Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

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17. Jahrh. bei den Gallilanern und Jansenisten 
warme Verteidiger. Aber abgesehen von der lirch- 
lichen Verurteilung dieser Theorie (Pius VI. 
Auctorem fidei vom 28. Aug. 1794. Prop. 
damn. 9, 10; vgl. Denzinger, Enchiridion 
Nr 1509, 1510) können die Pfarrer schon deshalb 
nicht iuris divini sein, weil sie bis zum 4. Jahrh. 
nicht existierten. Sie sind vielmehr iuris homani, 
ecclesiastici. Daraus ergibt sich auch die recht- 
liche Stellung des Pfarrers zum Bischof. Der 
Pfarrer übt im Namen und Auftrag des Bischofs 
die Seelsorge aus; dennoch wird seine Jurisdiktion 
nicht als potestas delegata, sondern als ordi- 
naria angesehen, d. i. er besitzt in dem ihm zu- 
gewiesenen Teil der Dihzese Jurisdiktion kraft 
seines Amts. Weil dieses Amt mit einem auf 
Lebenszeit verliehenen Benefizium verbunden ist, 
gilt der Pfarrer als inamovibel. Allerdings ist die 
Inamovibilität keine absolute. Der Bischof kann 
einen Pfarrer, dessen Verbleiben in der Pfarr- 
gemeinde als schädlich angesehen werden muß, auf 
dem Verwaltungsweg selbst gegen seinen Willen 
und trotz seiner persönlichen Schuldlosigkeit aus 
dem Amt entfernen (amotio ceconomica) freilich 
muß er ihm in solchem Fall eine gleich gute Pfründe 
wiedergeben (c. 5, X. 3, 19; S. Congr. Conc. 
19. Dez. 1857). Der administrativ wider seinen 
Willen versetzte Pfarrer kann selbstverständlich 
gegen die Maßregel bei der höheren Instanz (Me- 
tropolit, Papst) Rekurs ergreifen. Die Strafe 
der in verschiedengradiger Schärfe möglichen Amts- 
entsetzung (amotio poenalis — privatio bene- 
ficii — depositio — degradatio) kann beim 
Pfarrer wie bei jedem Benefiziaten nur in ge- 
ordnetem gerichtlichen Verfahren ausgesprochen 
werden. Bemerkenswert ist die Bestimmung des 
Tridentinums: Eos vero (parochos), qui tur- 
Piter et scandalose vivunt, postquam prae- 
moniti fuerint, coerceant (episcopi) ac casti- 
gent; et si adhuc incorrigibiles in sua ne- 
duitia perseverarent, eos beneficiis, juxta. 
sacrorum canonum constitutiones, exemp- 
tione et appellatione quacumque remota, 
privandi facultatem habeant (sess. XXIV. 
de ref. c. 6). Unter den zehn dem Vatikanischen 
Konzil vorgelegten Postulata complurium Ger- 
maniae Episcoporum befand sich auch der 
Wunsch nach Erleichterung im Absetzungs= bzw. 
Versetzungsverfahren (vgl. Laammer, Zur Kodi- 
fikation des kanonischen Rechts (18991 117). 
Wo die Pfarrer amovibel sind, sind sie 
nicht eigentliche Pfarrer im kirchenrechtlichen 
Sinn. Das kirchliche Recht verlangt: Ecclesias 
Parochiales de sua natura in perpetuum 
conferendas esse et non amovibiliter, non 
obstante quacumque contraria consuetu- 
dine (S. Congr. Conc. 14. Febr. 1846). Da- 
her haben die Missionspfarrer ebenso wie die sog. 
Curss desservants in Frankreich, Belgien, Hol- 
land, Rheinpreußen, England und Irland nur 
die Stellung von Pfarrvikaren. Dieses durch die 
Pfarrer. 
  
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weltliche Gewalt eingeführte Institut der Sukkur- 
salpfarrer entstand in Frankreich, da nach 
Art. 9 des Konkordats Pfarreien nur mit Geneh- 
migung der Staatsbehörde errichtet werden sollten, 
die Regierung aber erklärte, in jedem Kanton nur 
einen einzigen Pfarrer (cantonaliste) anerkennen 
zu wollen. Dies hat die Genehmigung des Päpst- 
lichen Stuhles gefunden; Gregor XVI. erklärte 
1845, daß es dabei bleiben solle; Pius IX. reser- 
vierte diese Frage 1866 dem Pöäßpstlichen Stuhl; 
sie wurde auch dem Vatikanischen Konzil vorgelegt, 
blieb aber unerledigt. Das Institut der Sukkur- 
salpfarrer ist von der Kirche nur geduldet, wäh- 
rend das kirchliche Recht verlangt, e#clesias paro- 
chiales de sua natura in perpetuum 
conferendas esse et non amovibiliter, non 
obstante quacumque contraria consuetudine 
(8. C. C. 1846). Das preußische Gesetz vom 
11. Mai 1873 verlangte dauernde Besetzung 
des Pfarramts binnen Jahresfrist (§ 18), und 
zwar auch für die sog. Sukkursalpfarrer des 
linken Rheinufers (§ 19). Nach dem Gesetz vom 
29. April 1887 findet ein solcher Zwang nicht 
mehr statt (8 3, Art. 2). 
Seit einigen Dezennien hat sich in den meisten 
preußischen Diözesen lediglich auf dem Weg der 
bischöflichen Verwaltungspraxis das Seelsorge- 
institut der vom Pfarrer in der cura animarum 
mehr oder minder unabhängigen Pfarrvikare 
gebildet. „Die Pfarrvikarien spielen zweifelsohne 
im Organismus der Diözesen eine immer wichtiger 
werdende Rolle. Die Pfarrvikarie ist eine den 
preußischen Diözesen gemeinsame Neubildung auf 
dem Gebiet des kirchlichen Verfassungsrechts; ge- 
meinsam, weil der Grund für diese provisorische 
Schöpfung überall derselbe ist: rapides Anwachsen 
der Bevölkerung, besonders in Industriegegenden 
und in Städten, so daß das vorhandene Parochial- 
netz für eine intensive und individuelle Seelsorge 
ungenügend wird, Geldnot und staatliches Mit- 
wirkungsrecht, wodurch Pfarrneugründungen sehr 
in die Länge gezogen werden. Wie sich seit dem 
4. Jahrh. die Pfarreien aus der direkten Seel- 
sorge der Bischöfe emanzipierten, um unter einem 
sich anbahnenden Gemeinrecht in der Diözese zu 
bleiben, aber in ein anderes Verhältnis zum Bi- 
schof zu treten, so scheint vielerorts heute eine 
parallele Entwicklung in Bezug auf die Pfarreien 
begonnen zu haben. Unter Beiseitesetzung des 
Pfarrzwangs erscheint ein Institut, das sich schließ- 
lich zu einer Art Quasipfarrei in der kanonischen 
Pfarrei entwickelt, ein Institut, dessen Rechtsboden 
heute noch durchaus unklar ist und das nach einer 
gemein= oder wenigstens partikularrechtlichen Le- 
gitimierung seines Verhältnisses zum Bischof einer- 
seits und zum Pfarrer anderseits sucht und strebt“ 
(Schüller, die Pfarrvikarie in der Diözese Trier, 
im Archiv für kath. Kirchenrecht LXXXIX 35 f 
Eine eigenartige Stellung nehmen die Mili- 
tärpfarrer ein. Im preußischen Heer wurde 
eine exemte Militärseelsorge durch Breve Pius'IX.
	        
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