Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

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die Geburts- und Taufmatrikel, Trauungs= und 
Sterbematrilel. Das Tridentinum hat den Pfarrern 
zur Pflicht gemacht, die Namen der Getauften 
imd deren Taufpaten sowie der Ehegatten, der 
Zeugen, der Zeit und des Orts des Abschlusses im 
Register einzutragen (sess. XXIV de ref. matr. 
c. 1, 2). Durch partikularrechtliche Verord- 
nungen, die zum Teil noch vor dem Tridentinum 
erlassen wurden, wurde dann auch noch die Füh- 
rung von Firm= und Sterbebüchern sowie eines 
Familienregisters vorgeschrieben. Die durch die 
Pfarrer bewirkte und durch sie bezeugte Ein- 
tragung in die Pfarrbücher besitzt für das Gebiet 
der Kirche die Beweiskraft öffentlicher Urkunden. 
Die Pfarrbücher waren zugleich auch in bürger- 
licher Beziehung maßgebend, bis zuerst der fran- 
zösische Code civil dieses Prinzip durchlöcherte. 
In Frankreich und in den Teilen Deutschlands, 
in denen das französische Recht galt, wurden statt 
der Pfarrer eigentliche Standesbeamte bestellt, 
welche die Geburts-, Ehe= und Sterberegister zu 
führen hatten. Durch das Reichsgesetz über die 
Beurkundung des Personenstands und die Ehe- 
schließung vom 6. Febr. 1875 haben die Pfarrer 
im ganzen Deutschen Reich aufgehört, auch bürger- 
liche Standesbeamte zu sein. Nach diesem Gesetz 
darf sogar Geistlichen und andern Religions- 
dienern das Amt eines Standesbeamten oder die 
Stellvertretung eines solchen nicht übertragen wer- 
den (§ 3). Der Bestellung emerilierter Geistlichen 
zu Standesbeamten steht ein gesetzliches Hindernis 
jedoch nicht entgegen. Zugestanden wird im Gesetz 
vom 6. Febr. 1875 den Geistlichen das Recht der 
Beurkundung von Geburten, Eheschließungen und 
Sterbefällen in jenen Grenzpfarreien, namentlich 
gegen Osterreich hin, zu denen auch ausländische 
Gemeinden gehören, aber nur für die Geburten 
und Sterbefälle im nichtdeutschen Teil der Pfarrei, 
und wenn bei Eheschließungen für keinen der Ver- 
lobten ein Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufent- 
haltsort im deutschen Teil der Pfarrei oder sonst 
in einem deutschen Standesamtsbezirk begründet 
ist (6 75). Für Führung und Einrichtung der 
Kirchenbücher sind von den einzelnen kirchlichen 
Behörden partikularrechtliche Vorschriften erlassen. 
Als öffentliche Urkunden mit voller Beweiskraft 
für das staatliche Gebiet gelten die Kirchenbücher 
jetzt nicht mehr. 
Die weit verzweigte Amtstätigkeit des Pfarrers, 
die von seinen Parochianen jeden Augenblick in 
Anspruch genommen werden kann, bedingt dessen 
Residenzpflicht, d.kh. die Pflicht, im Pfarr- 
ort, und zwar der Regel nach im Pfarrhaus zu 
wohnen, so daß eine regelmäßige Ausübung der 
Amtspflichten möglich ist. Zu jeder längeren Ab- 
wesenheit muß er die Erlaubnis des Bischofs ein- 
holen (Trid. sess. XXIII de ref. c. 1). Liegen 
triftige Gründe vor, so kann ihm die Erlaubnis 
der Abwesenheit bis zu zwei Monaten nicht ver- 
sagt werden; einen längeren Urlaub erhält er nur 
aus zwingenden Gründen. Gemeinrechtlich sind 
Pfarrer. 
  
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nur die allgemeinen Grundsätze fixiert, während in 
jeder Diözese partikularrechtliche Vorschriften, in 
manchen Dihzesen sehr strenge, erlassen sind, in 
welchen Fällen der Pfarrer der Erlaubnis des 
Dekans, in welchen jener des Bischofs bedarf, um 
seine Pfarrei erlaubterweise verlassen zu können. 
6. Pfarrer kann werden, wer die zur Erlangung 
dieses Kirchenamts notwendigen Eigenschaften be- 
sitzt. Er muß ehelicher Geburt sein (andernfalls 
muß der Papst ihn vor der Übertragung des 
Pfarramts dispensieren), das 24. Lebensjahr zu- 
rückgelegt haben und binnen Jahresfrist spätestens 
die Priesterweihe erwerben. Für die Besetzung der 
Pfarreien freier bischöflicher Kollation oder geist- 
lichen Patronats ist durch das Tridentinum 
(ess. XXIV de ref. c. 18) und spätere päpst- 
liche Konstitutionen (Pius V. In conferendis 
18. März 1567; Apostolatus officium 19. Aug. 
1567; Klemens Xl. Quo parochiales 10. Jan. 
1721; Benedikt XIV. Quum illud 14. Dez. 1742; 
Redditae nobis 9. April 1746) der sog. Pfarr- 
konkurs vorgeschrieben. Nach Erledigung einer 
solchen Pfarrei sollen innerhalb zehn Tagen oder 
eines vom Bischof zu bestimmenden Zeitraums 
durch öffentlichen Erlaß diejenigen aufgefordert 
werden, welche sich zum Zweck der Erlangung der 
Pfarrei wollen prüfen lassen. Nach Ablauf dieser 
Frist sollen die Bewerber vom Bischof oder Ge- 
neralvikar und drei hierzu bestellten Synodal- 
bzw. Prosynodal-Examinatoren geprüft werden. 
Die Prüfung, die sich auf die wichtigsten theolo- 
gischen Disziplinen erstreckt, ist eine schriftliche und 
eine mündliche, wobei alle Kandidaten die näm- 
lichen Fragen zu beantworten haben. Das 
Examen erstreckt sich übrigens nicht nur auf die 
wissenschaftliche Qualifikation der Bewerber, son- 
dern auch auf andere zur Verwaltung des Pfarr- 
amts notwendige Eigenschaften. Die Examina- 
toren geben ihr Urteil über Tauglichkeit oder Un- 
tauglichkeit der Kandidaten ab, ohne sie zu klassi- 
fizieren. Aus den für tauglich Erklärten wählt 
der Bischof oder der geistliche Patron den Wür- 
digsten aus. Für das Laienpatronat hat das 
Tridentinum den Konkurs nicht vorgeschrieben. 
Die gemeinrechtliche Praxis besteht in Italien, 
Spanien, Portugal und Südamerika; überhaupt 
kein Pfarrkonkurs wird gemacht in Frankreich, 
Belgien, England und Nordamerika. In Deutsch- 
land und Osterreich besteht der Pfarrkonkurs, aber 
nicht in der vom Tridentinum vorgeschriebenen 
Form. Kraft apostolischer Vollmacht werden hier 
vielmehr alljährlich eine oder mehrere Pfarr- 
konkursprüfungen abgehalten, auf Grund deren 
der Geprüfte entweder auf eine bestimmte Reihe 
von Jahren oder für immer das Recht hat, um 
vakant gewordene Pfarreien sich zu bewerben. 
Auch der Staat stellt gewisse Anforderungen 
an denjenigen, dem eine Pfarrei übertragen wer- 
den soll. Außer dem Indigenat oder doch der 
deutschen Reichsangehörigkeit und einer allgemein- 
wissenschaftlichen sowie theologischen Bildung wird
	        
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