Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

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moralphilosophischen Werken: Taparelli, Saggio 
teoretico di diritto naturale (Palermo 1840/43 
u. 5., deutsche Übersetzung 1845); Th. Meyer, Die 
Grundsätze der Sittlichkeit u. des Rechts (1868); 
Walter, Naturrecht u. Politik (21871); Liberatore, 
Institutiones ethicae et iuris naturae (Rom 
71880); Costa-Rossetti, Philosophia moralis (ebd. 
71886); Th. Meyer, Institutiones iuris naturalis 
I1 (1900); Cathrein, Moralphilosophie II (1904); 
H. Pesch, Lehrbuch der Nationalökonomie I (1905) 
153 ff; v. Hertling, Recht, S. u. Gesellschaft (1906; 
Sammlung Kösel). lv. Hertling.) 
Staat, der antike. 1.Wenn im folgenden 
der „antike Staat" charakterisiert werden soll, so 
kann es sich selbstverständlich nicht darum handeln, 
als ob in der Antike — im Sinnevon Griechenland 
und Rom — ein einheitlicher Staatstyp vorhanden 
gewesen wäre, der in allem gleich und unverändert 
überall und immer bestanden hätte. Auch das 
antike Staatswesen zeigt die größten Verschieden- 
heiten und auch in der Antike war der Staat in 
den Wechsel der Dinge mit eingeschlossen und 
konnte sich dem Unterschied der Verhältnisse nicht 
entziehen. Etwas anderes ist der lazedämonische 
Staat, etwas anderes der athenische; dieser wieder 
etwas anderes vor den Perserkriegern oder zur 
Endzeit der griechischen Selbständigkeit. Ebenso 
ist es mit dem römischen Staatswesen. 
Aber trotz aller Verschiedenheit oder gerade 
unter deren Eindruck läßt sich die Frage ausstellen, 
ob nicht doch der antike Staat gewisse gemeinsame 
Eigenschaften besessen habe, die ihn besonders 
charakterisieren. So daß man also etwa von einem 
Typ des hellenischen Staats reden könnte, und 
ebenso von dem Charakter des römischen Staats, 
unbeschadet der Veränderungen, denen auch er in 
seiner langen Lebensdauer ausgesetzt war, und 
ebenso von gewissen Ahnlichkeiten und Berührungs- 
punkten dieser beiden Typen. Bei denm hellenischen 
Staatstyp wäre allerdings derlazedämonische Staat 
als Eigenart auszuscheiden; er erklärt sich in seiner 
Eigenart als Kunstprodukt der Verhältnisse. 
Die Grundlage für den Charakter eines Staats 
liegt zunächst in der Eigenart und Ausdehnung des 
Gebiets, in der Art und Zusammensetzung der ge- 
einigten Volksbestandteile und in dem Kreis von 
Kulturaufgaben, der durch geographische Lage, 
Kulturniveau und internationale Gesamtbeziehung 
dem Staat und seinen Organen gesteckt ist. Auf 
diese Grundlage projiziert, geben sodann die 
dauernden rechtlichen Institutionen das Bild eines 
Staats in seiner Verschiedenheit und Ahnlichkeit 
mit andern (vgl. R. Schmidt, Allgemeine Staats- 
lehre II, II. TI, 840/841). Es kann sich nun 
nicht darum handeln, das eigenartige Zusammen- 
wirken dieser Faktoren bei jedem einzelnen Staat 
der Antike zu schildern (wie es R. Schmidt in seiner 
Allgemeinen Staatslehre für alle geschichtlichen 
Kulturstaaten versucht). Wohl aber sollen einzelne 
aus der Empirie der Geschichte festgestellte Eigen- 
schaften kurz skizziert werden, die dem griechischen 
bzw. dem römischen Staatswesen als Merkmale 
Staat, der antike. 
  
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anhaften und trotz allem Wandel einen gewissen 
Charakter verleihen. Hauptsächlich kommen in 
Betracht die Beschaffenheit des staatlichen Ver- 
bands und die Stellung des Individuums in 
diesem Verband. 
Über die Möglichkeit der Feststellung solcher 
empirischer Staatstypen und über ihre Bedeutung 
als heuristisches Mittel zur begrifflichen Beherr- 
schung der wirren Mannigfaltigkeit des tatsäch- 
lichen Staatslebens vgl. G. Jellinek, Allgemeine 
Staatslehre (21905) 32/40. 
2. Für den Typ des hellenischen Staats 
ist zunächst bedeutsam geblieben sein Gebiet; er 
war und blieb wesentlich Stadtstaat. Sodann 
wurde immer alscharakteristisch für den hellenischen 
oder schließlich für den antiken Staat überhaupt 
hingestellt sein Verhältnis zum Individuum. In 
neuerer Zeit hat sich in der Beurteilung dieses 
Verhältnisses ein bedeutsamer Wandel vollzogen. 
Die bisherige Auffassung vertrat die Ansicht: das 
hervorragendste Merkmal des hellenischen Staats 
sei die Rechtlosigkeit des Individuums gegenüber 
dem Staat; das Individuum habe Anteil an der 
Schaffung des Staatswillens, aber grundsätzlich 
keine Sphäre staatsfreier Betätigung. Alle Seiten 
des individuellen Lebens seien der Allmacht des 
Staats überliefert gewesen. Die Quellen dieser 
traditionellen Ansicht sind vor allem zwei: einmal 
die unbesehene Verwertung der politischen Ideen 
von Plato und Aristoteles als Ausdruck und Be- 
weis der tatsächlichen Staatszustände und sodann 
die Tendenzmalerei des modernen Liberalismus, 
dem es zu tun war, seine Forderung von der 
Freiheit des Individuums durch eine scharfe Anti- 
these in ein möglichst günstiges Licht zu stellen 
(ogl. die überzeugenden literargeschichtlichen und 
kritischen Ausführungen bei Jellinek a. a. O. 285 
bis 305). Bezüglich des ersten Punktes sagt Jel- 
linek mit Recht: Die platonischen und aristote- 
lischen Lehren für den adäquaten Ausdruck des 
hellenischen Staatswesens zu halten, steht wissen- 
schaftlich auf gleicher Linie, wie wenn man den 
deutschen Staat aus den Ausführungen unserer 
Philosophen Kant, Fichte, Hegel, die ja eingehend 
die Grundfragen der Staatslehre erörtert haben, 
in seiner Eigenart erfassen zu können vermeint". 
Jellinek fordert schließlich, daß die „namentlich 
aus dem dorischen Idealtypus und Plato zu- 
sammengestümperteConstant-Stahl-MohlscheLehre 
von der Nichtanerkennung der individuellen Per- 
sönlichkeit in Hellas endlich aus der Literatur ver- 
schwinden möge“ (S. 308). Wahr bleibt an der 
traditionellen Auffassung, daß das Altertum das 
Recht und den Wert der menschlichen Person nicht 
kannte; diese dunkle Schattenseite der damaligen 
Kultur ist kraß beim Sklaventum und seiner 
Rechtlosigkeit hervorgetreten. (Zur Literatur über 
die antike Sklaverei vgl. vor allem Ed. Meyer, 
Die wirtschaftliche Entwicklung des Altertums 
[18951; jetzt auch in Kleinere Schriften zur Ge- 
schichtstheorie und zur wirtschaftlichen und politi-
	        
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