Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

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so große Zahl von Schülern sich praltischen Be- 
rufen zuwendet, vielleicht einige freie Zeit er- 
übrigen. Das Geschichtspensum der Obertertia 
ist nämlich, nach den preußischen Lehrplänen wenig- 
stens, verhältnismäßig knapp. Gelänge es dort, 
die Schüler bis zur französischen Revolution zu 
bringen, so ließen sich am Ende des Untersekunda- 
Kursus ein paar Wochen gewinnen, in denen im 
Zusammenhang das Wesentlichste des staatsbür- 
gerlichen Unterrichts behandelt werden könnte. 
Die schwierigeren Probleme der Volkswirischaft 
(Produktionszweige, Wirtschaftsstufen, Geld, Kre- 
dit, Bankwesen, Kolonien, volkswirtschaftliche 
Theorien usw.) müßten freilich der Oberstufe vor- 
behalten bleiben. 
Für die zweite Klasse der neuorganisierten 
preußischen höheren Mädchenschulen schreiben die 
„Ausführungsbestimmungen“ vom 12. Dez. 1908 
„Belehrungen über die Zustände der Gegenwart 
in Verwaltung und Ordnung von Staat und Ge- 
meinde sowie über die sozialen und wirtschaftlichen 
Verhältnisse“ vor. Aber auch hier wird man in 
der ersten Klasse und später auf dem Seminar und 
in der Studienanstalt ergänzend und vertiefend 
auf diese Belehrungen zurückkommen müssen. 
Was der Unterrichtsplan für die Frauenschul- 
klassen des Lyzeums im einzelnen anstrebt, ist mit 
folgenden Worten der „Ausführungsbestimmun- 
gen“ ausgesprochen: „Anknüpfend an das Wesen 
und die volkswirtschaftliche Bedeutung der Fa- 
milie, Entstehung und Wesen der Vereinigung zu 
Gemeinde und Staat. Der Staat, seine wirt- 
schaftlichen, geistigen und sittlichen Aufgaben. Die 
wichtigsten Behörden in Staat und Gemeinde. 
Volksvertretung. Selbstverwaltung. Steuerwesen. 
Personenstand. Kranken-, Unfall-, Invaliden= 
versicherung. Einrichtungen und Aufgaben der 
Gemeindeverwaltung. Außer der Wohlfahrts- 
pflege des Staats und der Gemeinde ist auch die 
Arbeit der Kirche, sowie diejenige von Vereinen 
und Genossenschaften zu würdigen. — Wirtschaft- 
licher Uberblick zum Verständnis der Entstehung 
der Volkswirtschaft. Die volkswirtschaftlichen 
Grundbegriffe der Arbeit, Arbeitsteilung, Güter- 
erzeugung, Güterverteilung und Geldverkehr im 
Anschluß an konkrete Verhältnisse. Die Gliede- 
rung in Berufsstände, Landwirtschaft, Industrie, 
Handel. Vereine und Genossenschaften.“ 
Man sieht aus dieser bisher wichtigsten Re- 
gierungsverfügung über Bürgerkunde und staats- 
rechtliche Erziehung, daß es nicht wenig ist, was 
der Staat in dieser Beziehung fordert, und es 
mag auch hier angebracht sein, sich bei der prak- 
tischen Ausführung dieser Bestimmungen des alten 
Wortes zu erinnern: daß die Hälfte oft mehr ist 
als das Ganze. Ebenso sicher ist aber, daß die 
staatsbürgerliche Erziehung sich ohne fundamen- 
tale Umwälzungen in den Rahmen der bestehenden 
Lehrpläne einfügen läßt, so daß der staatskundliche 
Unterricht tatsächlich der Schule überwiesen und 
nicht der Sorge der politischen Parteien allein 
Staatsbürgerlicher Gehorsam. 
  
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überlassen bleiben sollte. Ausschlaggebend für den 
Erfolg ist auch hier wie bei allen derartigen Neue- 
rungen das Verhalten des Lehrers: Geht er mit 
ganzem Herzen an die Arbeit, so schafft er viel in 
knappster Zeit; faßt er den Gegenstand mit pedan- 
tischer Trockenheit mehr äußerlich und rein intel- 
lektualistisch an, so werden auch die einschneidend- 
sten Reformen nicht verhindern können, daß die 
Unwissenheit und Interesselosigkeit unserer Schüler 
in staatsbürgerlichen Fragen unvermindert bleibt. 
Literatur. Willmann, Die sozialen Aufgaben 
der höheren Schulen (1891); Exner, Über polit. 
Bildung (1892); Störk, Der staatsbürgerl. Unter- 
richt (1893); Fischer, Staats-, Wirtschafts= u. So- 
zialpolitik auf höheren Lehranstalten (1893; Pro- 
gramm des Wiesbadener Realgymn.); Hochhuth, 
Elemente der Volkswirtschaftslehre u. Bürgerkunde 
im deutschen Unterricht (1894); Neubauer, Volks- 
wirtschaftliches im Geschichtsunterricht (1894); Kö- 
cher, Zwei neuere Probleme des Geschichtsunter- 
richts (1896); Schleichert, Die volkswirtschaftlichen 
Elementarkenntnisse im Lehrplan der Volksschule 
(1897); Huckert, Sammlung sozialpädagog. Aufsätze 
(1898); Griep, Bürgerkunde (1901); derf., Kleine 
Rechts= u. Bürgerkunde (1902); Laux u. Boock, 
Erziehung des Deutschen zum Staatsbürger (1902); 
Kerschensteiner, Die staatsbürgerl. Erziehung der 
deutschen Jugend (71909); ders., Der Begriff der 
staatsbürgerl. Erziehung (1910); Giese, Deutsche 
Bürgerkunde (51910); Croner, Bürgerkunde (1907); 
Hoffmann u. Groth (51908); Mittenzwey, Bür- 
gerkunde (51908); Neubauer, Kleine Staatslehre 
für höhere Lehranstalten (1909); Seidenberger, 
Bürgerkunde in Lehrproben für den Schulunter- 
richt (1909); P. Zimmermann, Staatsbürgerl. 
Erziehung (1909); Th. Franke, Deutsche Staats- 
u. Bürgerkunde für gehobene Bürger-, Fortbil- 
dungs= u. Fachschulen (1909); Pondorf u. Viergutz, 
Grundriß der Verfassungs= u. Bürgerkunde (1909); 
Spielmann, Die wichtigsten Reichs= u. Staatsein- 
richtungen (1909); Schilling, Über Wesen, Aufgabe 
u. Mittel der staatsbürgerl. Erziehung (30. Hft der 
„Pädagogik der Gegenwart“); Rusch, Herdegen u. 
Tiechl, Elementare Staats= u. Gesellschaftskunde 
auf kulturgeschichtl. Grundlage (1909); C. Kinder- 
mann, Volkswirtschaft u. Staat (1908); Obst, 
Polit. Handbuch (1909); Schubart, Verfassung u. 
Verwaltung des Deutschen Reichs u. des preuß. 
Staats (1909); Glock u. Bazille, Bürgerkunde für 
Württemberg (1909); Schroeder, Erziehung zum 
Staatsbürger (1909); Treuge, Einführung in die 
Bürgerkunde (1909); Herrfurth, Leitfaden der 
Bürger= u. Gesetzeskunde für Frauenschulen (1909); 
E. v. Liebert, Staats= u. Bürgerkunde in Einzel- 
darstellungen (2 Bde, 1910); A. Fischer, Bürger- 
kunde für höhere Schulen (1910); A. Schröter, 
Die staatsbürgerl. Erziehung der kaufmännischen 
Jugend (1910); F. W. Foerster, Staatsbürgerl. 
Erziehung (1910); E. Heuß-Knapp, Bürgerkunde 
u. Volkswirtschaftslehre für Frauenschulen (1910); 
Glock u. Korn, Bürgerkunde (1910).— Der staats- 
bürgerl. Erziehung dient auch die 1910 gegründete 
u. von Privatdozent Dr H. Dorn hrsg. Halb- 
monatsschrift „Der Staatsbürger“ (Leipz., Grü- 
now). [E. M. Noloff.] 
Staatsbürgerlicher Gehorsam s. Ge- 
horsam, staatsbürgerlicher. 
 
	        
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