Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

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Schnitt und die Farbe der Kleidung. Es ist 
wirklich staunenswert, mit welcher liebenswürdigen 
Naivität Fourier von den Menschen denkt. Er 
unterscheidet sich von dem blutdürstigen Welt- 
beglücker Babeuf und den Anarchisten unserer 
Tage vorteilhaft dadurch, daß er die Wider- 
strebenden nicht dem Fallbeil oder der Dynamit- 
bombe überantwortet; er will sogar den Arbeitern 
des Phalanstere das von ihnen Erarbeitete eigen- 
tümlich und vererblich überlassen, so daß die 
Kinder der Fleißigen einen größeren Anteil er- 
halten müssen als die der allzu poetischen Träu- 
mer. Er muß auch voraussetzen, daß sich jederzeit 
Individuen finden werden, die den zu andern, 
angenehmeren und ehrenvolleren Beschäftigungen 
sich drängenden Leuten Platz zu machen bereit sind. 
Denn alle Welt kann sicherlich nicht Rosenstöcke 
beschneiden, Forellen angeln und Unterricht in den 
schönen Künsten erteilen. Es kann nicht jedermann 
Dichter, Pferdebereiter sein oder populäre Kon- 
ferenzreden über die Güte und Schönheit der har- 
monischen Weltordnung halten. 
Wir begegnen bei allen sozialistischen Autoren, 
auch bei denen der Jetztzeit, stets demselben Irr- 
tum. Sie gehen über die Hindernisse hinweg, 
welche die nun einmal unausrottbaren menschlichen 
Schwächen und Laster und die Verschiedenartigkeit 
der menschlichen Begabung und Tatkraft (welche 
selbst unter Voraussetzung der sozialistischen Er- 
ziehung bestehen blieben) der Verwirklichung ihrer 
Ideale entgegensetzen. Auf die unendlichen, geradezu 
unüberwindlichen Schwierigkeiten, welche die Ver- 
teilung der Tätigkeit der einzelnen Menschen auf 
die verschiedenen Produktionsgebiete bereiten muß, 
wird nicht eingegangen. Man hütet sich davor, in 
irgendwie erschöpfender Weise auf die Irrtümer 
aufmerksam zu machen, welche die mit dieser Aufgabe 
Betrauten begehen müßten, selbst wenn sie sämt- 
lich allzeit von den reinsten Absichten beseelt wären. 
Dieses würde jedoch kaum der Fall sein; es steht 
vielmehr zu erwarten, daß die leicht zu betörenden 
oder leidenschaftlichen Volksmassen vielfach die ver- 
bissensten, gewissenlosesten Hetzer zur Leitung der 
sozialistisch organisierten Gemeinwesen berufen 
werden. Die ganze Tätigkeit der sozialistischen 
Schriftsteller, ihrer Presse und ihrer Redner ist 
wesentlich nur immer eine negative gewesen und 
wird es auch immer bleiben müssen. Soweit es 
sich um positive Vorschläge handelte, ist man nie 
über allgemeine Redensarten oder utopische Aus- 
malungen und einzelne fruchtlose Versuche der Ver- 
wirklichung hinausgekommen. Was die letzteren 
anlangt, so sind sie von Leuten ausgegangen, 
welche wirklich an ihre sozialistischen Wahngebilde 
glaubten. Zu diesen gehörte Fourier. Es gelang 
ihm endlich, einen Versuch mit der Gründung eines 
Phalanstére zu machen, welches zugleich als land- 
wirtschaftliche und als industrielle Unternehmung 
gedacht war. Schon hatte man eine Aktiengesell- 
schaft gegründet und Grund und Boden zu diesem 
Zweck angekauft. Aber die Zahl der hinlänglich 
Sozialismus. 
  
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utopisch Gesinnten, welche zu der Sache Vertrauen 
gehabt hätten, war zu gering. Es mangelte an 
Kapital, und die ganze Sache schlug fehl. 
Die sozialistischen Doktrinen aber wurden nach 
wie vor gepredigt und fanden stets neue literarische 
Vertreter und neue Gläubige. Unter den An- 
hängern dieser Doktrinen, die Frankreich an- 
gehören, welches Land bis in die zweite Hälfte 
des vorigen Jahrhunderts hinein die hauptsäch- 
lichsten Vertreter des theoretischen Sozialismus 
aufzuweisen hatte, mögen Constantin Pecqueur, 
Louis Blanc und Pierre Joseph Proudhon ge- 
nannt werden. Der erste verkündete seine Theorien 
in dem Buch: De la république de Bien. Union 
religieuse pour la pratique immédiate de 
T’égalité et de la fraternite (Par. 1844). Er 
stand auf dem Boden des Theismus und kam mit 
seinem verschwommenen, von der christlichen Offen- 
barungslehre absehenden Rationalismus und Hu- 
manitarismus zu einem vollständig sozialistischen 
System. Er predigt nicht nur das allgemeine 
Stimmrecht, sondern die sozialistische Produktions- 
weise und eine den Leistungen entsprechende Ent- 
lohnung der Arbeit. Das Gemeinwesen soll ihm 
zufolge derart geordnet werden, daß immer je 10 
bis 20 Individuen durch freundliches Überein- 
kommen einen „Diener“ als ihren Vertreter 
wählen. Diese Vertreter treten dann wieder in 
gewissen Wahlbezirken zusammen, um höhere Re- 
präsentanten zu erkiesen, und das geht so fort, bis 
die Auslese der vorletzten Repräsentantenkollegien 
den servus servorum der Menschheit, das Haupt 
der Gesamtheit an die Spitze des Gemeinwesens 
beruft. Dasselbe soll durch seine Repräsentanten 
die Produktionsmittel in der Hand haben und 
ihre Verwendung leiten sowie den Handel und 
Wandel regeln und beaufsichtigen. Auch muß es 
natürlich Behörden geben, welche die Veranlagung 
und Tüchtigkeit der einzelnen prüfen und ihnen 
danach ihre Tätigkeit anweisen. Der Arbeitslohn 
hat aber für jede Art von Diensten der gleiche zu 
sein, da sämtliche Gattungen Dienste für die 
Menschheit gleich nützlich sind. Ein Schuster ist 
für den wahren Volksmann, was seine Leistungen 
anlangt, ebenso wertvoll wie der geschickteste Arzt. 
Nur das quantitative Plus kann nach Pecqueurs 
System einen höheren Lohn rechtfertigen, und es 
wird nach diesem System auch der Lohn dem ein- 
zelnen zur beliebigen Verwendung überlassen. Der 
volle Kommuniemus schien nach dem, was man 
mit Enfantin erlebt, doch sein Bedenkliches zu 
haben. Trägheit und sonstige Vergehen bei der 
Arbeit werden nach Pecqueur mit Lohnabzügen 
gestraft, die eigentlichen Ubeltäter aber werden 
aus der menschlichen Gesellschaft verstoßen! 
Eine größere Bedeutung als diesem Schrift- 
steller ist Louis Blanc beizulegen. Seine Or- 
ganisation du travail (Par. 1840) hat aller- 
dings im wesentlichen nichts aufzuweisen, was sie 
über die Arbeiten anderer sozialistischer Theoretiker 
erheben würde; ganz im Gegenteil! Enthält sie
	        
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