1207 Souveränität,
Verkehrsgewerbe (Eisenbahnen) ist eine größere
Sonntagsruhe möglich und sie wird angestrebt;
bei theatralischen Vorstellungen und andern Auf-
führungen dürfen, soweit ein höheres Kunstinter-
esse nicht vorwaltet, Kinder nicht beschäftigt wer-
den (Kinderschutzgesetz vom 30. März 1903).
4. Eine Erweiterung der Sonntagsruhe
verlangt ein Zentrumsantrag (Sess. 1907/08,
Drucks. Nr 518) nach folgenden Richtungen: Die
den Arbeitern zu gewährende Ruhezeit (8 105b)
soll mindestens für jeden Sonn= und Festtag 36,
für zwei aufeinanderfolgende Sonn= und Fest-
tage 60 Stunden betragen; die Arbeitszeit der
Handlungsgehilfen, -Lehrlinge und Arbeiter, so-
weit sie nicht in offenen Verkaufsstellen beschäftigt
werden (§ 139ch, ist auf höchstens zwei Stunden
an Sonn= und Festtagen zu beschränken. Weiter
wäre zu bestimmen, daß 1) eine ortsstatutarische
Reglung der Sonntagsruhe (§ 105b) auch dahin
ermöglicht wird, daß die Zulassung der Beschäf-
tigung an bestimmte Bedingungen geknüpft wird;
daß 2) den in Gast= und Schankwirtschaften be-
schäftigten Personen tunlichst an jedem Sonn-
und Feiertag, mindestens aber an jedem zweiten
Sonntag der Besuch des Gottesdienstes ihrer
Konfession ermöglicht wird (§ 105i); daß 3) die
Sonntagsruhe auf die in der Binnenschiffahrt
beschäftigten Personen ausgedehnt wird. Eine
Reglung bzw. Einführung der Sonntagsruhe ver-
langen vor allem die technischen Angestellten. Eine
Einschränkung der Sonntagsarbeit erfolgt prak-
tisch auch vermittelst der Tarifverträge, indem
durch diese für Sonntagsarbeit solche Lohnzuschläge
festgesetzt werden, daß sie nicht mehr lohnend er-
scheint. Eine weitere Einschränkung der Sonn-
tagsarbeit im Handelsgewerbe ist seitens der Re-
gierung geplant.
5. Im Ausland wird für Osterreich durch
Gesetz vom 16. Jan. 1895 bzw. 18. Juli 1905
bestimmt: An Sonntagen hat alle gewerbliche
Arbeit zu ruhen. Die Sonntagsruhe hat spätestens
um 6 Uhr morgens eines jeden Sonntags, und
zwar gleichzeitig für die gesamte Arbeiterschaft jedes
Betriebs zu beginnen und mindestens 24 Stunden
zu dauern. Ausnahmen sind vorgesehen nach
deutschem Muster. Im Handelsgewerbe ist die
Sonntagsarbeit für den Betrieb desselben höch-
stens in der Dauer von 4 Stunden gestattet,
welche durch die politischen Landesbehörden nach
Anhörung der Handels= und Gewerbekammern
sowie der betreffenden Gemeinden usw. festzusetzen
sind. Ausnahmetage sind vorgesehen. Die Kontor-
und Bureauarbeit kann an Sonntagen höchstens
für 2 Stunden und nur dann gestattet werden,
wenn jedem einzelnen Angestellten mindestens jeder
zweite Sonntag ganz freigegeben wird. Die
Schweiz untersagt die Sonntagsarbeit; sie kann
für Anlagen, die einen ununterbrochenen Betrieb
erfordern, gestattet werden, aber nur für Arbeiter
über 18 Jahre. An jedem zweiten Sonntag muß
der Arbeiter frei haben. In England verbietet
staatsrechtliche. 1208
die Lords Day Act vom Jahr 1680 jede Be-
rufstätigkeit mit einigen Ausnahmen. Starken
Beschränkungen ist das Wirtsgewerbe unterworfen.
Ahnlich sind die Verhältnisse in den Vereinigten
Staaten von Amerika. Frankreich schreibt all-
gemein für jede Woche einen Ruhetag vor, der als
Regel auf den Sonntag fallen soll, jedoch unter
bestimmten Verhältnissen auch an einem Wochen-
tag gewährt werden kann. Einen solchen Ruhe-
tag hat auch Italien. Für Belgien bestimmt das
Gesetz: Es ist verboten, andere Personen als die
mit dem Betriebsinhaber wohnenden Familien-
mitglieder, die Dienstboten und das Hausgesinde
des Betriebsunternehmers mehr als während
6 Tagen in der Woche zu beschäftigen. Der
wöchentliche Ruhetag ist der Sonntag. Aus-
nahmen sind vorgesehen. In einer Reihe von Un-
ternehmungen (Läden, Wirtschaften, Blumen= und
Tabakverkauf, Stellenvermittlungsbureaus usw.)
können die Arbeiter und Angestellten 13 Tage
innerhalb 14 Tagen oder 6½ Tage innerhalb
7 Tagen beschäftigt werden. Der Ruhetag braucht
nicht notwendig auf einen Sonntag zu fallen. Der
König kann gestatten, die Nachtschicht bis 6 Uhr
morgens an Sonntagen auszudehnen. In Hol-
land ist die Sonntagsarbeit mit einigen Aus-
nahmen untersagt. In Norwegen soll die Sonn-
tagsruhe um 6 Uhr abends am Samstag beginnen
und bis 10 Uhr Sonntag abends dauern, in
Schweden ist die gewerbliche Arbeit an Sonn-
und Festtagen von 6 Uhr morgens bis 9 Uhr
abends verboten.
Literatur. Ergebnisse der Erhebungen über
die Beschäftigung gewerblicher Arbeiter an Sonn-
u. Festtagen (3 Bde, 1887); Rohr, Der Sonn-
tag vom sozialen u. sittlichen Standpunkt aus
(1879); Silberschlag, Gesetze Deutschlands über
Sonntagsfeier, in Zeitschrift für die gesamte Staats-
wissenschaft (1880); Werner, Die S. in Industrie
u. Handwerk (1895); Wenzel, Gewerbliche S. u.
Zentrum (1904). lvan den Boom.)]
Souveränität, staatsrechtliche. [Be-
griffsbestimmung; Geschichtliche Entwicklung des
Begriffs; Herrschende Ansicht hierüber; Träger der
Souveränität in der Monarchie, dem Bundesstaat
und der Republik; Erwerbsarten, Beendigung und
Verlust derselben.!)
I. Begriffsbestimmung. Unter Souveräni-
tät versteht man diejenige Eigenschaft der Staats-
gewalt, kraft deren sie selbständig Recht übt, ohne
von einer höheren Macht rechtlich abhängig zu
sein. Sie ist zugleich unabhängige und höchste
Gewalt. Souveränität ist also ein ausschließlich
staatsrechtlicher Begriff, der nicht an-
wendbar ist auf Korporationen anderer Art, nicht
auf Familie, Gemeinde, Kreis oder Provinz, da
diese nur begrenzte Aufgaben innerhalb und unter
dem Staat zu erfüllen haben. Eine Gemeinde
kann zwar Verordnungen erlassen, aber Erzwing-
barkeit erlangen diese nur durch den Staat. Für
gewisse Fälle kann der Staat der Gemeinde die