Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

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Trennung, Zusammenlegung) sowie Anderungen 
in der Begrenzung der Kirchspiele, um bürgerlich 
wirksam zu werden, der staatlichen Genehmigung 
bedürfen. Für Elsaß-Lothringen gelten die 
Bestimmungen des französischen Konkordats: 
Episcopi in sua quisque dioecesi novas 
paroecias circumscribent; quae circum- 
scriptio suum non sortietur effectum nisi 
postqusm gubernüt consensus accesserit 
(VIII), und der Organischen Artikel vom 8. April 
1802: Aucune partie du territoire français 
ne pourra étre éCrigée en cure ou en succur- 
sale sans l’autorisation expresse du gouver- 
nement (n. 62). Im Großherzogtum Hessen 
darf die provisorische oder definitive Errichtung 
neuer Pfarrstellen sowie die Anderung bestehender 
Pfarrbezirke nur mit Genehmigung der Staats- 
regierungerfolgen (Ges. vom 5. Juli 1887, Art. 10). 
In ähnlicher Weise ist die Errichtung neuer Pfar- 
reien geregelt in Preußen. Das Allgemeine 
Landrecht bestimmt in § 238, II, 11: „Neue 
Parochien können nur vom Staat unter Zuziehung 
der geistlichen Obern errichtet und die Grenzen 
derselben bestimmt werden.“ Dementsprechend sagt 
das Restkript des preußischen Kultusministers vom 
30. Sept. 1874 (s. Hinschius, Preuß. Kirchen- 
gesetze der Jahre 1874 u. 1875, 207): „Nach 
den Grundsätzen des preußischen Staatsrechts ist 
die Befugnis, Parochien zu errichten und die 
Grenzen derselben zu bestimmen, eine dem Staat 
vorbehaltene Attribution. Bei der Ausübung der- 
selben sollen die geistlichen Obern ihres dabei ob- 
waltenden Interesses wegen gehört werden. Die 
eigentliche Entscheidung gebührt dagegen überall 
der Staatsgewalt, die allein darüber zu bestimmen 
hat, zu welcher Parochie jemand als beitragendes 
Mitglied gerechnet werden soll.. Demgemäß 
sind fortan auch bei katholischen Parochial-Inno- 
vationen die betreffenden Errichtungsurkunden von 
der zuständigen Bezirksregierung gemeinschaftlich 
mit den geistlichen Obern aufzustellen resp. zu 
vollziehen, vor ihrer Ausfertigung aber hierher 
mittels besondern Berichts zur Prüfung und Be- 
stätigung einzureichen.“ Wichtig und wertvoll ist 
das am 29. Mai 190 erlassene Gesetz betr. die 
Bildung kirchlicher Hilfsfonds für neu zu errich- 
tende katholische Pfarrgemeinden. Der Art. 1 
dieses Gesetzes lautet: „Behufs Gewährung von 
Beihilfen an neu zu errichtende leistungsfähige 
katholische Pfarrgemeinden, welche zur Auf- 
bringung zur Erreichung des Mindeststellenein- 
kommens oder von Alters= oder Ortszulagen für 
die zu errichtende Pfarrstelle Umlagen ausschreiben 
müssen, sowie zur Gewährung von Beihilfen zu 
Um-, Erweiterungs- und Reubauten von Kirchen, 
Pfarr= und Küsterhäusern kann die bischöfliche 
Behörde einen Diözesanhilfsfonds bilden, für wel- 
chen alljährlich eine Umlage bis zu einem Prozent 
der von den katholischen Gemeindegliedern zu 
zahlenden Staatseinkommensteuer erhoben werden 
darf. — Aus einem Dihzesanhilfsfonds können 
Staatslexikon. IV. 3. u. 4. Aufl. 
Pfarrer. 
  
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Beihilfen zu den im Abs. 1 bezeichneten Zwecken 
auch an Diözesanhilfsfonds anderer preußischer 
Diözesen bewilligt werden.“ Veranlaßt wurde das 
Gesetz durch die Vorschrift in Art. 9 des Gesetzes 
betr. das Diensteinkommen der katholischen Pfarrer 
vom 3. Juli 1898: „Behufs Gewährung von 
Beihilfen an neu zu errichtende leistungsunfähige 
katholische Pfarrgemeinden, welche zur Auf- 
bringung von Zuschüssen zur Erreichung des 
Mindeststelleneinkommens und von Alters= oder 
Ortszulagen für die neu zu gründende Pfarrstelle 
Umlagen ausschreiben müssen, wird ein Betrag 
von 200 000 KM jährlich aus Staatsmitteln be- 
reit gestellt. — Die Bewilligung der Beihilfen hat 
zur Voraussetzung, daß die bischöfliche Behörde 
auch ihrerseits Mittel für diesen Zweck zur Ver- 
fügung stellt und die Pfarrgemeinde nach Maß- 
gabe ihrer Leistungsfähigkeit zu den Lasten der 
Neugründung beiträgt.“ Da die Bischöfe bei der 
Aufbringung der zur Erfüllung der bischöflichen 
Zuschußpflicht erforderlichen Mittel bisher haupt- 
sächlich auf freiwillige Gaben aus den katho- 
lischen Gemeinden angewiesen waren, da hierbei 
weder befriedigende Verhältnisse sich schaffen ließen, 
noch für die Erfüllung der kirchlichen Leistungen 
Garantien gegeben waren, bezweckte das Gesetz 
über die Bildung kirchlicher Hilfsfonds die Be- 
seitigung dieser Ubelstände. (Vgl. Förster, Die 
preuß. Gesetzgebung über die Vermögensverwal- 
tung in den kathol. Kirchengemeinden u. Diözesen 
(219071 358 ff.) Für Württemberg ist durch 
Gesetz vom 30. Jan. 1862 diese Materie in fol- 
gender Weise geordnet: Die Bildung neuer kirch- 
licher Gemeinden und die Abänderung bestehender 
kirchlicher Gemeinde= und Bezirkseinteilungen kann 
von dem Bischof nur im Einverständnis mit der 
Staatsregierung verfügt werden. Dasselbe gilt 
von Errichtung, Teilung und Vereinigung von 
Pfründen, auch wenn eine neue kirchliche Ge- 
meindeeinteilung damitnicht verbundenist (Art. 17). 
In Österreich können nach dem Konkordat 
vom 18. Aug. 1855 die Erzbischöfe und Bischöfe 
Pfarreien errichten, teilen und zusammenlegen, 
collatis cum Caesarea Maiestate consilüs, 
praesertim pro convenienti redituum as- 
signatione (Art. 4c). Das Gesetz vom 7. Mai 
1874 aber bestimmt: Zur Errichtung neuer 
Diözesen und Pfarrbezirke, zu einer Anderung 
in der Abgrenzung der bestehenden, dann zur 
Errichtung, Teilung und Vereinigung von Pfrün- 
den ist die staatliche Genehmigung erforderlich 
8 20). 
4. Die Rechte, welche der Pfarrer besitzt, kann 
er über alle jene Gläubigen ausüben, die inner- 
halb des ihm zugewiesenen Bezirks ihr Domizil 
oder Quasidomizil haben und nicht etwa vom 
Pfarrverband eximiert sind. Es hat der Grund- 
satz Geltung: Quisquis est in parochia, est 
etiam de parochia. Bei mehrfachem Domizil 
ist eine mehrfache Pfarrangehörigkeit gegeben. 
Pfarrer der Heimatlosen und Vagi ist derjenige, 
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