Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

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führungsverordnung ist als „Bekanntmachung be- 
treffend Ausnahmen von dem Verbot der Sonn- 
tagsarbeit im Gewerbebetrieb d. d. 5. Febr. 1895“, 
zugleich mit eingehenden „Erläuterungen“ ver- 
öffentlicht. (Den Textausgaben der Gew.O. mei- 
stens als „Anlage“ beigegeben.) Dieselbe schließt sich 
der Gruppierung der Gewerbestatistik an und um- 
faßt acht Hauptgruppen mit nicht weniger als 
80 Nummern. 
c) Ausnahmen für Gewerbe zur Be- 
friedigung täglicher oder an Sonn- 
und Festtagen besonders hervortreten- 
der Bedürfnisse sowie für Betriebemit 
Wind oder unregelmäßiger Wasser- 
kraft (§ 105e). Zunächst ist es die Rücksicht 
auf das konsumierende Publikum, welche mannig- 
fache Ausnahmen verlangt oder nahelegt (Barbiere, 
Konditoren, Bäcker und Metzger usw.). Weil hier 
die Konkurrenz mehr örtlich begrenzt ist, auch die 
Anschauungen, Sitten und Bedürfnisse örtlich 
verschieden sind, so sollen diese Ausnahmen durch 
die höheren Verwaltungsbehörden ge- 
troffen werden. Denselben Behörden ist dann 
weiterhin auch das Recht zugewiesen, für Betriebe, 
welche ausschließlich oder vorwiegend mit durch 
Wind oder unregelmäßige Wasserkraft bewegten 
Triebwerken arbeiten, Ausnahmen zuzulassen. — 
Doch hat auch hier die Reglung der Ausnahmen 
unter Berücksichtigung der Vorschrift des § 105c, 
Abs. 3 (s. o. u. a) zu erfolgen. über die Zu- 
lassung der Ausnahmen von den Bestimmungen 
über die Sonntagsruhe gemäß § 105e, Abs. 1 
Gew.O. ist eine Bekanntmachung des Reichskanz- 
lers vom 3. April 1901 ergangen. Danachsoollen die 
höheren Verwaltungsbehörden nur soviel Sonn- 
tagsarbeit gestatten, als nach den örtlichen Ver- 
hältnissen geboten erscheint; insbesondere soll ein 
Bedürfnis nach Sonntagsarbeit nicht anzuerkennen 
sein, wenn und soweit sie bisher nicht üblich war. 
Was die Betriebe mit Wind und Wasserkraft 
anbelangt, so ist zunächst die höhere Verwaltungs- 
behörde (in Preußen der Regierungspräsident resp. 
das Oberbergamt) befugt, nach Lage der örtlichen 
Verhältnisse allgemein Ausnahmen für bestimmte 
Betriebsarten, Verwaltungsgebiete oder Wasser- 
läufe zuzulassen, sowie einzelnen, nach Art, Ein- 
richtung oder Lage des Betriebs der besondern 
Reglung bedürftigen Unternehmungen Ausnahmen 
zu gestatten. Daneben hat jeder Triebwerksbesitzer 
die Möglichkeit, für seinen Betrieb in einem nach 
den Vorschriften der §§ 20 und 21 der Gew.O. 
sich regelnden Verfahren besondere Ausnahmen zu 
erwirken. In letzteren Fällen hat in erster Instanz 
in Preußen der Bezirksausschuß (resp. das Ober- 
bergamt), in zweiter Instanz der Minister für 
Handel und Gewerbe zu entscheiden. 
d4) Ausnahmen zur Verhütung eines 
unverhältnismäßigen Schadens (s1051; 
Erlaß des Handelsministers vom 17. April 
1910). Endlich kann in besondern Fällen in 
den einzelnen Betrieben die Notwendigkeit der 
Sonntagsruhe. 
  
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Sonntagsarbeit zur Verhütung eines unverhältnis- 
mäßigen Schadens sich plötzlich herausstellen. Es 
sind diese Ausnahmen durch die Polizeibehörde 
zu gestatten. Jede solche Erlaubnis muß schriftlich 
ausgestellt werden und ist Abschrift in der Fabrik 
resp. Werkstätte den Arbeitern zur Kenntnisnahme 
auszuhängen. Bezüglich der gegebenen Dispensen 
ist ein genaues Verzeichnit zu führen. 
e) Ausnahmen bezüglich bestimmter 
Festtage. Die Landeszentralbehörden können 
„für einzelne Feiertage, welche nicht auf einen 
Sonntag fallen, Abweichungen von der Vorschrift 
des § 105b, Abs. 1 gestatten“ (8 105 h). Nur 
für Weihnachts-, Neujahrs-, Oster-, Himmel- 
fahrts= und Pfingstfest soll diese Bestimmung keine 
Anwendung finden. Im übrigen sind, wie schon 
oben bemerkt, die landesgesetzlichen Bestimmungen 
und Verordnungen bezüglich der Sonntagsheili- 
gung, soweit sie weiter gehen als das Reichsgesetz, 
durch letzteres nicht aufgehoben (8 105h, Abs. 1). 
Besonders geregelt ist die Sonntagsruhe im 
Handelsgewerbe (auch Geschäftsbetriebe der 
Konsum= und anderer Vereine). Hier dürfen Ge- 
hilfen, Lehrlinge und Arbeiter am ersten Weih- 
nachts-, Oster= und Pfingstfeiertag überhaupt 
nicht beschäftigt werden. An den übrigen Sonn- 
und Feiertagen ist eine Beschäftigung bis zu 
5 Stunden, über die, abgesehen von den Aus- 
nahmen, nicht hinausgegangen werden darf, ge- 
stattet. Durch statutarische Bestimmung einer 
Gemeinde oder eines weiteren Kommunalverbands 
(§142) kann diese Beschäftigung für alle oder 
einzelne Zweige des Handelsgewerbes auf kürzere 
Zeit eingeschränkt oder ganz untersagt werden. 
Für die letzten vier Wochen vor Weihnachten 
sowie für einzelne Sonn= und Festtage, an welchen 
örtliche Verhältnisse (Kirchweihe, Schützenfeste, 
Paraden usw.) einen erweiterten Geschäftsverkehr 
erforderlich machen (sog. Ausnahmetage), kann 
die Polizeibehörde eine Vermehrung der Stunden, 
während welcher die Beschäftigung stattfinden darf, 
bis auf zehn Stunden zulassen. Die Stunden, 
während welcher die Beschäftigung stattfinden darf, 
werden unter Berücksichtigung der für den öffent- 
lichen Gottesdienst bestimmten Zeit, sofern die Be- 
schäftigungszeit durch statutarische Bestimmungen 
eingeschränkt worden ist, durch letztere, im übrigen 
von der Polizeibehörde festgestellt. Die Feststel- 
lung kann für verschiedene Zweige des Handels- 
gewerbs verschieden erfolgen (§ 105b, Abs. 2). 
Von vorstehenden Bestimmungen über die 
Sonntagsruhe sind ausgenommen die Gast= und 
Schankwirtschaften, Musikaufführungen, Schau- 
stellungen, theatralische Vorstellungen oder son- 
stige Lustbarkeiten sowie das Verkehrsgewerbe. 
Für erstere bringt einen Ersatz die Bekanntmachung 
des Reichskanzlers betr. die Beschäftigung von 
Gehilfen und Lehrlingen in Gast= und Schank- 
wirtschaften vom 23. Jan. 1902 (tägliche Min- 
destruhezeit von 8 bzw. 9 Stunden, jede dritte 
Woche Mindestruhezeit von 24 Stunden), für das
	        
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