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schwinden bringen, auch die wirtschaftlich schwäch-
sten Kreise wieder mit dem Spargedanken in Ver-
bindung gebracht und von neuem zum Sparen
angeregt.
Ein ganz neuer Weg zur Förderung des Spar-
gedankens ist den Sparkassen durch die Verleihung
der Scheckfähigkeit gemäß § 2, Nr 1 des Reichs-
scheckgesetzes vom 11. März 1908 eröffnet wor-
den. Sie sind nunmehr in der Lage, ihren Ein-
legern den Vorteil des Scheckverkehrs zuwenden
zu können, der allein manche sonst nicht als Bank-
kunden in Frage kommende kleine Gewerbetrei-
bende und Kaufleute dazu veranlaßte, einer Bank
statt einer Sparkasse mit ihrem Betriebskapital zu-
gleich ihre Ersparnisse anzuvertrauen. Die meisten
deutschen Bundesstaaten haben denn auch bereits
Vorschriften über den Scheckverkehr der öffent-
lichen Sparkassen gegeben, so Preußen durch den
Erlaß des Ministeriums des Innern vom 20. April
1909, in dem den Sparkassen eine verhältmis-
mäßig große Freiheit gewährt und ihnen außer
der Einführung des Scheckverkehrs auf Spargut-
haben auch die eines besondern Depositen= und
Kontokorrentverkehrs mit Scheck= und Giroüber-
weisungen neben dem bisherigen Sparverkehr ge-
stattet ist. Auch der deutsche Sparkassenverband,
dem fast sämtliche deutschen Sparkassen angehören,
hat sich schon seit längerer Zeit eingehend mit der
Einführung des Scheck= und Überweisungsverkehrs
bei den Sparkassen beschäftigt und in seiner Mit-
gliederversammlung vom 4. Dez. 1909 im Rat-
haus zu Charlottenburg eine entsprechende Ent-
schließung angenommen. Ebenso herrscht in seinen
Unterverbänden eine lebhafte Tätigkeit zur Ver-
wirklichung dieses Gedankens, die im Königreich
Sachsen schon vor dem Erlaß von Ausführungs-
vorschriften zum Scheckgesetz und ohne Heran-
ziehung des Scheckverkehrs zu einer ganz vorzüg-
lichen Lösung durch Gründung eines Giroverbands
sächsischer Gemeinden geführt hat. Der Giro-
verband, der am 1. Jan. 1909 mit 150 ange-
schlossenen Gemeinden seine Tätigkeitaufgenommen
hat, konnte über seine ersten vier Geschäftsmonate
berichten, daß im Januar ¾, im Februar 1¼.=
im März 2 und im April 1909 schon 5 Mill. M
im Verkehr von Ort zu Ort überwiesen worden
seien. Durch die weitere Ausdehnung des Über-
weisungsverkehrs allein oder in Verbindung mit
dem Scheckverkehr schaffen die deutschen Spar-
kassen eine Einrichtung, die die Vorteile des neu-
zeitlichen Geldverkehrs bis in die untersten Schich-
ten des Volks hineinträgt, die für den Bankverkehr
nicht mehr in Frage kommen. Die Sparkassen
werden dann dem kleinen Mann und einem Teil
des Mittelstands nicht nur wie bisher lediglich zur
nutzbringenden Verwendung seiner Ersparnisse
dienen, sondern ihm auch in seinem Zahlungs-
verkehr helfend zur Seite stehen, zumal wenn sie
ihm aus den ihnen im Depositen= und Konto-
korrentverkehr zufließenden Mitteln zugleich einen
auf irgend eine Weise gedeckten Kontokorrent=
Sperrgesetz — Spinoza.
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kredit einräumen. Ihre Bedeutung für die Volks-
wirtschaft wird dadurch noch gesteigert und ihnen
für alle Zeiten gesichert.
Literatur. Elster, Art. „S.-“, bei Stengel, Wör-
terbuch des deutschen Verwaltungsrechts II (1890)
468 ff; Seidel, Art. „S.“, bei Conrad, Handwör-
terbuch der Staatswissenschaften V (21901) 849 ff
Seidel, Das deutsche S.wesen I (1896); Kappel-
mann, Handbuch für preuß. S. (1898); Loening,
Armenwesen 8§ 41/44, bei v. Schönberg, Handbuch
der Polit. Okonomie III, 2 (1898) 445 ff; Seidel,
Das S wesen in Deutschland u. dessen sozialpolit.
u. wirtschaftl. Bedeutung, in Preuß. Verw.-Bl. XX
(1899) 185 ff, 221 ff; Scherl, Das Scherlsche Prä-
mien-Sparsystem (1904); Oertel, Die Städteord-
nung für die sechs östl. Provinzen der Preuß. Mon-
archie vom 30. Mai 1853 (71905); v. Bitter,
Handwörterbuch der preuß. Verwaltung II (1906)
468 ff; Evert, Art. „S.“, bei Elster, Wörterbuch
der Volkswirtschaft II (21907) 930 ff; v. Knebel-
Doeberitz, Das S. wesen in Preußen (1907); Schach-
ner, Das austral. S. wesen mit für das deutsche u.
österreich. Sparwesen vorbildlichen Einrichtungen,
bei Conrad, Jahrbücher für Nationalökonomie u.
Statistik, III. Folge, Bd 34 (1907) 65 ff; Fünf-
undzwanzig Jahre Postsparkasse (Verlag des k. k.
Postsparkassenamtes, Wien 1908); Conrad, Das
Postsparkassenamt in Wien, in Jahrbücher für Na-
tionalökon. u. Statistik, III. Folge, Bd 35 (1908)
664 ff; Seidel, Das S. wesen, bei Bücher, Zeitschr.
für die ges. Staatswissenschaft LXIV (1908) 58 ff;
v. Brauchitsch, Die neuen preuß. Verwaltungs-
gesetze III (71908) 763/779; Bruns, Neue Bahnen
für die S., in Preuß. Verw.-Bl. XXX (1909) 403ff;
Kähler, Der Aachener Verein zur Beförderung der
Arbeitsamkeit, bei Conrad, Jahrbücher für Natio-
nalökon. u. Statistik, III. Folge, Bd 39 (1910)
372 ff; Riedel, Der Giro= u. Scheckverkehr bei den
S. (1910); Schachner, Kritik des italien. S. wesens,
bei Conrad, Jahrbücher für Nationalökon. u. Sta-
tistik, III. Folge, Bd 39 (1910) 325 ff; Schachner,
Das franzöf. S. wesen, ebd. 1 ff; Zeitschr, des Königl.
Preuß. Statist. Landesamts, 50. Jahrg. (1910)
I. Abt.; Bericht über die Mitgliederversammlung
des deutschen S.verbands im Rathaus zu Char-
lottenburg vom 4. Dez. 1909 (1910); Deutscher
S.kalender, hrsg. vom deutschen S. verband; Die
Sparkasse. Amtl. Organ des deutschen S. verbandes
(Hannover). LG. Sperlich.])
Sperrgesetz s. Kulturkampf (Bd III, Sp.
589)
Spinoza. lI. Leben und Werke. II. Gesamt-
anschauung. III. Staatsphilosophie: 1. Rechts-
und Staatslehre; 2. Staatskirchenrecht und
Toleranz.]
I. Baruch oder (wie er seit seiner Trennung von
der Synagoge den hebräischen Namen ins Latei-
nische übersetzte) Benedikt Spinoza (d'Espinozo),
geb. am 24. Nov. 1632 zu Amsterdam, gest. am
21. Febr. 1677 im Haag, entstammte einer aus
der Pyrenäischen Halbinsel nach den Niederlanden
eingewanderten jüdischen Familie. In allen rab-
binischen Wissenschaften ausgebildet (der berühmte
Morteira war sein Lehrer), mit dem Talmud und
der kabbalistischen Literatur sowie mit den jüdischen
Exegeten ebenso vertraut wie mit den jüdischen