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die Kommissarien desselben können den Kommis-
sionssitzungen mit beratender Stimme beiwohnen.
Nach beendeter Kommissionsberatung wählt die
Kommission, falls sie eine Erörterung im Plenum
des Reichstags beantragt, aus ihrer Mitte einen
Berichterstatter, der die Ansichten und Anträge
der Kommission in einem Bericht zusammenstellt.
Der Bericht kann schriftlich oder mündlich er-
stattet werden. Der Reichstagspräsident hat dem-
nächst die Einbringung der Petition auf die Tages-
ordnung des Reichstags zu verfügen und den Tag
der Verhandlung festzustellen. Dasselbe hat zu
geschehen, wenn die Kommission eine Petition für
ungeeignet zur Erörterung im Plenum erachtet
hat, 15 Mitglieder des Reichstags aber deren
Erörterung im Plenum beantragen. Der Reichs-
tag kann in diesem Fall die Petition an die
Petitionskommission zur schriftlichen und münd-
lichen Berichterstattung zurückverweisen. Der Ver-
handlungstag im Plenum des Reichstags ist
der Mittwoch. Die Petitionen werden auf die
Mittwochstagesordnung in der Reihenfolge ge-
bracht, in welcher sie zur Verhandlung im Plenum
vorbereitet sind. Der Reichstag erledigt die im
Plenum zur Erörterung gelangten Petitionen ent-
weder durch deren Überweisung an den Reichs-
kanzler oder durch deren Verwerfung oder durch
die Unterlassung jeder Diskussion, wenn dem An-
trag der Kommission, die Petition für nicht ge-
eignet zur Erörterung im Plenum zu erachten,
zugestimmt wird. Die Entscheidung des Reichs-
tags wird den Petenten durch das Reichstags-
bureau kundgetan. Petitionen, welche in der-
jenigen Sitzungsperiode, in welcher sie eingereicht
sind, nicht zur Beschlußfassung gediehen sind,
gelten für erledigt. Dieselben können in der
nächsten Sitzungsperiode nicht aufgenommen, son-
dern müssen neu eingebracht werden. Der Bundes-
rat hat dem Reichstag eine Übersicht über die von
ihm bei dessen Wiederzusammentritt über die Peti-
tionen gefaßten Entschließungen gedruckt zugehen
zu lassen. Binnen 14 Tagen nach erfolgter Ver-
teilung dieser Übersicht ist jedes Mitglied des
Reichstags berechtigt, das Verzeichnis zum Gegen-
stand von Bemerkungen zu machen, welche sich
jedoch zu beschränken haben auf den Mangel der
Erledigung bestimmt anzuführender Punkte und
auf die Unvollständigkeit der gegebenen Auskunft.
Diejenigen Beschlüsse des Reichstags, welche durch
Zustimmung oder Ablehnung des Bundesrats
ihre Erledigung gefunden haben, dürfen nicht zum
Gegenstand der Bemerkungen gemacht werden.
Die Bemerkungen sind dem Präsidenten schriftlich
einzureichen, der sie dem Reichskanzler mitzuteilen
und sodann auf die Tagesordnung zu setzen hat.
Bei der alsdann stattfindenden Verhandlung im
Plenum ist zwar die Stellung eines Antrags un-
zulässig, es bleibt aber jedem Reichstagsmitglied
unbenommen, den Gegenstand in den regelmäßigen
Formen der Geschäftsordnung (Interpellation oder
besonderer Antrag) weiter zu verfolgen.
Petitionsrecht.
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In übereinstimmender Weise ist das Petitions-
verfahren der Volksvertretungen in den Einzel-
staaten des Deutschen Reichs geordnet, Bayern,
Baden und die anhaltischen Fürstentümer aus-
genommen, in welchen nicht den einzelnen Stände-
kammern, sondern nur dem Gesamtlandtag das
Petitionsrecht gewährt ist. Die bayrische Ver-
fassung bestimmt in Tit. VII, § 19: Die Stände
haben das Recht, in Beziehung auf alle zu ihrem
Wirkungskreis gehörigen Gegenstände dem König
ihre gemeinsamen Wünsche und Anträge in ge-
eigneter Form vorzubringen. § 20: Jeder Abge-
ordnete hat das Recht, in Beziehung auf die zum
Wirkungskreis der Ständeversammlung gehörigen
Gegenstände seine Wünsche und Anträge in seiner
Kammer vorzubringen, welche darüber, ob die-
selben in nähere Uberlegung gezogen werden sollen,
durch Mehrheit der Stimmen erkennt und sie im
bejahenden Fall an den betreffenden Ausschuß
zur Prüfung und Würdigung bringt. Die von
einer Kammer über solche Anträge gefaßten Be-
schlüsse müssen der andern Kammer mitgeteilt und
können erst nach deren Beistimmung dem König
vorgelegt werden. § 21: Jeder einzelne Staats-
bürger sowie jede Gemeinde kann Beschwerden
über Verletzung der konstitutionellen Rechte an
die Ständeversammlung, und zwar an jede
der beiden Kammern, bringen, welche sie durch
den hierüber bestehenden Ausschuß prüft und ge-
eignetenfalls in Beratung nimmt. Erkennt die
Kammer durch Stimmenmehrheit die Beschwerde
für begründet an, so teilt sie ihren diesfalls an
den König zu erstattenden Antrag der andern
Kammer mit, welcher, wenn diese demselben bei-
stimmt, in einer gemeinsamen Vorstellung dem
König übergeben wird. § 28: Ein Gegenstand,
über welchen die beiden Kammern sich nicht ver-
einigen, kann in derselben Sitzung nicht wieder
zur Beratung gebracht werden. § 29: Die könig-
liche Entschließung auf die Anträge der Reichs-
stände erfolgt nicht einzeln, sondern auf alle ver-
handelten Gegenstände zugleich bei dem Schluß
der Versammlung. Der Geschäftsgang des Land-
tags ist durch Gesetz vom 25. Juli 1850 in ähn-
licher Weise wie für den Reichstag geregelt; nur
müssen die Kommissionen vor der Berichterstat-
tung die betreffenden Staatsminister oder Kom-
missare hören. Berichte und Gutachten, welche
über Anträge und Beschwerden abzugeben sind,
sind behufs Beratung schriftlich zu erstatten. Die
württembergische Verfassung hat den dort
bestehenden, ständig tagenden Ausschüssen ein
Petitionsrecht übertragen. Die sächsische Ver-
fassung hat das Beschwerderecht gegen die oberste
Staatsbehörde sowie gegen Verfügungen von
Ministerialdepartements über die Anwendung der
Gesetze in der Landesverwaltung und Rechtspflege
jeder Kammer gewährt, insofern sich deshalb nicht
beide Kammern zu vereinigen vermögen. In
Hessen ist jeder Kammer gestattet, die höchste
Regierung von der beabsichtigten Petition oder