Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

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tionalisierung von Grund und Boden verlangt, 
während er das Eigentum an beweglichen und 
insonderheit an industriellen Kapitalien zuläßt und 
auch die Rechtmäßigkeit des Zinsbezugs anerkennt. 
St-Simon will das Eigentumsrecht der ihren 
Grund und Boden selbst bewirtschaftenden Land- 
wirte nicht beseitigen, ja auch das der verschiedenen 
Grundherren nicht aufheben, sondern nur das 
letztere ernstlich beschränken. Den eigentlichen 
Kernpunkt der sozialen Frage unserer Tage, das 
Verhältnis zwischen Lohnarbeitern und Unter- 
nehmern, glaubt er, der Sohn eines Landes, in 
dem niemals ein Notstand der arbeitenden Klassen 
aufgetreten ist, wie z. B. in England, dadurch 
lösen zu können, daß sich die sittlichen Prinzipien 
des von ihm aufgestellten religiösen Systems ver- 
wirklichen. Sie bestehen darin, daß die gesamte 
menschliche Gesellschaft zur Verbesserung des sitt- 
lichen Zustands und der materiellen Lage der 
Arbeiterklasse zusammenzuwirken habe. Von einem 
Zwangsregime, wie es die Anhänger des heutigen 
Sozialismus predigen, ist bei ihm ebenso wenig 
die Rede wie von der Einführung utopischer kom- 
munistischer Institutionen. 
Es waren erst die Schüler St-Simons, welche 
sein System weiter entwickelten und ihm den voll- 
ständig sozialistischen Charakter aufprägten. Zu- 
nächst verlangte Armand Bazard die Abschaffung 
des Erbrechts. Der Staat solle die Erbschaften 
an sich nehmen, wie das in der Doctrine de 
Saint-Simon (Paris, premiere année 1828/29, 
deuxième année 1830) auseinandergesetzt wurde. 
Sodann solle er die Kapitalien nach ihrer Fähig- 
keit an die einzelnen verteilen, welche den auf sie 
fallenden Teil auf Lebenszeit erhalten würden. 
Man hätte dabei nach dem Grundsatz vorzugehen: 
„Jedem nach seiner Fähigkeit und jeder Fähigkeit 
nach ihrer Arbeitsleistung.“ Wie soll nun aber 
die Ermittlung der Fähigkeiten der einzelnen und 
ihrer Arbeitsfreudigkeit und ztüchtigkeit vorge- 
nommen werden? Das sollen nach Bazards Mei- 
nung eine Menge von Banken besorgen, die sich 
in den verschiedenen Zentren des Landes etabliert 
finden. Sie sind damit zu betrauen, den hinter- 
lassenen ländlichen oder gewerblichen Betrieb nach 
dem Tod dessen, dem er überwiesen war, seinem 
Wert nach zu schätzen und in Verwaltung zu 
nehmen, bis sie ihn dem Geeignetsten und Be- 
rechtigtsten zur Bewirtschaftung übergeben. Na- 
türlich hätten die Banken sodann die zweite Haupt- 
aufgabe, auch dafür zu sorgen, daß den lebens- 
länglichen Verwaltern der einzelnen Güter und 
Unternehmungen die zum Betrieb notwendigen 
Kapitalien zur Verfügung gestellt würden. 
Übrigens bestand unter den Schülern St Si- 
mons keine Übereinstimmung der Ansichten. Eine 
Anzahl derselben ging noch weiter als Bazard. 
Man braucht nur den Namen B. P. Enfantins 
zu nennen, um an einen höchst extravaganten Ver- 
such der Durchführung des sozialistisch-kommuni- 
stischen Ideals zu erinnern. Die Ideen Bazards 
Sozialismus. 
  
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vernichteten zwar das Privateigentum, beraubten 
die einzelnen durch ihre Unterordnung unter die 
soeben besprochenen Bankgenossenschaften jeder 
Selbstbestimmung, öffneten allen den Intrigen, 
egoistischen Schlichen, ungerechten Bevorzugungen 
und Benachteiligungen Tür und Tor, welche, wie 
nun einmal die menschliche Natur beschaffen ist, 
von einem System untrennbar sind, das die Ver- 
fügung über die materiellen Güter und Genüsse 
den Massen und den von diesen erwählten Reprä- 
sentanten ausliefert. Das ist unbestreitbar. Aber 
eines blieb auch bei der Einführung des Bazard- 
schen Systems noch denkbar: der Fortbestand eines, 
wenn auch geschwächten, ganz von der Gnade der 
öffentlichen Gewalten abhängigen Familienlebens; 
wie es auch denkbar war, daß sich im Schoß der 
einzelnen Familien noch die überkommenen reli- 
giösen Ideen, Glaubenssätze und Ubungen, wenn 
auch in Anbetracht der bestehenden Schwierigkeit, 
für einen geeigneten Unterricht in demselben zu 
sorgen, nur mit Mühe fortgepflanzt hätten. Das 
war den am meisten phantastischen Schülern 
St-Simons, einer Anzahl von völlig utopisch 
gestimmten, mit mathematischer Folgerichtigkeit 
alle auch noch so unsinnigen und mit der Natur 
der Dinge noch so sehr in Widerspruch stehenden 
Konsequenzen aus einem falschen Grundprinzip 
ziehenden Geistern, noch zu viel der persönlichen 
Freiheit. Unbedingte Gleichmacherei, Vernichtung 
jeder, auch der intimsten Betätigungssphäre indi- 
vidueller Unabhängigkeit, das war ihr Ideal! 
Enfantin war derjenige, der es unternahm, eine 
neue pantheistische Religion, eine von derjenigen 
des Naturrechts und des Christentums noch gründ- 
licher emanzipierte Moral zu schaffen. Kampf 
gegen das Christentum war sein Schlachtruf. 
Weg mit der Zügelung der sinnlichen Leiden- 
schaft! Freie Bahn für den Genuß! Emanzipa- 
tion der Frau! Folget nur dem neuen Messias, 
der die Anerkennung der gesunden Sinnlichkeit 
proklamiert! So ließ er sich vernehmen. Ein 
Priesterpaar, ein Mann und eine Frau, die In- 
karnationen der höchsten Summe der neuen Weis- 
heit, sollten an die Spitze der neuen idealen Ge- 
meinschaft treten, dieselbe leiten und zum Behuf 
der Verwirklichung jenes neuen Evangeliums vom 
heilig erklärten Genuß, wie ihn die menschlichen 
Instinkte verlangen, die sexuellen Beziehungen der 
Menschheit ordnen! Angebahnt sollte die neue 
Ordnung werden durch Aufhebung des Erbrechts 
der Seitenverwandten und durch Errichtung von 
staatlichen Banken für die Gewährung von Kre- 
dit an die Arbeitenden zu den günstigsten Be- 
dingungen. 
Es wurde auch ein Versuch zur Verwirklichung 
dieser Ideen gemacht. Im Jahr 1832 gründete 
Enfantin eine Kommunität, die auf Gemeinschaft 
der Güter und gemeinsame Arbeit, mit Einschluß 
der geistigen, basiert und mit Arbeiterwerkstätten 
verbunden war. Als dann die Polizei noch im 
nämlichen Jahr dagegen einschritt, gründete En-
	        
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