Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

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faisanes geschaffen, die aber keine Sparkasse in 
unserem Sinn war. Eine solche wurde dann zwar 
in dem Gesetz vom 24. pluviöse an VII als eine 
Unterabteilung der Bank von Frankreich vorge- 
sehen, zunächst aber noch nicht eingerichtet. Erst 
nach den napoleonischen Kriegen gewann der 
Sparkassengedanke wieder Boden, so daß es 1818, 
dank der lebhaften Bemühungen Benjamin De- 
lesserts, des Direktors der 1816 gegründeten Com- 
pagnie royale d’assurances maritimes, end- 
lich zur Gründung einer Sparkasse in Paris kam. 
— Noch im 18. Jahrh. schufen dagegen eine 
Reihe von Schweizer Kantonen und Städten 
Sparkassen: zuerst Bern, wo die Regierung 1787 
mit einem zinslosen Kapital von 40 000 Livres 
eine „Dienstenkasse“ ins Leben rief. Ihr folgte 
Genf 1789, allerdings mit einer Privatanstalt, 
1792 Basel mit einer „Leihanstalt“, die 1809 in 
eine Sparkasse umgewandelt wurde, 1805 Zürich, 
1811 St Gallen und 1812 Schwyz, Aarau und 
Neuchätel. — In England wurde als erste im 
Jahr 1798 eine als Wohltätigkeitsanstalt gedachte 
Kasse in London errichtet; als zweite 1801 die 
von Priscilla Wakefield gegründete Kasse in 
Tottenham bei London, danach 1808 die Servant 
Saving Bank der Lady Isabella Douglas in Bath, 
sodann 1810 zu dem ausgesprochenen Zweck, die 
Armut zu mildern und eine geplante Armensteuer 
entbehrlich zu machen, die von Henri Duncan ge- 
schaffene Kasse in Ruthwel in Schottland und end- 
lich 1814 die durch die Gesellschaft zur Unter- 
drückung des Bettelns gegründete Edinburgh 
Saving Bank und als erste irische Sparkasse die 
Parochialbank in Stillorgan. — In Italien traten 
die ersten Sparkassen 1822 in Venedig und andern 
Städten von Venetien und 1823 in der Lombardei, 
zunächst in Mailand, in Wirksamkeit. — Auch in 
Deutschland, dem Land der ersten Sparkasse, wur- 
den jetzt mehr und mehr Sparkassen gegründet: 
1816 in Baden, Karlsruhe und Schleswig, 1817 
in Lübeck und Glücksburg, 1818 in Berlin, Stutt- 
gart und Brieg (Schlesien). 1819 als erste öster- 
reichische Sparkasse die zu Wien usw. Die Spar- 
kasse hatte sich Anerkennung verschafft und trat 
nun ihren Siegeszug durch die Welt an, überall 
Segen stiftend und Nutzen bringend und in Er- 
kenntnis dessen in den meisten Ländern wesentlich 
gefördert durch die Gesetzgebung und Verwaltung, 
vor allem aber in kluger Ausnutzung der wirt- 
schaftlichen Verhältnisse sich selbst in ständigem 
Wachsen vorwärts helfend. 
Einige Zahlen lehren es; im Jahr 1838 bestan- 
den in Preußen erst 86 Sparkassen: 80 städtische, 
I kreisständische und 5 private, mit insgesamt rund 
18 Mill. M Einlagen. 1850 gab es bereits 234 
Sparkassen mit 54 Mill. Einlagen, 10 Jahre 
später 471 Sparkassen mit 151 Mill., 1875 schon 
1004 mit rund 1100 Mill.; 1890 war die Zahl der 
Sparkassen gestiegen auf 1393 mit rund 3300 
Mill. und 1905 auf 1549 mit rund 8300 Mill. M. 
In ähnlicher Weise hat die Zahl der Sparkassen 
und die Summe der Einlagen, nur hie und da von 
Sparkassen. 
  
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besondern Umständen beeinflußt, in den andern 
deutschen Bundesstaaten und in den übrigen Kul- 
turländern zugenommen. Im einzelnen darauf ein- 
zugehen, führt zu weit; es mag genügen, eine ver- 
gleichende Übersicht des Stands der Einlagen und 
der Anzahl der Bücher (Konten) in den einzelnen 
Ländern nach der letzten Zusammenstellung des 
Königlich Preußischen Statistischen Landesamts zu 
geben (Pr. St.L.A. Z. Jahrg. 1910, 1. Abt., S. vuu). 
Siehe Tabelle auf Sp. 1325/1326. 
III. Bechtsentwicklung und geltendes 
Recht. Die ersten Sparkassen waren, wie oben 
näher ausgeführt ist, meist Gründungen wohl- 
meinender Privatpersonen und gemeinnütziger 
Vereine, nur selten Unternehmungen öffentlich- 
rechtlicher Verbände, der Städte oder des Staats. 
Ein besonderes Recht für sie gab es anfangs nicht, 
sie mußten sich den bestehenden gesetzlichen Vor- 
schriften anpassen, bis die Staaten sich ihrer all- 
mählich annahmen und besondere Gesetze für sie 
schufen. 
In Preußen hatte die Städteordnung vom 
19. Nov. 1808 zunächst davon abgesehen, für die 
Errichtung von Sparkassen eine Genehmigung der 
Aufsichtsbehörde vorzuschreiben. Erst nach Erlaß 
der revidierten Städteordnung vom 17. März 
1831 wurde sie mit der Begründung für nötig 
erachtet, daß in der Annahme der Spareinlagen 
die genehmigungspflichtige Aufnahme einer An- 
leihe zu erblicken sei. Eine ständige Aufsicht über 
die Sparkassen aber brachte auch die revidierte 
Städteordnung nicht; der Staat kümmerte sich 
nicht weiter um sie. Erst 1883 wurde er auf sie 
aufmerksam, als das Gesetz vom 17. Juni 1833 
bestimmte, daß Inhaberpapiere nicht ohne könig- 
liche Genehmigung ausgestellt und in Umlauf ge- 
setzt werden dürften (§ 1), und Zweifel darüber 
entstanden, ob unter diese Vorschrift nicht auch die 
Sparkassenbücher fielen. Eine Allerhöchste Order 
vom 16. April 1836 gestattete zwar inzwischen 
die Beibehaltung der auf den Inhaber bereits aus- 
gestellten Bücher, verbot dagegen die Ausstellung 
neuer. Erst das „Reglement, die Einrichtung des 
Sparkassenwesens betreffend“ vom 12. Dez. 1838 
brachte eine endgültige Neureglung. Es ist noch 
heute in Kraft und hat sich bisher für die Spar- 
kassen als sehr förderlich erwiesen. Den Gemeinden 
gewährt es ein freies Selbstbestimmungsrecht in 
weitem Umfang und beschränkt sich im wesentlichen 
darauf, in großen Zügen Leitsätze für die Einrich- 
tung, den Geschäftsbetrieb und die staatliche Be- 
aussichtigung der Sparkassen zu geben. Im ein- 
zelnen bestimmt es, daß die Gemeinde sich nach 
Zustimmung der Stadtverordnet sammlung 
oder der sonstigen „Kommunalrepräsentation“ 
zwecks Einholung der Genehmigung an die Auf- 
sichtsbehörde zu wenden und ihr die nötigen Vor- 
schläge für die Einrichtung der Sparkasse zu 
machen habe. Die Genehmigung soll keiner Ge- 
meinde versagt werden, die „deshalb zweckmäßige 
Vorschläge tut und nach ihrer Lage und dem ge- 
ordneten Zustand ihres Haushalts den Einlegern 
 
	        
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