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des Kriegs von 1870/71 in solchem Umfang ge-
zeigt, daß besondere Gesetze geschaffen werden
mußten, um die Sparkassen vor der Zahlungs-
einstellung, die Staatskassen vor allzu großer
Schwächung infolge Rückzahlung der Sparein=
lagen zu bewahren. So hoch die Postsparkassen
deshalb auch eingeschätzt werden müssen, wenn man
ihr Wirken vom Standpunkt der Förderung des
Spargedankens aus betrachtet, so dürfen doch auch
ihre großen Nachteile nicht verkannt werden. Ins-
besondere darf nicht vergessen werden, daß sie nur
in solchen Ländern am Platz und auch nur da ein-
gerichtet sind, in denen das Sparkassenwesen ohne
sie zu einer Blüte nicht kommen konnte. Es ist
deshalb stets die übereinstimmende Meinung der
Sparkassenfachmänner und aller einsichtigen Kom-
munalpolitiker gewesen, daß die Einrichtung einer
Postsparkasse in Deutschland mit seinem hoch-
entwickelten Gemeindesparkassenwesen sich nicht
empfehle. Die verbündeten Regierungen haben
daher auch in richtiger Würdigung dieser Stel-
lungnahme nach Ablehnung eines dem Reichstag
von ihnen im Winter 1884/85 vorgelegten Ge-
setzentwurfs Vorschläge in dieser Richtung nicht
mehr gemacht.
Von vielen lebhaft empfohlen, aber gleichfalls
nicht ohne wesentliche Nachteile sind die Schul-
sparkassen. Sie beabsichtigen, dem Schulkind
das Sparen anzuerziehen und ihm eine bequeme
Gelegenheit dazu zu bieten. Sie stehen unter der
Leitung des Lehrers und sammeln die Einlagen
in kleinsten Beträgen. Diese werden zunächst ge-
meinsam bei der Sparkasse, der die Schulsparkasse
angeschlossen ist, angelegt, bis die einzelnen Ein--
lagen eine solche Höhe erlangt haben, daß sie auf
ein besonderes Konto eingezahlt werden können.
Aus den Zinsen werden nach Deckung der Ver-
waltungskosten häufig Prämien an die eifrigsten
Sparer verteilt. Werden die Schulsparkassen in
der richtigen Weise geleitet, so können sie zweifel-
los überaus segensreich wirken, und einen guten
Einfluß nicht nur auf die Kinder, sondern weiter
zurück auch auf die Eltern ausüben, die sie durch
die Kinder mit den Vorteilen des Sparens bekannt
machen. In der Leitung liegt aber gerade die
größte Schwierigkeit; denn sie verlangt neben ge-
nauester Kenntnis des Charakters der Sparer und
ihrer häuslichen Verhältnisse eine große Hingebung
an die Aufgabe, diese kleinsten Beträge zu sammeln
und die zeitraubende Arbeit des Buchführens über
Sparkassen.
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Vorsicht bei der Einführung der Schulsparkassen
wird deshalb stets geboten, und sie wird überall
da zu unterlassen sein, wo nicht ein wirklich für
seine Aufgabe begeisterter und zweifellos geeigneter
Leiter vorhanden ist. Die Schulsparkassen sind
deshalb auch nicht sehr verbreitet, übrigens in
England, Belgien, Frankreich und Italien mehr
als in Deutschland, wo die ersten 1820 und 1833
in Goslar und Apolda ins Leben gerufen wurden,
und jetzt der Deutsche Verein für Jugendsparkassen
eine lebhafte und dankenswerte Werbetätigkeit für
sie entfaltet. Etwas anderes ist es, wenn Schul-
sparkassen in Fortbildungsschulen eingerichtet wer-
den, deren Schüler schon selbst verdienen und den
Gedanken des Sparens besser verstehen als die
Kinder der Volks= und im Alter ihren Schülern
gleichstehenden Schulen, oder wenn Fabriken für
ihre Lehrlinge oder sämtlichen Arbeiter Sparkassen
errichten. Gerade auf dem Gebiet der Fabrik-
sparkassen ist in neuerer Zeit viel geleistet
worden, und ebenso haben Gesellen-, Arbeiter-
und andere Vereine Sparkassen für ihre Mitglieder
gegründet, die überaus segensreich wirken.
Auch auf andere Weise sind die Sparkassen-
verwaltungen darauf bedacht, das Sparen zu för-
dern und zu erleichtern. Die Mittel, deren sie sich
bedienen, sind zahlreich; sie geben Heimsparbüchsen
und Sparmarken aus, stellen Sparautomaten auf,
gründen Neben-- und Annahmesstellen, lassen die
Spargroschen von eigens dazu angestellten Be-
amten — ähnlich wie es der bekannte Plan August
Scherls wollte, aber ohne seine Erweiterung, die
Verlosung von Prämien aus einem Teil des Zins-
gewinns — abholen und gewähren da und dort
Prämien und höhere Zinsen für bestimmte, auf
längere Zeit festgelegte Einlagen oder an bestimmte
Bevölkerungsschichten, wie Dienstboten und Ar-
beiter bis zu einem bestimmten Einkommen. Auch
dazu sind neuerdings manche Sparkassen über-
gegangen, jedem im Bezirk des Garantieverbands
heimatberechtigten Kind bei seiner Geburt, bei Er-
reichung des schulpflichtigen oder eines späteren be-
stimmten Alters ein Sparbuch mit einer gewissen
Einlage bedingungslos oder mit der Bedingung
des Weitersparens in bestimmtem Umfang zu
schenken, um es zum Sparen zu erziehen und doch
die Nachteile der Schulsparkassen zu vermeiden.
Die Erfolge dürften gute werden; denn auf diese
Weise dringt mit der Zeit in jede, auch die ärmste
Familie ein Sparbuch ein, das, einmal vorhan-
sie mit der nötigen Sorgfalt auszuführen. Achtet den, zweifellos oft benutzt werden wird, wenn ohne
der Leiter nicht sorgsam auf seine Einleger, und sein mahnendes Dasein ein Geldstück leichtherzig
weiß er die Einlagen nicht mit feinem Takt ent= ausgegeben werden würde. Auf diese Weise wer-
gegenzunehmen, oder vergreift er sich einmal in den, wenn die aus der Statistik der letzten Jahre
der Verteilung der Sparprämien, so wird er sich ergebende Tatsache, daß die kleineren Sparer
häufig, ohne es zu wissen und zu wollen, Habgier den Einlegern größerer Guthaben gegenüber mehr
und Neid in den kindlichen Seelen erwecken, ja und mehr zurückgehen, nicht einfach damit zu er-
das Sparen wird die Kinder vielleicht sogar zum klären ist, daß eben die gerade in den letzten Jahren
Stehlen und Betrügen verleiten, wenn sie es darin stark vermehrten Schul-, Fabrik= und Vereins-
gern ihren besser gestellten Mitschülern gleichtun sparkassen viele kleine Guthaben gesammelt zur
möchten, und es doch bei ihrer Armut nicht können. | Einlage und deshalb in der Statistik zum Ver-