Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

1493 
tung des Unterrichtswesens. Es muß Fürsorge 
getroffen werden, daß an jeder Stelle rechtzeitig 
die für die Ausgaben erforderlichen Summen zur 
Verfügung stehen, daß nicht anderseits Uberschuß- 
beträge müßig sich an anderer Stelle ansammeln. 
Zu diesem Zweck ist eine Zentralisation des Kassen- 
wesens wohl in allen Staaten durchgeführt. Die 
Kassen der einzelnen Verwaltungen und Betriebe, 
die Kassen der einzelnen Bezirke (Regierungs- 
bezirke, Kreise usw.) stehen teils unmittelbar mit 
der Zentralkasse des Staats in regelmäßiger Ver- 
bindung durch Übersendung von Kassenabschlüssen, 
Bestandsnachweisungen, teils stehen sie unter 
größeren sog. Hauptkassen, und erst diese vermitteln 
die Beziehung zur Zentralstelle. In Preußen 
z. B. ist eine Generalstaatskasse; direkt mit ihr 
stehen in Beziehung die Generalkassen einzelner 
Zweige (General-Militärkasse, Staatsschulden- 
tilgungskasse usw.), ferner die Regierungshaupt- 
kassen, unter denen wiederum die Kreiskassen 
stehen. Die Kassenverwaltung sucht ihre Sicher- 
heit in genau vorgeschriebenem, mannigfacher Re- 
vision unterworfenem Geschäftsgang, durch stetes 
Zusammenwirken mehrerer Beamten bei einer 
Kasse, so daß keiner ohne mindestens einen zweiten 
die Bestände in Gewahrsam hat, durch persönliche 
Haftbarmachung der Beamten, was durch Hinter- 
legung von Kautionen sicher zu stellen ist, und 
endlich durch Unterbringung der Gelder in äußer- 
lich möglichst gegen Entwendungen geschützten Be- 
hältnissen und Räumen. 
X. Kontrolle der Einnahmen und Aus- 
gaben. Von ganz besonderer Bedeutung sind die 
Kontrollen auf dem Gebiet des Finanzwesens. 
Kein Staatswesen kann derselben entbehren, ohne 
Rücksicht darauf, ob die Verfassung eine monarchi- 
sche oder republikanische, absolute oder konstitutio- 
nelle ist. Bei allen konstitutionellen Verfassungen 
aber tritt zu den eben erwähnten Kontrollen noch 
die parlamentarische Kontrolle als wichtiger Fak- 
tor hinzu, welche sowohl im Umfang der Ver- 
waltung überhaupt, ganz besonders indessen bei 
der Finanzverwaltung von Bedeutung ist, wäh- 
rend die Rechtskontrolle, der Rechtsschutz, in die 
Hände der Justizverwaltung gelegt ist und dort 
durch unabhängige Gerichte geübt werden soll, da- 
durch also der Kontrolle einer politischen Körper- 
schaft entzogen erscheint. 
Unter dem Einfluß der Erfahrungen, welche 
das Verfassungsleben in England gebracht hat, 
haben auch die Verfassungen der deutschen Staaten 
den Landesvertretungen eine kontrollierende Mit- 
wirkung eingeräumt. Während die vollziehende 
Gewalt, das Verordnungsrecht zur Ausführung 
der Gesetze, nur Recht der Krone ist, keine Volks- 
vertretung aber das Recht hat, unmittelbar in 
einzelne Verwaltungsakte der Staatsregierung 
einzugreifen, so folgt doch aus den verfassungs- 
mäßigen Befugnissen, daß die Parlamente in Be- 
zug auf alle Zweige der Verwaltung einen 
kontrollierenden Einfluß auszuüben in der Lage 
  
Staatshaushalt. 
  
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sind, wenn ihnen auch keine Machtmittel zur Seite 
stehen, ihre Anschauungen unmittelbar zur Gel- 
tung zu bringen. Nehmen wir als Beispiel die 
preußische Verfassung. Die Behandlung der Peti- 
tionen, welche überhaupt nur dann zur Verhand- 
lung als geeignet erachtet werden, wenn alle 
zuständigen staatlichen Instanzen ihre Verwal- 
tungskontrolle ausgeübt haben, ohne daß die 
Petenten ihr Recht anerkannt finden, die Inter- 
pellationen, welche ohne jede Ausnahme sich auf 
alle Zweige der Verwaltung erstrecken können, 
das Recht der Kammern, Adressen an den König 
zu richten (8 81), in welchen sie unzweifelhaft 
auch das Recht haben, Beschwerden über die Aus- 
übung der Regierungsrechte vorzutragen, die ganz 
allgemein gehaltene Befugnis, Kommissionen zur 
Untersuchung von Tatsachen zu ihrer Infor- 
mation zu ernennen (§ 82), — alle diese Rechte 
gewähren einen gewissen Einfluß auch auf die 
eigentliche Verwaltung, welchem sich unter nor- 
malen Verhältnissen bei aller prinzipiellen Auf- 
rechterhaltung der ausschließlichen exekutiven Ge- 
walt keine Regierung wird ganz entziehen können. 
Weit bedeutsamer und unmittelbar eingreifend ist 
indessen Mitwirkung und Kontrolle gegenüber der 
Finanzverwaltung. 
Faktoren der Gesetzgebung, welche einen ent- 
scheidenden Einfluß auf die Bildung des Staats- 
haushalts nach Einnahmen und Ausgaben aus- 
üben, müssen auch beteiligt sein bei der Aufsicht 
darüber, ob die Finanzverwaltung dem Gesetz ge- 
mäß vorgegangen ist. Die sachgemäße Grundlage 
für das Parlament bildet der Abschluß der Rech- 
nungslegung an die berufene oberste Kontroll- 
behörde des Staats und deren Revision. 
Für das Deutsche Reich besteht der „Rech- 
nungshof des Deutschen Reichs"“ nicht als eine 
selbständige Behörde, sondern es wurde die preu- 
ßische Oberrechnungskammer unter der erwähnten 
Bezeichmung zunächst für den Norddeutschen Bund 
und später für das Deutsche Reich als oberste 
Revisionsbehörde in der Art herangezogen, daß 
eine Vermehrung der Mitglieder durch Einrich- 
tung einer besondern Abteilung, deren Berufung 
durch das Reich erfolgt, eingetreten ist. Für die 
Revision durch den Rechnungshof findet das Ge- 
setz für die preußische Oberrechnungskammer vom 
27. März 1872 (Preuß. Gesetzsammlung 278) 
Anwendung, wie dies zuletzt durch Reichsgesetz 
vom 8. Febr. 1886 (Reichsgesetzbuch 27) festge- 
gesetzt ist. 
Die Einrichtungen und Befugnisse der preu- 
ßbischen Oberrechnungskammer beruhten 
auf einer königlichen Instruktion vom 18. Dez. 
1824, während ihr Ursprung auf die 1717 durch 
Friedrich Wilhelm I. gebildete General-Rech- 
nungskammer zurückzuführen ist. Das Hinzutreten 
der parlamentarischen Kontrolle machte weitere ge- 
setzliche Bestimmungen notwendig. Art. 104 der 
preußischen Verfassungsurkunde vom 31. Jan. 
1850 bestimmte demgemäß, daß durch ein beson-
	        
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