Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

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Serra, Manual de elecciones usw. (Valencia 
1909); Zanön y Novella, Guta electoral (Coruña 
1909). II Knupfer, II ff Lins.) 
Sparkassen. I. Begriff. Zweck. II. Ge- 
schichte: Gründung. Wirtschaftliche Entwicklung. 
Gegenwärtiger Stand in den wichtigsten Ländern. 
III. Rechtsentwicklung und geltendes Recht in 
Deutschland. IV. Rechtsstellung der Sparkassen. 
Vorstand. Beamte. Aufsichtsbehörden. Sparein- 
lagen. Sparkassenbuch. Dauernde, vorübergehende 
Anlegung der Bestände. V. Förderung des Spar- 
gedankens durch Schaffung besonderer Arten von 
Sparkassen: Postsparkassen (OÖsterreich), Schul-, 
Fabrik-, Vereinssparkassen; auf andere Weise: 
Heimsparbüchsen, Sparmarken, Sparautomaten, 
Nebenstellen, Abholungssystem (Scherl), Kinder- 
sparbücher, Scheck= und Überweisungsverkehr. 
I. Begriff und Zweck. Sparkassen im wei- 
teren Sinn sind alle öffentlichen und privaten An- 
stalten, die Einlagen zur Verwaltung, Verzinsung 
und späteren Rückzahlung an den Einleger oder 
Inhaber des über die Einlage ausgestellten Aus- 
weises annehmen. Im engeren und landläufigen 
Sinn sind es solche Anstalten dieser Art, die ins- 
besondere den minderbemittelten Schichten der Be- 
völkerung Gelegenheit bieten, kleine und kleinste 
Beträge unbedingt sicher und zinstragend anzu- 
legen und zu späterer Verwendung zurückzustellen, 
daneben aber auch besser gestellten, in der Anle- 
gung von Geld jedoch unerfahrenen Personen zur 
Anlegung ihres Vermögens zur Verfügung stehen. 
Die Sparkassen in diesem Sinn, die allein hier zu 
betrachten sind, bezwecken demgemäß, Ersparnisse, 
die oft nur mit großer Selbstverlengnung und 
Überwindung des Verlangens nach Genuß oder 
Beschaffung mehr oder minder notwendiger oder 
nützlicher Gegenstände gemacht wurden, vor dem 
Schicksal zu bewahren, schließlich doch noch aus- 
gegeben oder gar zu unnötigen und unnützen Aus- 
gaben verschleudert zu werden. Statt dessen sollen 
sie für den Unterhalt in den Zeiten der Krankheit 
oder des Alters oder für die Begründung einer 
wirtschaftlichen Selbständigkeit des Sparers selbsft 
oder seiner Kinder angesammelt werden. Die Spar- 
kassen besitzen deshalb einen hohen erzieherischen 
Wert und eine große volkswirtschaftliche Bedeu- 
tung. Sie regen den Sparsinn der Bevölkerung 
an, erwecken und kräftigen in ihr das Gefühl für 
das Eigentum, erziehen sie zu wirtschaftlichem 
Haushalten und fördern damit den allgemeinen 
Wohlstand, während sie durch die Annahme höherer 
Einlagen wirtschaftlich unerfahrene Personen vor 
schlechter Anlegung ihres Vermögens und so vor 
Verlusten und Verarmung schützen. Dementspre- 
chend sind sie den Wohltätigkeitsanstalten zuzu- 
zählen, um so mehr, als sie bei richtiger Auffassung 
ihrer Aufgabe auch bei der Verwertung der ihnen 
anvertrauten Gelder grundsätzlich die Bedürfnisse 
der wirtschaftlich schwachen Bevölkerung in erster 
Linie berücksichtigen. Diese Rücksichtnahme findet 
ihre Grenze allerdings in der Sicherheit der An- 
lagen; innerhalb dieses Rahmens aber bietet sich 
Sparkassen. 
  
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ihnen ein weites Feld der Betätigung, auf dem 
sie das kreditwürdige Geldbedürfnis in einem nur 
durch die Summe ihrer Einlagen beschränkten Um- 
fang zu befriedigen und wirtschaftlich gesunde 
Unternehmungen mit flüssigen Mitteln befruchtend 
zu fördern vermögen. So ausgedehnt ihre Tätig- 
keit als Geldgeber aber auch sein mag, Gewerbe- 
betriebe mit dem Ziel eines möglichst hohen Ge- 
winns für ihren Unternehmer dürfen sie niemals 
werden; denn dadurch würden sie allzuleicht in die 
Versuchung geführt, über den Gewinn die Sicher- 
heit der Anlagen zu vergessen. Für eine weitere 
Darlehensgewährung besitzt die Volkswirtschaft 
zudem andere Unternehmungen: Vorschußvereine, 
Darlehensgenossenschaften, Genossenschaftsbanken 
u. dgl., deren ausgesprochener Zweck der ist, die 
ihnen anvertrauten Einlagen gewerbsmäßig zur 
Darlehnsgewährung zu verwenden. 
II. Geschichte und wirtschaftliche Entwick- 
lung. Die Errichtung von Sparkassen soll nach 
de Malarce zuerst der Franzose Hugues Delestre 
im Jahr 1611 angeregt haben. Sein in der Schrift 
Premier plan du Mont de Piété français con- 
sacré à Dieu, présenté à la Reyne régente 
mere du Roy et du Royaume niedbergelegter 
Vorschlag, jeder Lohnarbeiter solle Einlagen in 
eine Kasse machen dürfen, die ihm je nach der 
Dauer der Einlage verzinst und eine gewisse Zeit 
nach Kündigung je nach Wunsch ganz oder zum 
Teil zurückgezahlt werden sollten, kam jedoch nicht 
zur Ausführung. Die erste Sparkasse wurde viel- 
mehr in Deutschland errichtet; es war die im Jahr 
1765 in Braunschweig ins Leben gerufene „Her- 
zogliche Leihkasse“. Ihr folgte in Hamburg 1778 
eine Kasse, die als erste den Namen „Ersparungs- 
kasse“ führte und bestimmt war, „zur Aufsamm- 
lung und Fruktifizierung der kleinen Ersparnisse 
der unteren Volksklassen“ und „zum Nutzen ge- 
ringer fleißiger Personen beiderlei Geschlechts, als 
Dienstboten, Tagelöhner, Handarbeiter, Seeleute 
u#sw., um ihnen Gelegenheit zu geben, auch bei 
Kleinigkeiten etwas zurückzulegen“. Sie war von 
der dort 1765 gegründeten „Versorgungsanstalt“ 
als deren „neunte selbständige Kasse“ errichtet, 
mußte aber nach anfänglich segensreichem Wirken 
1814 in Liquidation treten, die 1823 ohne Ver- 
luste für die Beteiligten abgeschlossen wurde. Im 
18. Jahrh. entstanden außer diesen beiden in 
Deutschland Sparkassen nur noch in Oldenburg 
1786 und in Kiel 1796, denen 1801 solche in 
Göttingen und Altona folgten. — In Frankreich 
war um 1780 eine Gesellschaft gegründet worden, 
die untersuchen sollte, wie in angemessener Weise 
für die Zukunft der minderbemittelten Bevölke- 
rung gesorgt werden könne. Ein von Laveisier 
1786 in der Provinzialversammlung zu Orleans 
gemachter Vorschlag, eine Leibrentenanstalt unter 
Bürgschaft der Provinz zu errichten, wurde jedoch 
abgelehnt. Erst 1791 wurde auf Beschluß der 
Nationalversammlung einem Antrag Mirabeaus 
entsprechend eine Caisse d’épargne et de bien-
	        
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