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wenig kann er es indirekt tun durch Verweigerung
der zu ihrer Durchführung erforderlichen Aus-
gaben.“ Manhat demnach zu unterscheiden zwischen
solchen Ausgaben, welche zur Durchführung der
Gesetze notwendig sind, und solchen, welche
dazu nicht erforderlich sind.
Die praktische Durchführung dieses Satzes hat
ihre Schwierigkeiten. Zinsen von Anleihen u. dgl.
sind unbedingt der ersteren Art zuzuschreiben,
Unterstützung einer Entdeckungsreise und vieles
andere ebenso zweifellos der zweiten; dazwischen
aber ist ein großes Vermittlungsgebiet, auf welchem
die Zuteilung schwierig ist. Über die Art und
Weise der Durchführung z. B. einer Behörden-
organisation, deren Notwendigkeit an sich un-
bestritten ist, deren gesetzliche Grundlagen vor-
handen sind, kann man verschiedener Ansicht sein,
somit auch über den Umfang der nötigen Mittel.
Es hilft da auch nicht die Unterscheidung in not-
wendige und nur nützliche Ausgaben, weil man
über diesen Charakter im Zweifel sein kann. La-
band sucht die Lösung in der bindenden Kraft
der Landtagsbeschlüsse. Vom einseitig politischen
Gesichtspunkt aus soll der Landtag der jeweiligen
Volksstimmung Ausdruck geben, kein Landtag ist
daher gebunden durch Beschlüsse des Landtags
früherer Jahre. Faßt man aber, nach Laband,
die staatsrechtliche Seite mit ins Auge, so wird
man, dessen Ansicht zufolge, zu dem Grundsatz
gelangen, daß die einmal zustande gekommene
Einigung zwischen Regierung und Landtag nicht
durch einseitigen Dissens, sondern nur durch ander-
weite Willenseinigung wieder aufgehoben werden
kann. So wird auch jeder Etat zwar immer nur
für ein Jahr erlassen, seine finanzielle Bedeutung
und Funktion ist auf das betreffende Etatsjahr
beschränkt; materiell aber erstrecken sich zahlreiche
Maßregeln und Einrichtungen auf längere Zeit-
räume und erscheinen nur stückweis in den Budgets
mehrerer Jahre. Es heißt nicht in der Verfassung
„für jedes Jahr bewilligt“, sondern „für jedes
Jahr veranschlagt“. Man muß unterscheiden zwi-
schen den einzelnen Positionen und der Zusammen-
stellung zum Etat. Dieser im ganzen, als Finanz-
plan, ist nur für einen bestimmten Zeitabschnitt
gültig, von den einzelnen Positionen ist aber ein
Teil von dauerndem Charakter (z. B. Kosten für
Gerichtshöfe und andere Behörden), ein anderer
erscheint von unbestimmter Dauer (z. B. Kosten
für Katastrierung und Landesvermessung), ein
anderer wird zwar jährlich bewilligt, der Zweck
erreicht aber seinen Abschluß nicht in dem einen
Jahr (große Bauten). In allen diesen Fällen
müsse, sagt Laband, eine Kontinuität anerkannt
werden, welche nicht einseitig durchbrochen werden
dürfe. Manche Ausgaben sind nur einmalige, die
Befriedigung des Bedürfnisses wird in dem einen
Jahr erreicht: hier besteht freie Verfügung des
Landtags. Indem man nun die einzelnen Posi-
tionen nach diesen Gesichtspunkten prüft, kommt
man, nach Laband, zu dem Schluß, daß der Etat
Staatshaushalt.
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des nächstvergangenen Jahrs gewissermaßen als
Normaletat behandelt wird, indem man den
Grundsatz festhält, „daß die Bewilligung einer
Ausgabe, welche ihrer Natur nach eine dauernde
ist und von Regierung und Landtag als solche
gemeint war, als sie zuerst erfolgte, von einem
späteren Landtag nicht einseitig ohne zwingenden
Grund widerrufen werden kann“. ·
Von besonderer Bedeutung ist nun die Beant-
wortung der Frage, welche staatsrechtlichen Folgen
das Nichtzustandekommen des Budgets hat.
Die preußische Verfassung hat keine Vorschrift für
diesen Fall, welcher nicht nur möglich, sondern
auch tatsächlich schon eingetreten ist. Laband ver-
tritt die Ansicht, daß hier die Verfassung eine
Lücke enthält. Eine Lücke in der Verfassungs-
urkunde dürfe aber nicht verwechselt werden mit
einer Lücke in der Staatsverfassung, in der Rechts-
ordnung; die Lücke in der Verfassungsurkunde
muß ausgefüllt werden aus den allgemeinen Rechts-
prinzipien. Von seiner oben kurz wiedergegebenen
Anschauung über das Wesen des Budgets kommt
Laband zu dem Ergebnis, daß das Nichtzustande-
kommen des Etatsgesetzes keineswegs einen Arrest
auf alle Staatsgelder legte. Das Ministerium
bleibt jedoch für alle einzelnen Ausgaben verant-
wortlich, es muß dem Landtag den Nachweis
führen, „daß sie an sich und in der bestimmten
Höhe durch Gesetze oder das Staatswohl erfordert
worden sind“. Es tritt für die Regierung eine
ähnliche Rechtslage ein, wie bei Etatsüberschrei-
tungen und außeretatmäßigen Ausgaben. Es
wird, nach Laband, dem Ministerialbeschluß vom
16. Dez. 1850 beigetreten, nach welchem ange-
nommen wurde: 1) Diejenigen Ausgaben, welche
aus dem letzten durch Gesetz festgestellten Staats-
haushaltsetat unverändert in den neuen Etats-
entwurf übergegangen sind, können ohne besondern
Nachweis ihrer Notwendigkeit sofort zahlbar ge-
macht werden. 2) Alle übrigen ... Ausgaben ...
dürfen nur dann angewiesen werden, wenn ent-
weder eine rechtliche Verpflichtung zur Zahlung
besteht oder die Ausgabe nach dem Ermessen des
Verwaltungschefs ohne Gefahr für den geregelten
Gang der Verwaltung oder für andere wichtige
Staatsinteressen nicht ausgesetzt werden kann. Die
ganze Darstellung schließt mit den oben angeführ-
ten Worten des Ministerpräsidenten v. Bismarck,
welche als zutreffend erklärt werden.
Daß die Volksvertretung in ihrer Mehrheit zu
keiner Zeit den Anschauungen beigetreten ist, welche
vorstehend mitgeteilt sind, geht aus der kurzen
Darstellung des Konflikls hervor und findet seine
Bestätigung in der weiteren Geschichte des Par-
laments. Indessen auch in der Literatur haben
dieselben Widerspruch gefunden. Es wird zweck-
entsprechend sein, hier die Ausführungen Rönnes
kurz anzuführen. Art. 99 der Verfassung „gesteht
der Volksvertretung ein uneingeschränktes Recht
der Teilnahme an der Feftstellung des jährlichen
Staatshaushalts zu“. Das Staatshaushaltsgesetz