Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

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dem Kampf des Staats dagegen ist eine Signatur 
des mittelalterlichen Staats. (Vgl. die Art. Staats- 
kirchentum, Theokratie; ferner E. Eichmann, Der 
Recursus ab abusu nach deutschem Recht; 
Gierkes Untersuchungen zur deutschen Staats- und 
Rechtsgeschichte, Oft 66, 1903.) 
4. Auch der mittelalterliche Staat verzichtete 
nicht grundsätzlich darauf, Kulturstaat zu sein. 
Auch er weist staatliche Kulturarbeit auf. 
Freilich bekannte und betätigte er sich noch nicht 
subsidiär als Förderer aller Kulturarbeit über- 
haupt, wie es der moderne Staat tut. Das war 
bei der ganzen Kulturlage unmöglich. Dazu kam 
die mangelnde Einheit der staatlichen Organisa- 
tion. Eine Reihe von Kulturaufgaben waren in 
den Händen der eine höhere Kultur vermittelnden 
Kirche, andere waren den feudalen und zünftigen 
Organisationen überwiesen. 
Literatur. Jellinek, Allg. Staatslehre (21905; 
der empir. Typus des mittelalterl. Staats 309/316); 
R. Schmidt, Allg. Staatslehre II, I. u. II. TI (1903; 
ein Überblick über die ganze Geschichte der mittel- 
alterl. Staatsentwicklung 328/568); Rehm, Allg. 
Staatslehre (1899; § 18: Die Entwicklung des 
Souveränitätsbegriffs vom 10. bis 16. Jahrh. 40 
bis 43; § 52: Die sog. antike u. die sog. german. 
Staatsidee 207/209); ders., Gesch. der Staatsrechts- 
wissenschaft (1896; §§ 40/44: Das Mittelalter 
159/203); Bluntschli, Die mittelalterl. u. die mo- 
derne Staatsidee, in Staatswörterbuch VI; Gierke, 
Genossenschaftsrecht III (1881) 502 ff; v. Bezold, 
Gothein u. Koser, Staat u. Gesellschaft der neueren 
Zeit bis zur französ. Revolution, in Die Kultur der 
Gegenwart Tl II, Abt. 5, 1 (1908). 
Zur Charakteristik der Verhältnisse des mittel- 
alterl. Staats zu Religion u. Kirche: Mertens, Die 
Beziehungen der überordnung u. Unterordnung 
zwischen Kirche u. Staat (1877; Charakteristik des 
mittelalterl. Glaubensstaats 7/29); v. Hertling, 
Eröffnungsrede auf der Generalversammlung der 
Görresgesellschaft 1905. Jahresbericht 1906, 24 f; 
Bäumker, Die europ. Philosophie des Mittelalters, 
in Die Kultur der Gegenwart I I, Abt. 5 (1909; 
Die theokratischen Elemente bei Thomas von Aquin 
81 ff). LAdolf Ott.) 
Staat, der moderne. 1. Bei der Fest- 
stellung des empirischen Typus „moderner Staat" 
kommt es zunächst darauf an, ihn zu zeichnen 
in seiner Unterscheidung vom mittelalterlichen und 
ständischen Staat, aber auch vom absoluten Polizei- 
staat. Dabei kann es sich selbstverständlich nicht 
darum handeln, staatspolitische Ideale und Postu- 
late aufzustellen, die wir in der Gegenwart ver- 
wirklicht sehen möchten. Es sollen vielmehr aus 
der tatsächlichen Entwicklung, aus der Empirie 
des modernen Staatslebens solche Tendenzen und 
Eigenschaften des Staats festgestellt werden, welche 
den modernen Staat zu einem eigenartigen Staats- 
typ machen. 
Dabei gilt natürlich auch hier die Einschrän- 
kung, daß es sich um Staatsentwicklungen handelt, 
die nicht immer und überall gleichmäßig sich zeigen, 
ferner daß es sich in erster Linie bei Aufstellung 
Staat, der moderne. 
  
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auch dieses Staatstyps um ein logisch-begriffliches 
Hilfsmittel handelt, den modernen Staat nach 
bestimmten Seiten zu charakterisieren. 
Die Eigenart des modernen Staats zeigt sich 
vornehmlich in dem innern Aufbau des Staats, im 
Verhältnis des Staats zum Individuum, in dem 
Verhältnis zur Religion und Kirche und endlich 
in dem Umfang der Staatsbetätigung. 
2. In seinem Aufbau charakterisiert sich der 
moderne Staat im Gegensatz zu dem mittelalter- 
lichen Dualismus als innere Einheit und Unab- 
hängigkeit. „Dem modernen Staat eignet die ge- 
schlossene Einheitlichkeit der Lebensbetätigung, Ein- 
heit der Gesetzgebung und Verwaltung, denn auch 
wo Selbstverwaltung der Gemeinden, Kreise, Pro- 
vinzen eingeführt ist, geschieht sie im Rahmen der 
staatlichen Gesetzgebung und unter staatlicher Auf- 
sicht“ (v. Hertling, Recht, Staat und Gesellschaft 
(1906] 82). Ihren theoretischen Ausdruck hat 
diese Einheit und Unabhängigkeit gefunden in dem 
Anspruch des modernen Staats auf Souveräni- 
tät. Souveränität bedeutet aber Unabhängigkeit 
des modernen Staats von Mächten, welche außer 
und über ihm stehen, sie bedeutet geschlossene Ein- 
heitlichkeit der Lebensbetätigung. Souveränität 
ist geradezu die „theoretische Formel“ (Anschütz, 
Deutsches Staatsrecht, in Holtzendorff-Kohler, 
Enzyklopädie der Rechtswissenschaft II (1904) 
468) für die Emanzipation des modernen Staats 
von gewissen mittelalterlichen Gebundenheiten, 
von Herrschaftsträgern, die über den Staat sich 
stellten, wie die hierokratische Kirche, und von 
Herrschaftsträgern, die neben den Staat ihr eignes 
Recht stellten, wie die ständischen Mächte feudalen 
und kommunalen Charakters. 
Aber diese Souveränität des modernen Staats 
ist kein fester Begriff, aus dem man mit logischer 
Deduktion ohne weiteres unabweisbare Forde- 
rungen des Staats ableiten könnte. Sonst würde 
die Souveränität nicht mehr und nicht weniger be- 
deuten, als daß der Staat zu allem und jedem 
rechtlich befugt wäre. „Schrankenlos ist die sou- 
veräne Gewalt nur in dem Sinn, daß keine andere 
Macht sie rechtlich an der Anderung der eignen 
Rechtsordnung verhindern kann.“ „Würde Sou- 
veränität bedeuten, daß alle Möglichkeiten der 
Kompetenzerweiterung zur aktuellen Sphäre des 
Staats gehören, so wären wir alle Staatssklaven, 
die ein Stück Rechtsfähigkeit als Prekarium von 
seiten des Staats genießen“ (Jellinek, Allgemeine 
Staatslehre? [1905] 467 s). 
Die Souveränität bedeutet gewiß auch ein ver- 
ändertes Verhältnis des Staats zur katholischen 
Kirche. Aber keineswegs verlangt diese Souveräni- 
tät, daß die katholische Kirche restlos im Staat 
aufgeht und jede Freiheit eigner Lebensbetätigung 
als bloßes Prekarium von seiten des Staats an- 
zusehen hat. Auf der andern Seite bleibt es un- 
bestritten, daß mit der Souveränität es sich nicht 
vertragen würde, wenn die Kirche auch in allen 
irdisch-weltlichen Daseinsbeziehungen schlechtweg
	        
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