfte Bismarck 1884/85 den
Antrag des Zentrums und die auf Grund des-
selben von der Kommission gefaßten Beschlüsse,
jedoch erklärte er sich zu Erhebungen darüber, ob