Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

1483 
in dieser Zeit geleistet sind, entbehren ... der ge- 
setzlichen Grundlage, welche der Staatshaushalt, 
wie Ich wiederholt anerkenne, nur durch das nach 
Art. 99 der Verfassungsurkunde alljährlich zwischen 
Meiner Regierung und den beiden Häusern des 
Landtags zu vereinbarende Gesetz erhält.“ Der 
Konflikt war beigelegt; seitdem ist ein solcher nicht 
mehr eingetreten. Wo der Etat nicht rechtzeitig 
vereinbart war, hat man sich über eine Form der 
nachträglichen Genehmigung in dem Etatsgesetz 
verständigt. 
Nachdem nun aber zunächst die Verfafsung für 
den Norddeutschen Bund, sodann die für das 
Deutsche Reich auch die in der preußischen Ver- 
fassung vorgesehene Festlegung des Etats durch 
Gesetz ausgenommen haben, hat es ein noch all- 
gemeineres Interesse, auch auf die staatsrechtliche 
Literatur kurz einzugehen, welche sich mit den sich 
daran anknüpfenden Streitfragen beschäftigt hat. 
Laband legt den Grund für seine Auffassung 
dadurch, daß er nachzuweisen sucht, es handle sich 
bei dem Etat in Preußen nur formell um ein 
Gesetz, nämlich hinsichtlich der Art des Zustande- 
kommens, der Feststellung unter Ubereinstimmung 
der Krone und beider Kammern, keineswegs aber 
sei diese Feststellung ein Akt der Gesetzgebung im 
materiellen Sinn des Wortes. „Der Etat ent- 
hält keine Rechtsregel ... sondern nur Zahlen."“ 
Er ist „ein Wirtschaftsplan“, „eine Rechnung 
über ... künftig zu erwartende Einnahmen und 
Ausgaben, er ist ein sog. Voranschlag“. „Der 
Etat begründet der Regel nach keine rechtliche 
Verpflichtung zu Einnahmen oder zu Ausgaben, 
sondern er setzt diese rechtlichen Verpflichtungen 
voraus und stellt ihre finanziellen Resultate ledig- 
lich zusammen.“ Auch vor Einführung der kon- 
stitutionellen Staatsform sei der Voranschlag als 
notwendig für eine geordnete Staatsverwaltung 
erkannt. Der Etat habe nichts zu schaffen mit der 
Gesetzgebung, sondern gehöre lediglich zur Ver- 
waltung. Eine Einschränkung erfährt diese 
Ansicht allerdings dadurch, daß materielle gesetz- 
liche Bestimmungen im Etatsgesetz Aufnahme 
finden können, z. B. bei Steuern, die ihrer Höhe 
nach beweglich sind, wird die jährlich zu erhebende 
Steuer durch das Etatsgesetz bestimmt, durch 
dieses also das Steuergesetz vervollständigt, beide 
zusammen bilden dann die rechtliche Grundlage 
für die Steuererhebung. Rechtsregeln verlieren 
dadurch nicht die Bedeutung und Kraft eines Ge- 
setzes, daß sie zugleich mit dem Etat aufgestellt 
werden, welcher an sich kein Gesetz im materiellen 
Wortsinn, sondern ein Verwaltungsakt ist. Für 
Preußen besteht eine Schwierigkeit solcher Ver- 
bindung darin, daß das Herrenhaus den Etat nur 
im ganzen annehmen oder verwerfen kann, also 
durch eine solche Einfügung von gesetzlichen Be- 
stimmungen in den Etat des ihm sonst zustehenden 
Einflusses auf die Gestaltung derselben verlustig 
gehen würde, was nicht als richtig anerkannt 
werden kann. 
  
Staatshaushalt. 
  
1484 
Laband zieht nun aus dem vorentwickelten 
Prinzip eine Reihe staatsrechtlicher Konsequenzen. 
Zunächst folgt für die Grenzen des Budgetbewil- 
ligungswesens der Volksvertretung aus der Auf- 
fassung, daß der Etat Akt der Verwaltung ist, und 
aus dem Grundsatz, daß die Staatsverwaltung 
den Gesetzen gemäß geführt werden soll und muß, 
als Ergebnis, daß die Feststellung des Etats dem 
geltenden Recht gemäß zu geschehen hat. Staats- 
rechtliche Pflicht ist es für Regierung wie für 
Volksvertretung, daß, wo solche bestehende Gesetze 
direkt oder indirekt Einnahmen oder Ausgaben 
bestimmen, dies beachtet werden muß. Gegenüber 
den ordentlichen Einnahmen ist das gesetzlich fest- 
gesetzte Gebiet das, größte, insbesondere auch gilt 
dies von den bestehenden Steuern. Nicht das 
Budget ist die gesetzliche Grundlage für die Er- 
hebung der Steuern, sondern die Steuergesetze 
sind die Grundlage für die Aufnahme der Beträge 
in den Etat. Streichung einer gesetzlich bestehen- 
den Steuer aus dem Etat seitens des Landtags 
ohne Zustimmung der Regierung wäre ein Rechts- 
bruch, ein staatsrechtlich unwirksamer Akt. Anders 
steht das Recht des Budgets in betreff der außer- 
ordentlichen Einnahmen: Anleihen, Überschüsse 
aus Vorjahren, Verkauf von Staatseigentum. 
Anleihen können nur mit Zustimmung des Land- 
tags erfolgen, für die Verwendung der Über- 
schüsse gelten besondere Bestimmungen, welche nur 
durch besonderes Gesetz geändert werden können. 
Veräußerung von Staatseigentum kann der Land- 
tag nicht gegen den Willen der Landesregierung 
anordnen. Von der Regierung in Einnahme ge- 
stellte Beträge aus beabsichtigten Veräußerungen 
kann der Landtag nicht streichen, weil die Ent- 
schließung zur Veräußerung, soweit nicht beson- 
dere gesetzliche Bestimmungen im Weg stehen, der 
Regierung nach Maßgabe der für die Verwaltung 
geltenden Normen zusteht. 
Hinsichtlich der Ausgaben bekämpft Laband 
die Ansicht, daß die Regierung unbedingt an die 
Zustimmung des Landtags gebunden sei, daß das 
Budgetrecht des Landtags geradezu als Ausgabe- 
bewilligungsrecht definiert werde. Wollte man 
annehmen, daß nur die Ausgaben, welche zur Er- 
füllung zivilrechtlicher Verpflichtungen des Staats 
notwendig seien, vom Landtag unter allen Um- 
ständen bewilligt werden müssen, die übrigen Be- 
willigungen dem Ermessen anheimzustellen seien, 
so gehe dies auf der einen Seite zu weit, da die 
Staatsorgane innerhalb ihrer ressortmäßigen Kom- 
petenz in erheblichem Umfang Verpflichtungen ein- 
gehen könnten, welche der Landtag dann unweiger- 
lich respektieren müßte, anderseits gebe es neben 
den zivilrechtlich verfolgbaren auch noch staats- 
rechtlich gebotene Ausgaben (Erhaltung von Ge- 
fängnissen, Anstalten verschiedener Art usw.). 
Laband stellt dann die Ansicht auf: „So wenig 
der Landtag das bestehende Recht und die gesetzlich 
bestehenden Einrichtungen des Staats direkt durch 
einseitige Beschlüsse .. aufheben kann, ebenso
	        
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